Inhalt
Als Sekundärliteratur werden wissenschaftliche Texte bezeichnet, die Aufschluss über einen Untersuchungsgegenstand geben. Sie enthalten über reine Sachinformationen hinaus auch Erkenntnisse, Thesen und Gedanken der Autor_innen. Außerdem dienen sie der Überprüfung von Informationen in Primärquellen.
Auch wenn Sekundärliteratur den Kriterien von Wissenschaftlichkeit genügen muss, kommt es häufig zu abweichenden Forschungsansichten und Untersuchungsergebnissen. Und natürlich kann Sekundärliteratur auch Fehler enthalten. Deshalb sind die enthaltenen Informationen stets kritisch zu hinterfragen und mit anderen Quellen (Primärquellen, anderer Sekundärliteratur) abzugleichen. Ob eine Quelle eine Primär- oder Sekundärquelle ist, hängt vom jeweiligen Untersuchungsgegenstand ab.
Es gibt verschiedene Arten von Sekundärliteratur, die sich teils erheblich voneinander im Umfang, Aufbau und Inhalt unterscheiden. Grundsätzlich wird zwischen selbstständiger und unselbstständiger Literatur differenziert. Selbstständige Literatur bezeichnet alle Texte, die von einer Person oder mehreren verantwortlichen Autor_innen geschrieben und herausgegeben wurden. Unter unselbstständiger Literatur versteht man alle Texte, bei denen zusätzlich auch Herausgeber_innen für Inhalt und wissenschaftliche Qualität verantwortlich sind, etwa durch Vorgaben zur Themenwahl, Textgestaltung oder inhaltlichen Ausrichtung. Die Unterscheidung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Literatur hat neben der Verantwortlichkeit für den Inhalt noch weitere wichtige Auswirkungen: nämlich auf die Auffindbarkeit eines Textes bei der Recherche und auf die Nachweisform in Fußnoten und der Bibliografie.
Diese Textarten eignen sich für einen schnellen ersten Überblick über ein Forschungsthema und enthalten in der Regel wesentliche Basisinformationen.
a) Lexika, Enzyklopädien
- sollen das gesamte, als gesichert geltende Wissen ("Lexikonwissen") wiedergeben
- Universallexika (z.B. Die Musik in Geschichte und Gegenwart bzw. MGG Online; New Grove Dictionary of Music and Musicians bzw. Oxford Music Online)
- Speziallexika (z.B. zu Personengruppen, Komponist_innen, Gattungen, Musikrichtungen, Epochen, Musikinstrumenten)
- Wörterbücher (musikspezifisch und allgemein)
- Fachfremde Lexika
b) Handbücher
- in der Regel nach Sachthemen geordnet: z.B. Musiker_innen, Gattungen, Epochen, Fachgeschichte, Forschungsmethoden, etc.
- nicht immer auf Vollständigkeit ausgelegt, sondern vertiefter Überblick über Thema
- können mitunter eine bestimmte Sichtweise der Verfasser_innen transportieren
- enthalten meist Übersicht über aktuelle Forschungsdebatten und weiterführende Fragestellungen
Wissenschaftliche Spezialliteratur beschäftigt sich vertieft mit bestimmten Fragestellungen und Forschungsthemen. Außerdem enthält sie im Unterschied zur Überblicksliteratur in der Regel Analysen oder Interpretationen von Primärquellen.
a) selbstständig
- Monografien (Bücher von einem/einer oder mehreren Autor_innen zu einem bestimmten Thema)
- Sonderform: Qualifikationsschriften (Bachelor-/Master-/Diplomarbeiten, Dissertationen, Habilitationen); WICHTIG: Qualität beachten!
- Sammelbände (gesammelte Beiträge/Aufsätze mehrerer Autor_innen, z.B. Tagungsbände, Festschriften, Jahrbücher)
- Schriftenreihen (institutioneller oder thematischer Schwerpunkt)
- Fachzeitschriften (regelmäßig erscheinend)
b) unselbstständig
- Zeitschriftenaufsätze (mit und ohne Peer Review-Verfahren)
- Beiträge in Sammelbänden (auch Lexikon- und Handbuchartikel)
Neben Überblicks- und Spezialliteratur gibt es noch weitere Textarten, die Informationen zu Forschungsgegenständen enthalten können. Zwar sind diese oft von Expert_innen verfasst. Dennoch erfüllen sie oft nicht die Kriterien für Wissenschaftlichkeit.
- Essays (subjektiv, meinungsbildend, oft literarischer Anspruch, selten mit Quellennachweisen)
- Rezensionen (enthalten kritische Stellungnahmen und persönliche Urteile zu wissenschaftlicher Literatur)
- CD-Booklets, Programmhefttexte (sog. „Graue Literatur“ = nicht von Verlag publiziert, ohne wissenschaftliche Qualitätssicherung)
Das Internet bietet eine Vielzahl an Informationsmöglichkeiten:
- viele wissenschaftliche Publikationen und Datenbanken inzwischen online verfügbar (Scans, E-Books, E-Journals, Online-Lexika)
- zahlreiche Primärquellen online zugänglich (YouTube, Spotify, Digitalisate von Handschriften, gedruckten Noten und Bildern, etc.)
- Vielzahl neuer Recherchemöglichkeiten (digitale Bibliothekskataloge, Volltextsuche)
Es birgt aber auch eine ganze Reihe an Problemen, was die Einhaltung der Kriterien der Wissenschaftlichkeit anbelangt:
- Wiederauffindbarkeit, Kontinuität und Langzeitverfügbarkeit von Informationen
- wissenschaftliche Qualitätssicherung oft nicht gewährleistet
- Textgenerierung durch Künstliche Intelligenz als Fehler- und Betrugsquelle
Spezielle Probleme bei Wikipedia:
Alle Informationen aus dem Internet, die über eine vage Verortung des Themas hinausgehen und wissenschaftlich weiterverwertet werden sollen, müssen anhand von wissenschaftlicher Sekundärliteratur überprüft werden! Das Internet darf immer Ausgangspunkt, nie Endpunkt der Recherche sein!
Einen umfassenden Überblick über verschiedene Arten von Sekundärliteratur, wichtige musikwissenschaftliche Lexika, Handbuchreihen usw. bietet
- Matthew Gardner, Sara Springfeld, Musikwissenschaftliches Arbeiten. Eine Einführung, 2. Auflage, Kassel u.a. 2018, S. 30-61.