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Arrangieren und Instrumentieren

Dieser Artikel basiert auf dem Buch von Ulrich Kaiser und Carsten Gerlitz Arrangieren und Instrumentieren. Barock bis Pop (2005).


Klassische Instrumentation: Eine ›Sonatensinfonie‹ für Schulorchester

Inhalt


Eine ›Sonatensinfonie‹ für Schulorchester

Stell dir vor, du würden ein etwas größeres Schulorchester mit Pauken und Trompeten leiten und hättest Schwierigkeiten, geeignete Literatur für die nächste Schulaufführung zu finden, bzw. keine Lust, immer nur die altbekannten Stücke aufzuführen. Was läge da näher, als eine Klaviersonate genau für die dir zur Verfügung stehende Besetzung zu arrangieren?

Exposition

Die Vorlage studieren ...

Hören dir den ersten Formteil (Exposition) der Sonate B-Dur von Hermann Friedrich Raupach (1728-1778) mehrfach an, bis du eine klare Klangvorstellung von dem Notentext hast. Studiere anschließend den Notentext zur Aufgabe.

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Hermann Friedrich Raupach, Sonate für Cembalo und Violine B-Dur Op. 1, Nr. 1 (Exposition), Hammerflügel: Veronika Brass

Im Allgemeinen sind Kopfsätze von Sinfonien des ausgehenden 18. Jahrhunderts in Bezug auf die Dynamik klar gegliedert. Das wird sehr schön ersichtlich anhand des Lautstärkediagramms des ersten Formteils (Exposition) der Sinfonie Es-Dur KV 132 von W. A. Mozart:

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W. A. Mozart, Sinfonie Es-Dur KV 132, 1, Satz Allegro (Exposition)
Amsterdam Baroque Orchestra, Ton Koopman, Quelle: Youtube

Unter den einzelnen Abschnitten sind die bekannten Fachbegriffe der Formenlehre wiedergegeben. Selbstverständlich gibt es manchmal in lauten Passagen auch leise Einschübe (z.B. in Schlussgruppen), wie auch in leisen Passagen einzelne Fortestellen (wie es z.B. im Hauptsatz des Diagramms zu sehen ist). Ebenso ist es möglich, eine Sinfonie im Forte zu beginnen: Hauptsatz und Überleitung sind dann meist durch eine deutliche Zäsur oder Kadenz voneinander getrennt. Doch trotz dieser Unterschiede bietet der abgebildete dynamische Verlauf eine gute Orientierungsmöglichkeit für die Arrangierarbeit, denn in Sinfonien zur Zeit Mozarts war ein Forte immer gleichbedeutend mit »volle Besetzung« (tutti), während ein Piano in der Regel nur für wenige Instrumente, z.B. nur für Streicher komponiert wurde. Solistische Bläserfarben hingegen waren für den Seitensatzbereich charakteristisch.

Die Sonate von Hermann Friedrich Raupach beginnt im Tonfall einer festlichen französischen Ouvertüre (Abb. oben T. 1-6), erkennbar an den Auftakten und charakteristischen Punktierungen. Der Hauptsatz ist von der Überleitung durch eine deutliche Zäsur getrennt (T. 6). Der Einschnitt (T. 18) und der Wechsel ins hohe Register (T. 18-19) signalisieren den Beginn des Seitensatzes, und mit den Veränderungen im Satzbild bzw. der Sequenz in T. 23 könnte der Beginn der Schlussgruppe angesetzt werden (besonders wichtige Ereignisse in der Schlussgruppe sind die großen Kadenzen in T. 30/31 sowie 36/37). Höre dir den Notentext oben noch einmal an und achte auf die genannten Formfunktionen bzw. Formabschnitte.

Überleitung

Aufgabe 1: Der Vordergrund der Überleitung – Die Streicher

Mit den folgenden Aufgaben kannst du die Überleitung und den Seitensatz (T. 7-22) der Raupach-Sonate für die typische Besetzung eines klassischen Orchesters arrangieren.

Beginne mit der Arbeit in den Takten 7-10. Harmonisch liegt dieser Passage – wie dem Beginn des Menuetts – eine I-II-V-I-Kadenz zugrunde.

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Hermann Friedrich Raupach, Sonate für Cembalo und Violine B-Dur Op. 1, Nr. 1 (Exposition), Hammerflügel: Veronika Brass

Erstelle eine Partitur für eine klassische Orchesterbesetzung nach dem folgenden Muster:

  • 2 Flöten
  • 2 Oboen
  • 2 Klarinetten
  • 2 Fagotte
  • 2 Hörner
  • 2 Trompeten
  • 2 Pauken
  • Violinen I
  • Violinen II
  • Viola
  • Violoncello & Kontrabass

Die Arbeit kannst du genauso wie bei der Instrumentation eines Menuetts beginnen, indem du in einem ersten Schritt den ganzen Notentext in die Streicher setzt. Denke jedoch daran, dass die Fagotte in der Zeit Haydns und Mozarts in der Regel den Bass des Streichersatzes doppeln, zum Beispiel:

Notationsdatei zur Aufgabe (MuseScore)

Vergleichen deine Arbeit anschließend mit der Musterlösung zur Aufgabe.

Anmerkung

Anmerkung: Die Viola (Bratsche) wird im Altschlüssel (Bratschenschlüssel) notiert. Wenn dir das Notenlesen und -schreiben dieser Schlüsselung noch Mühe bereitet, kannst du die Stimme auch zuerst im oktavierten Violinschlüssel notieren und später in den Bratschenschlüssel übertragen (das geht in einem Notationsprogramm ganz einfach durch auswechseln des Schlüssels). Du kannst dir merken: Auf der mittleren Linie eines mit Bratschenschlüssel gekennzeichneten Systems liegt das eingestrichene c.

Aufgabe 2: Der Hintergrund der Überleitung – Die Holzbläser

Flöten, Oboen und Klarinetten sollen in diesem Abschnitt den Hintergrund bilden bzw. die Harmoniemusik spielen. Hierfür reicht es. wenn die Bläser jeweils nur eine Note pro Takt spielen. Mozart verwendet die oberen Holzbläser im ersten Satz seiner Sinfonie KV 385 z.B. in den folgenden Klanglagen (real klingend notiert, in Klammern findest du die für das jeweilige Instrument sehr tiefen und selten geforderten Noten):

Dabei werden die Flöten über den Oboen (gerne die 1. Oboe mit der 2. Flöte) und die Klarinetten unter den Oboen (gerne die Oboen oktavierend) geführt. Die Noten für den ersten Akkord der Holzbläser in T. 7 könnten demnach wie folgt verteilt werden:

Wenn du ein wenig Vorkenntnisse im Generalbassspielen oder -aussetzen hast, kannst du dich zum Ausarbeiten der Stimmführung der Holzbläser an einem schlichten Generalbasssatz orientieren:

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Andernfalls lässt sich die Stimmführung auch wieder über eine erweiterte Takt-/Harmonietabelle ermitteln.

Vorerst hilft es wahrscheinlich, wenn du in deinen Partituren alle Instrumente klingend notierst. Das Übertragen der entsprechenden Stimmen in die transponierte Notation ist auch später beim Erstellen der Stimmen noch möglich (in einem Notationsprogramm wie MuseScore kannst du dazu einfach die Ansicht wechseln, den Rest erledigt das Porgramm).

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Notationsdatei zur Aufgabe (MuseScore)

Vergleichen deine Arbeit anschließend mit der Musterlösung zur Aufgabe.

Aufgabe 3: Rhythmus – Mit Pauken und Trompeten

Auf Hörner sowie Trompeten und Pauken wurde in den Takten 7-10 aus dramaturgischen Gründen verzichtet: zum einen, um noch eine dynamische Steigerungsmöglichkeit bis zu T. 18 zu haben, und zum anderen, um diese Klangfarbe für den bedeutsamen Wechsel zur Dominante in der Exposition aufzusparen (T. 14/15). Das folgende Notenbeispiel zeigt die nächsten zu arrangierenden Takte 11–14 der Raupach-Sonate:

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Hermann Friedrich Raupach, Sonate für Cembalo und Violine B-Dur Op. 1, Nr. 1 (Exposition), Hammerflügel: Veronika Brass

Lässt man den Auftakt weg, erklingt hier harmonisch gesehen ein Subdominant-Tonika-Pendel, das als Generalbasssatz wie folgt notiert werden könnte:

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Die nachstehenden Vorschläge könnten es dir erleichtern, den Klavierpart für Streicher zu arrangieren:

  1. Verteile die Noten für die rechte Hand auf die 1. und 2. Violinen. In diesem Abschnitt sollen die 1. und 2. Violinen die Melodie nicht mehr wie in den vorangegangenen Takten gedoppelt, sondern nacheinander und abwechselnd spielen (vgl. die Frage-Antwort-Technik im Klassenarrangement). Vergiss bei der Bassgestaltung nicht, die Fagotte zu notieren.
  2. Modifiziere für den Bass und die Bratschen die Klavier-Bassfigur, so dass ein durchgehender Achtelpuls die stockende Bewegung auf dem jeweils 3. und 4. Viertel des Originals ausgleicht.
  3. Neben den Holzblasinstrumenten (Flöten, Oboen, Klarinetten) sollen in diesem wichtigen Forte-Abschnitt auch die Hörner an der Harmoniemusik beteiligen und nur mit einem Ton pro Takt auskommen.
  4. In den Takten 11-14 sollen auch die Trompeten und Pauken eingesetzt werden. Die haben in klassischer Sinfonik eine überwiegend rhythmische Funktion. Verwenden Sie deshalb die Trompeten und Pauken nur dazu, mit wenigen Tönen die Takteinsen zu akzentuieren, wobei sich das Gewicht der Takteinsen durch Auftakte differenzieren lässt.
Anmerkung Hörner

Die Hornstimmungen in B und C gibt es in tiefer und hoher Lage (»b altus« oder »b bassus« bzw. »hoch B« oder »tief B«). Ein B-Horn kann also nur einen Ton oder aber eine None tiefer klingen als notiert (ein Horn in hoch C klingt wie notiert oder eine Oktave tiefer). Für Hörner in hoher Stimmung sollten nicht alle Töne dieses Diagramms verwendet werden, da die klingenden Töne es" und f" auf einem Horn extrem hoch und schwer zu spielen sind. Sei hornistenfreundlich und fordere in deinen Arrangements keine Töne über dem klingenden d".

Notationsdatei zur Aufgabe (MuseScore)

Vergleichen anschließend deine Arbeit mit der Musterlösung bzw. dem verborgenen Notentext zur Aufgabe. Nutze den Mehrspurplayer, um das Zusammenspiel der Instrumentengruppen durchhören zu lernen. Schalte dabei auch immer wieder das Klavier stumm, um das Verhältnis zwischen Original und Orchesterarrangement besser nachvollziehen zu können.

Orchester der Lehramtsstudierenden der Hochschule für Musik und Theater München, Ltg.: Christoph Adt, Arrangement: U. Kaiser

Die nächsten vier Takte (15–18) der Raupach-Vorlage zeigen das Ende der Überleitung und die charakteristische Zäsur vor dem Seitensatz:

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Hermann Friedrich Raupach, Sonate für Cembalo und Violine B-Dur Op. 1, Nr. 1 (Exposition), Hammerflügel: Veronika Brass

Harmonisch wechseln hier über einem Orgelpunkt F im Bass die Harmonien F7 und B im halbtaktigen Rhythmus. Die Zäsur in T. 18 vor dem Seitensatz wird mit einer charakteristischen Halbschlussformulierung angekündigt: durch die Harmoniefolge Doppeldominante-Dominante (C-Dur/F-Dur) und den typischen Halbtonschritt im Bass (e-f). Das folgende Notenbeispiel zeigt auch diese Stelle in der Vereinfachung eines Generalbasssatzes:

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Arbeite auch für diesen Abschnitt eine Instrumentation aus:

  1. Beginne für die Takte 15-17 mit einer Bassstimme mit durchgehendem Achtelpuls. Solche Bassstimmen (Trommelbass) sind sehr typisch für die Sinfonik der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
  2. Verteile die Dreiklangsfiguren der linken und rechten Hand der Takte 15 und 16auf die I. und II. Violine (alternierende Spielweise bzw. Frage-Antwort-Technik).
  3. Lasse das Arpeggio in den Takten 17/18 nur von den 1. Violinen spielen. Achte jedoch darauf, dass dabei der Stimmumfang der Violine nicht überschritten wird.
  4. Beachte die Funktionen für Trompeten und Hörner und schreibe die Harmoniemusik bzw. Bläserstimmen für die Takte 15-18. Aus dramaturgischen Gründen sollte die ganze Passage rhythmisch belebt klingen, der T. 17 könnte z.B. durch eine hohe rhythmische Dichte bzw. verschiedene rhythmische Schichten die Zäsur in T. 18 auf eine charakteristische Art ankündigen:
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Notationsdatei zur Aufgabe (MuseScore)

Vergleichen deine Arbeit anschließend mit der Musterlösung zur Aufgabe.

Den letzten hier zu besprechenden Abschnitt der Raupach-Sonate bilden der Seitensatz bzw. die Takte 19-22 der Klavierpartitur:

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Hermann Friedrich Raupach, Sonate für Cembalo und Violine B-Dur Op. 1, Nr. 1 (Exposition), Hammerflügel: Veronika Brass

Es wurde bereits erwähnt, dass der Seitensatz oftmals klanglich auffällig ist, z.B. aufgrund eines basslosen Registers bzw. solistischer Bläserfarben. Gehe beim Instrumentieren folgendermaßen vor:

  1. Schreibe eine einfache Streicherbegleitung für die 2. Violine und die Bratschen als Begleitung für die Melodie.
  2. Verteile die Melodie der rechten Hand auf die 1. Violinen und einzelne Holzblasinstrumente (Flöte, Oboe, Klarinette oder Fagott) im Sinne der Frage-Antwort- Technik bzw. lasse einzelne Motive von verschiedenen Instrumenten spielen. Diese Technik wird auch als *durchbrochene Arbeit bezeichnet.
  3. Selbstverständlich schweigen an dieser formalen Position die Forte-Instrumente Trompeten und Pauke sowie der Bass.
  4. Sehr charakteristisch für den Seitensatzbereich sind dagegen Liegetöne (z.B. im Horn oder einer Oboe). Eine Pendelharmonik (C7-F) im Seitensatzbereich erlaubt satztechnisch einen solchen Liegeton.
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Notationsdatei zur Aufgabe (MuseScore)

Vergleichen deine Arbeit anschließend mit der Musterlösung zur Aufgabe.

Transponierende Instrumente

Die Klarinetten zählen wie die Hörner und Trompeten zu den transponierenden Instrumenten. Damit du auch ohne Hilfe des PCs transponieren kannst, solltest du die Stimmen der Klarinetten, Hörner und Trompeten der arrangierten Abschnitte für Instrumente in B-Stimmung notieren ( d. h., einen Ton höher als diese letztendlich erklingen sollen). Für die Klarinetten zeichne dabei die Vorzeichen der Tonart vor, die einen Ganzton über dem realen Klang liegt (im Falle unserer Raupach-Sinfonie in B-Dur also die Vorzeichnung von C-Dur, d.h. keine Vorzeichen). Hörner, Trompeten und Pauken wurden hingegen im 18. Jahrhundert immer ohne Vorzeichen notiert (also werden auch die Pauken mit den Tönen C/G notiert und im Falle des Raupach-Arrangements in B/F eingestimmt).

Das Ergebnis: Eine Raupach-Sinfonie!

Hast du Lust, deine Arbeit an der Exposition der Raupach-Sonate ohne weitere Anleitung zu vervollständigen? Vervollständige in diesem Fall deine Orchesterpartitur der gesamten Exposition und studieren anschließend und unter mehrmaligem Hören die folgende Musterpartitur. Die transponierenden Instrumente findest du in den Abbildungen zur Erleichterung klingend notiert, im Notationsprogramm kannst du einstellen (in MuseScore unten rechts), dass dir die Partitur mit transponierenden Instrumenten angezeigt wird.

Notationsdatei zur Aufgabe (MuseScore)

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Hermann Friedrich Raupach, Sonate für Cembalo und Violine B-Dur Op. 1, Nr. 1 (Exposition), Hammerflügel: Veronika Brass, Orchester der Lehramtsstudierenden der Hochschule für Musik und Theater München, Ltg.: Christoph Adt, Arrangement: U. Kaiser

Für die harmonisch höchst bedeutsamen Takte 14/15, in denen der Umschlag in die Dominantharmonie vollzogen wird, wurde für die Musterlösung in den Trompeten ein kleines »Signal« komponiert. Achten Sie beim Anhören der Aufnahme auf diese Stelle.