Fuge III – Zwischenspiele und formale Gestaltung einer Fuge

Inhalt

Voraussetzung für dieses Tutorial ist das Verständnis für die Beantwortung von Fugenthemen sowie den Aufbau einer Fugenexposition im mehrfachen Kontrapunkt der Oktave. Wenn Sie diese Voraussetzungen erfüllen, können Sie in diesem Tutorial lernen, wie sie mithilfe von Satzmodellen Zwischenspiele planen und ausarbeiten können. Um diesen Schritt zu veranschaulichen und um in Bezug auf Satzmodelle möglichst wenig voraussetzen zu müssen, werden in diesem Tutorial lediglich zwei Satzmodelle verwendet: die Quintfallsequenz (Die Quintfallsequenzen in der Zweistimmigkeit und Die Quintfallsequenz mit Synkopenkette) und das Oberquint-Modulationsmodell (Die Oberquintmodulation).

Vorüberlegungen zum Formverlauf

Wir beginnen mit der dreistimmigen Fugenexposition in F-Dur, die Sie sich im zweiten Tutorial dieser Reihe erarbeiten konnten (die einzelnen Arbeitsschritte können Sie hier noch einmal nachlesen).

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Die Grundtonart ist F-Dur, die Fugenexposition endet mit einem F-Dur Sextakkord. Schaut man sich die Tonartenverläufe einiger Fugen von J. S. Bach an, fallen Gemeinsamkeiten auf, die sich abstrahieren und als Standard formulieren lassen. Der Tonartenverlauf der Fuge in F-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier Bd. 1 BWV 856/2 beispielsweise ist sehr charakteristisch:

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Johann Sebastian Bach, Das Cembalowerk 3. Folge, Das Wohltemperierte Clavier erster und zweiter Teil, Helmut Walcha, Ammer-Cembalo, EMI Electrola C147-291302/34, Public Domain (P)1961, Quelle: cc0.oer-musik.de

In einem ersten Abschnitt ist die Fuge durch die Grundtonart (= Dux-Einsätze) und die Tonart der Oberquinte (= Comes-Einsätze) geprägt. Eine Modulation führt anschließend in die Tonart der vi. Stufe (Paralleltonart), die nach einer Engführung des Themas (in der Dux-Gestalt) durch eine Kadenz gefestigt wird (T. 45/46). Dieser Kadenz schließt sich eine weitere Engführung der Themeneinsätze in g-Moll bzw. der ii. Stufe an (Subdominantparalleltonart). Auch diesen Abschnitt beschließt eine Kadenz. Eine Quintfallsequenz führt anschießend in die Subdominante B-Dur, von wo aus über das Oberquint-Modulationsmodell die Ausgangstonart F-Dur wieder erreicht wird.

Dieser Formverlauf lässt sich wie folgt skizzieren und als Richtlinie für eine Stilübung verwenden:

Die Aufgabenstellung lautet, dass jede Stufe des Verlaufs (V, vi, ii) durch mindestens einen Themeneinsatz kenntlich gemacht werden soll, d.h. jede der Stufen des Formplans wird als eigenständige Durchführung ausgearbeitet. Die Pfeile, welche in der Abbildung oben die Stufen verbinden, symbolisieren die Zwischenspiele, in denen in dieser Fuge − wie oben bereits erwähnt − lediglich die Quintfallsequenz und das Oberquint-Modulationsmodell verwenden werden sollen, um die unterschiedlichen Tonartenbereiche zu verbinden. Damit es nicht Eintönig wird, lässt sich die Quintfallsequenz jedoch in verschiedenen Gestalten verwenden. Der grundstelligen Quintfallsequenz entsprechen die Basstöne den Grundtönen der Akkorde (Basston f = F-Dur, Basston b = B-Dur, Basston e = e-vermindert usw.). Für den ersten Schritt ist es ausreichend, wenn Sie die Basstöne einer Quintfallsequenz benennen können und dazu in der Oberstimme Terzen (= imperfekte Konsonanzen) wählen. Ein solcher imperfizierter Außenstimmensatz ist für den Klang von Musik im 18. Jahrhundert sehr charakteristisch.

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In einer klanglichen Variante der grundstelligen Quintfallsequenz erklingt eine 7-6-Synkopenkette (in der folgenden Abbildung ist die in den Oberstimmen zu sehen), während eine dritte Stimme (Terz-Sekund-Schaukel) die Klangfolge der Quintfallsequenz erzeugt, wobei immer ein grundstelliger Akkord mit einer Umkehrung wechselt. (Wenn Sie diese Form der Quintfallsequenz nicht kennen, können Sie hier dazu mehr erfahren):

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In einer klanglichen Variante der grundstelligen Quintfallsequenz erklingt eine 7-6-Synkopenkette (in der folgenden Abbildung ist die in den Oberstimmen zu sehen), während eine dritte Stimme (Terz-Sekund-Schaukel) die Klangfolge der Quintfallsequenz erzeugt, wobei immer ein grundstelliger Akkord mit einer Umkehrung wechselt. (Wenn Sie diese Form der Quintfallsequenz nicht kennen, können Sie hier dazu mehr erfahren):

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Und zum Bestätigen von Tonarten wird natürlich noch die Satztechnik der Finalkadenz benötigt:

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Die Ausarbeitung der Zwischenspiele

Das folgende Beispiel zeigt das Ende der Exposition, einen möglichen Gerüstsatz für die Quintfallsequenz (die ja aufgrund des Themenendes mit einem Sextakkord beginnen muss) sowie für das Oberquintmodulationsmodell. Nachdem über diesen Weg die Tonart der Oberquinte erreicht worden ist, sehen Sie eine Durchführung in dieser Tonart (die Themen erklingen hier wie am Ende der Exposition: Thema im Bass, erster Kontrapunkt im Sopran und zweiter Kontrapunkt in der Mittelstimme). Arbeiten Sie eine eigene Diminution des Gerüstsatzes aus. (Eine Musterlösung können Sie studieren, wenn Sie die entsprechende Sounddatei abspielen und dazu die einzelnen Zeilen des Notenbeispiels berühren).

(Die Spuren sind nicht synchronisiert, bitte deshalb immer eine Spur stummschalten.)

Das zweite Zwischenspiel soll nach dem Formplan oben von der Tonart der Oberquinte in die Paralleltonart führen. Aus Gründen der Abwechslung wählen wir dieses Mal eine Quintfallsequenz mit einer 7-6-Synkope in den Oberstimmen. Nach dem Erreichen der Paralleltonart soll diese durch eine Kadenz gefestigt werden, bevor die Durchführung in dieser Tonart beginnt. Der Gerüstsatz dieses Zwischenspiels könnte wie folgt aussehen:

(Die Spuren sind nicht synchronisiert, bitte deshalb immer eine Spur stummschalten.)

Die Durchführung in der Paralleltonart

Die 3. Durchführung in der wichtigen Paralleltonart soll etwas weiträumiger gestaltet werden als die 2. Durchführung in der Oberquinttonart, da diese Tonstufe ja bereits in der Exposition angeklungen ist (Comes). Die folgende Ausarbeitung zeigt drei Einsätze in der Paralleltonart bzw. vi. Stufe (Dux = Sopran, Comes = Bass und Dux = Alt, die Dux-Form wird beim Berühren der jeweiligen Notenzeile grün, die Comes-Gestalt rot markiert):

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Ein weiterer Aspekt lässt sich anhand der oben abgebildeten Durchführung in der vi. Stufe bzw. Paralleltonart veranschaulichen: Durch das wechselweise Aussetzen der Bass- und Oberstimme wird die Klangraumgestaltung (hoch/tief) mit in die Formkonzeption einbezogen. Denn die Zweistimmigkeit am Anfang dieser Durchführung bewirkt eine kurzzeitige Entspannung, wobei ihre hohe Lage für den folgenden Basseinsatz Raum gibt. Das folgende tiefe Stimmpaar wirkt im Anschluss daran kontrastierend, aber noch nicht spannungssteigernd. Die Steigerung der Spannung ist dem Ende der Durchführung vorbehalten, in dem das Thema wieder im dreistimmigen Satz erklingt. (Die Rückführung vom Comes in a-Moll zum Dux-Einsatz in d-Moll lässt sich mithilfe eines Unterquintmodulationsmodells verstehen, worüber Sie hier mehr erfahren können.)

Motivische Bezüge

Das nächste Zwischenspiel innerhalb des Formplans hat die Funktion, von der vi. Stufe (Tonikaparallele) in die ii.Stufe (Subdominantparallele) zu führen. Im Folgenden verwenden wir hierfür den folgenden Gerüstsatz:

(Die Spuren sind nicht synchronisiert, bitte deshalb immer eine Spur stummschalten.)

Der oben vorgeschlagene Gerüstsatz ist dabei eine Variante des Gerüstsatzes der Quintfallsequenz, die bereits für das erste Zwischenspiel (nach der Exposition) ausgearbeitet worden ist. Wenn Sie sich den Gerüstsatz dieser Quintfallsequenz noch einmal vergegenwärtigen, können Sie durch einen Vergleich erkennen, dass die Terz-Sekund-Schaukel des Soprans sich nun variiert im Bass findet (der Terzsprung abwärts ist aus klanglichen Gründen zu einem Sextsprung aufwärts umgewandelt worden). Die Strukturtöne des Basses hingegen finden sich im Sopran (Septimsprung abwärts mit sich anschließender Sexte aufwärts). Ab dem Fundament wurde zudem der harmonische Rhythmus beschleunigt sowie der Gerüstsatz im Klangraum nach oben geführt, sodass die anschließende Finalkadenz beruhigend und abschließend wirkt. Eine solche Einrichtung des Gerüstsatzes erlaubt es nun, die motivische Gestaltung aus dem ersten Zwischenspiel (mit vertauschten Stimmen und transponiert) wiederholt zu verwenden, wobei auch die Figuration der Finalkadenz beibehalten und lediglich transponiert werden kann. Ein solches Verfahren der Wiederverwendung ist dabei nicht nur ökonomisch, sondern auch am Vorgehen J. S. Bachs orientiert, denn durch die motivischen Bezüge wird die Form anders wahrgenommen: Aus einer Fuge als Reihungsform, in der Durchführungen und Zwischenspiele einfach gereiht werden, kann eine symmetrische Form bzw. Gleichgewichtsform erwachsen, weil sich aufgrund der motivischen Entsprechungen ein Symmetriegefühl einstellen kann (z.B. A-B-A-C-A-B'-A, wobei A Durchführungen und B sowie C Zwischenspiele bezeichnen). Das lässt sich sehr gut anhand der bekannten Fuge in c-Moll aus dem Wohltemperierten Klavier (Bd. 1) studieren.

Die Rückführung

Nachdem auch die Subdominantparallele durch einen Themeneinsatz bekräftigt worden ist (Thema = Bass, Kontrapunkt 1 = Sopran und Kontrapunkt 2 = Alt), hat die letzte Quintfallsequenz die Funktion, die ii. Stufe (Subdominantparallele) und die IV. Stufe (Subdominante) der Grundtonart F-Dur zu verbinden (über die Harmonien g-c-F-B). Denn von der Subdominante aus lässt sich besonders schlüssig über das Oberquint-Modulationsmodell die Ausgangstonart wieder herbeiführen (genau wie im Vorbild der F-Dur-Fuge BWV 856/2 von J. S. Bach, T. 56−61). Den vorläufigen Abschluss der Fuge, dem im nächsten Tutorial zum Thema eine gesonderte Anleitung zur Schlussgestaltung folgt, bildet eine Durchführung in der Ausgangstonart F-Dur (Thema = Alt, Kontrapunkt 1 = Sopran und Kontrapunkt 2 = Bass):

(Die Spuren sind nicht synchronisiert, bitte deshalb immer eine Spur stummschalten.)

Abschließend können Sie sich den Gerüstsatz der Zwischenspiele sowie die Musterlösungen der ganzen Fuge noch einmal ansehen (und anhören).

(Die Spuren sind nicht synchronisiert, bitte deshalb immer eine Spur stummschalten.)