Formenlehre: Einheit 9 – Wiener Klassik: Formen von Sätzen der Instrumentalmusik
Thema und Variationen, Rondoform, Adagio-Form; interpunktisches Formmodell – PDF
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Thema und Variationen
Gesamter Satz, gegliedert in ein in sich abgeschlossenes Thema (A) und eine Folge von dessen Varianten: A' – A'' – A''' etc.
Variationen erscheinen als Einzelwerk oder als Teil eines Sonatenzyklus (meist als langsamer Mittelsatz, ggf. auch erster Satz oder Finalsatz)
Thema: meist als zwei- oder dreiteilige Liedform gestaltet, basierend auf periodischen und satzartigen Gestalten bzw. deren Kombinationen
Häufige Quellen für Variationsthemen: Volkslieder, bekannte Melodien anderer Komponist*innen, eigene Themen
- Hörbeispiel – Wolfgang Amadeus Mozart: Zwölf Variationen für Klavier über das Lied Ah, vous dirai-je, Maman C-Dur KV 265 (1778)
- Hörbeispiel – Wolfgang Amadeus Mozart: Klaviersonate A-Dur KV 331 (1784), I. Satz: Tema con variazioni
- Hörbeispiel – Sophie Westenholz: Thema und Variationen A-Dur op. 2 (1806)
Variative Prinzipien | Merkmale |
---|---|
(a) Figuralvariation | nur die musikalische Oberfläche wird verändert, Varianten und Ornamentierungen treten hinzu; |
(b) Charaktervariation | größere Eingriffe ins Thema: Änderung von Taktart, Dynamik, Tempo, Harmonik, Tongeschlecht etc. |
(c) cantus-firmus-Variation | kontrapunktische Techniken und Imitationsstrukturen auf Grundlage des Themas |
- Joseph Haydn
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Rondoform
Entwicklung aus der Ritornellform bzw. aus dem barocken Rondeau (Rundtanz, häufiger Suitensatz bei französischen Komponist*innen)
– Barocke Ritornellform: Thema (Ritornell) meist als Fortspinnungstypus, erscheint auch in anderen Tonarten; Episoden in ähnlichem Gestus
– Klassische Rondoform: Thema (Refrain) meist periodenförmig, fast immer in der Grundtonart; Couplets kontrastieren zum Thema
›Gerundetheit‹ des musikalischen Zeitverlaufs: stetige Wiederkehr des Themas, leichte Abwandlung der Reprisen möglich
Reihungsform: Wechsel zwischen Refrains (A-Teile) und Couplets (B, C, D); ggf. verknüpft durch modulierende Überleitungen
Typischerweise als heiterer Schlusssatz in Sonatenwerken (Solowerke und Kammermusik) und Solokonzerten, kaum einmal in Symphonien
- Hörbeispiel – Joseph Haydn: Klaviersonate C-Dur Hob. XVI:48 (1789), II. Satz: Rondo. Presto
- Hörbeispiel – Johann Nepomuk Hummel: Rondo für Klavier Es-Dur op. 11 (1804)
Typen der Rondoform | Formteile | Merkmale |
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(a) Kettenrondo | A – B – A – C – [ A – D – ] A | alle Couplets sind verschieden; fünfteilige oder siebenteilige Form |
(b) Bogenrondo | A – B – A – C – A – B – A | symmetrische Anlage: Couplet B kehrt wieder; Couplet C: stärkerer Kontrast zu A |
(c) Sonatenrondo | A – B – A – C – A – B' – A | tonale Einrichtung von Couplet B': Anpassung an die Grundtonart; |
Idealtypischer Bauplan eines Sonatenrondos (bei Hepokoski und Darcy: Type 4 Sonata) | ||||||
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A – Refrain | B – Couplet 1 | A – Refrain | C – Couplet 2 | A – Refrain | B' – Couplet 1 | A – Refrain, evtl. Coda |
I / i | V / III | I / i | vi / VI oder iv | I / i | I / i oder I | I / i |
Formvariante | Merkmale |
---|---|
Zweiteilige Adagioform | auch: Kavatinenform, entspricht einer Sonatensatzform ohne Durchführung; nach Hepokoski / Darcy: Type 1 Sonata |
A (Hauptsatz) – modulierende Überleitung – B (Seitensatz in einer benachbarten Tonart) – | |
Dreiteilige Adagioform | erweiterte dreiteilige Liedform mit verselbständigtem Mittelteil, in Nachfolge der Da-capo-Arie |
A (Hauptsatz) – B (Seitensatz bzw. Mittelteil) – Reprise von A (weitgehend unverändert) |
- Ludwig van Beethoven
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Interpunktisches Formmodell
nach Heinrich Christoph Koch: Gliederung eines größeren, in sich geschlossenen Formteils (Hauptperiode) analog zur sprachlichen Interpunktion
Musikalische Sinneinheiten sind durch öffnende oder schließende Kadenzen (Endigungsformeln) voneinander getrennt
- Hörbeispiel – Joseph Haydn: Klaviersonate C-Dur Hob. XVI:50 (1791), I. Satz: Allegro, Exposition
Kadenztypologie nach Koch (Ruhepuncte des Geistes)
Quintabsatz = Kadenz zur Dominante, etwa tenorisierender Halbschluss [Komma] oder plagaler Halbschluss [Semikolon]
Grundabsatz = Kadenz zur Tonika, etwa imperfekter bzw. plagaler Ganzschluss [Kolon] oder authentischer Ganzschluss [Punkt]
Schlußsatz = Endkadenz eines Formteils oder Satzes als förmliche Cadenz
Typische Dramaturgie eines ersten Formteils | [ : ] | [ ; ] oder [ , ] | [ ; ] oder [ , ] | [ . ] |
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mit Modulation zur Oberquint- oder Paralleltonart | Grundabsatz (I / i) | Quintabsatz (I / i) | Quintabsatz (V / III) | Schlußsatz (V / III) |
- Machen Sie sich mit den Merkmalen der Variationenform und Rondoform (auch in Abgrenzung zur barocken Ritornellform) vertraut.
Hören Sie die Musikbeispiele. - Untersuchen Sie den II. Satz aus dem Streichquartett C-Dur Hob. III:77 von Joseph Haydn und bestimmen Sie die variativen Prinzipien.
- Untersuchen Sie den III. Satz aus der Klaviersonate B-Dur KV 281 von Wolfgang Amadeus Mozart und erstellen Sie ein Formdiagramm.
- Untersuchen Sie den II. Satz aus der Klaviersonate c-Moll op. 10 Nr. 1 von Ludwig van Beethoven als Adagio-Form.