Satzmodelle (Einführung und Überblick)

Ein Arbeitsheft zum Thema kannst du dir hier herunterladen.

Als Satzmodelle werden »Satztypen und -formeln des 15. und 16. Jahrhunderts« bezeichnet, auf die der Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus in seiner Habilitationsschrift hingewiesen hat. Aufgrund der didaktischen Möglichkeiten – Satzmodelle eignen sich zur Analyse, Stilübung, Gehörbildung und Höranalyse gleichermaßen – sind diese Formeln heute im Musiktheorie- und Gehörbildungsunterricht an vielen Musikhochschulen eine Selbstverständlichkeit. Das folgende Tutorial gibt eine kurze Übersicht über die gebräuchlichsten Satzmodelle.


Inhalt

Kadenzen

Als Finalkadenz wird ein Ganzschluss mit vollkommener (und gelegentlich auch unvollkommener) Schlusswendung bezeichnet:

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Auf- und abwärts transponierte Kadenzen finden sich in Musik des 17. und 18. Jahrhunderts und darüber hinaus ist es eine gute Übung, Kadenzen am Klavier auf- und abwärts zu transponieren. Die Terzlage im Schlussakkord der Kadenzen öffnet dabei ein wenig und signalisiert die Weiterführung bzw. Sequenzierung. In den folgenden Notenbeispielen siehst du die folgenden Möglichkeiten:

  • sekundweise aufwärts transponiert,
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  • terzweise aufwärts transponiert,
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  • sekundweise abwärts transponiert und
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  • terzweise abwärts transponiert.
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Über Kadenzen kannst du mehr in den folgenden Tutorials erfahren: Kadenzen 1 (zweistimmig), Kadenzen 2 (dreistimmig) und Kadenzen (mit mehr als drei Stimmen). Die folgende Kadenz wird auch als ›cadenza doppia‹ bezeichnet. Sie ist sehr charakteristisch für Musik des 16. und 17. Jahrhunderts.

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In allen Finalkadenzen können übrigens die Oberstimmen vertauscht werden. Im vorangegangenen Beispiel erklingt die Synkopenstimme zuerst in der ersten Kadenz zuerst im Alt bzw. der Mittelstimme, in der zweiten dann in der Oberstimme bzw. im Sopran.

Mit der folgenden Kadenz hingegen beginnen viele Stücke aus dem 17. und 18. Jahrhundert, weshalb diese Wendung gelegentlich auch als Initialkadenz oder Exordialkadenz bezeichnet wird. In der Abbildung rechts ist das Modell zweimal zu sehen, wobei du auch in dem Beispiel rechts eine Vertauschung der Oberstimmen hören kannst:

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Eine Dissonanz gilt auch dann als vorbereitet, wenn der Haltebogen fehlt bzw. der dissonierende Ton noch einmal angeschlagen wird, wie beispielsweise das c im Bass des linken Beispiels oben. Mehr über dieses Modell erfahren kannst du in dem folgenden Tutorial: Das I-x-V-I-Schema.

In der Abbildung rechts kannst du zwei Halbschlüsse sehen.

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Die zweite Halbschlusswendung, die sogenannte ›phrygische Wendung‹, lässt sich sogar sequenzieren, wodurch im Bass ein ›passus duriusculus‹ (Christoph Bernhard) bzw. chromatischer Gang entsteht:

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Quintfallsequenzen

Das vielleicht bekannteste Harmoniemodell der Musik des 17., 18. und auch noch des 19. Jahrhunderts sowie der Pop-Rock-Musik des 20. Jahrhunderts dürfte die Quintfallsequenz sein.

Der sekundweise abwärts sequenzierte Quintfall

Das nachfolgende Notenbeispiel zeigt eine sekundweise abwärts sequenzierte Quintfallsequenz mit Grundakkorden. Die Benennung ›sekundweise abwärts sequenziert‹ folgt dem Höreindruck, denn wenn man Akkorde hört, stehen Quintfälle im Vordergrund, die sich sekundweise abwärts bewegen:

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Im nächsten Beispiel erklingen die beiden Oberstimmen vertauscht:

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Beim Üben dieses Modells musst du eigentlich nur auf drei Dinge achten:

  1. Der Bass spielt die Grundtöne der Quintfallsequenz (d.h. nur Quintfälle bzw. Quartstiege).
  2. Eine Terz zum Grundton wird zur Septime übergebunden.
  3. Eine Septime löst sich stufenweise abwärts auf zur Terz.

Ein dreifacher Kontrapunkt der Oktave

Eine Quintfallsequenz entsteht auch durch eine 7-6-Synkopenbewegung mit einer Zick-Zack-Zusatzstimme. In diesem Modell lassen sich sogar alle drei Stimmen vertauschen (dreifacher Kontrapunkt der Oktave). Drei exemplarische Ausarbeitungen der sechs Möglichkeiten dieses Modells siehst du in den folgenden Notenbeispielen:

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Der stufenweise Aufwärts sequenzierte Quintfall

Ein Quintfall kann auch aufwärts sequenziert werden. Diese Sequenz hat sich historisch aus der 5-6-Seitenbewegung (bzw. der 5-6-Konsekutive) entwickelt. Das folgende Notenbeispiel zeigt das (diatonische) Modell:

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Wird in diesem Modell die Bassstimme chromatisiert, entstehen aus moderner Sicht Zwischendominanten mit Auflösung. Die D-T-Beziehung ist der Quintfall (z.B. G-Dur | C-Dur), der anschließend sekundweise aufwärts sequenziert wird (A-Dur | D-Moll – H-Dur | E-Moll, C-Dur / F-Dur usw.) :

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Kombinationen und Erweiterungen

7-6- und 5-6-Synkopen können in einer sekundweise aufwärts führenden Sequenz auch kombiniert werden. In englischen Madrigalen oder auch bei Johann Sebastian Bach gibt es wunderschöne Ausarbeitungen dieses Modells. Grundlage der Sequenz ist ein stufenweise ansteigender Bass, wobei über jedem Basston eine 7-6-Synkope erklingt- Eine reguläre Vorbereitung der Septimen erfordert eine besondere Satztechnik bzw. einen sich wiederholenden Stimmtausch:

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Das nächste vierstimmige Beispiel zeigt zwischen Tenor und Bass, wie dieses Modell mit der 5-6-Synkope zusammenhängt:

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Werden nun noch beide Synkopenstimmen überterzt, enstehen auf jeder Takteins bzw. über jedem Basston kontrapunktisch herbeigeführte Sept-Nonen-Klänge:

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Der Parallelismus

Das Grundmodell des Parallelismus dürfte vielen durch den berühmten Kanon von Pachelbel kennen. Das folgende Notenbeispiel zeigt den dreistimmigen Gerüstsatz des Modells:

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Der Parallelismus mit Synkopen

Durch eine Synkope in den Oberstimmen entstehen aus harmonischer Perspektive Quart- und Nonendissonanzen, wobei die oberen Stimmen wieder oktavvertauscht werden können:

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Und durch Chromatisierung entstehen zwischendominantische Klänge zu den Zielakkorden auf einer Terzachse (C-Am-F):

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Eine chromatisch-diminuierte Variante

Einen typischen Klang des 18. Jahrhunderts erhält das Modell, wenn die Bassstimme chromatisiert und diminuiert wird:

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Und aufwärts ...

Ohne Synkopen kann der Parallelismus auch aufwärts erklingen. In der Systematik steigender und fallender Quinten wäre dieses Satzmodell als terzweise aufwärts sequenzierter Quintfall zu bezeichnen:

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Mit Synkopen erfordert dieses Modell ein Überkreuzen der Stimmen (in enger Lage also einen Stimmtausch), damit die Dissonanzen korrekt vorbereitet werden können. Durch einen Leitton in der Dominante zu Mollstufe können übermäßige oder verminderte Intervalle entstehen (wie z.B. die verminderte Quarte in dem folgenden Beispiel):

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Lamentobass

Als Lamentobass* ist ein gebräuchlicher Fachbegriff für die Tonstufen 8–7–6–5 im Bass (üblcherweise einer natürlichen Molltonleiter). Die Chromatisierung des Lamentobasses wird auch als passus duriusculus bezeichnet, durch Chromatisierung der Mittelstimme ergeben sich sehr komplexe und reizvolle Klangverbindungen.

Der Lamentobass in a-Moll:

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Obgleich ursprünglich in Moll, ist eine Analogiebildung für den chromatischen Bassgang im Rahmen einer Quarte auch in Dur gebräuchlich.

Beispiel für einen Lamentobass in C-Dur:

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Modulationen

Von den verschiedenen Modulationsarten sind an dieser Stelle zwei von besonderer Bedeutung: die Modulation in die Oberquinte und die Modulation in die Unterquinte. Die Modulation in die Oberquinte kommt nahezu in jedem größeren tonalen Musikstück vor, die Modulation in die Unterquinte ist weniger häufig, aber klanglich sehr ausdrucksvoll.

Die folgenden Abbildungen zeigen das Qberquint-Modulationsmodell, wobei auch in diesem Modell die Oberstimmen vertauscht werden können:

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Im dem folgenden Beispiel ist die Unterquintmodulation zu sehen, die − wie der Name schon sagt − von einer Ausgangstonart in die Tonart der Unterquinte führt:

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Hinweis
  • Carl Dahlhaus, Untersuchungen über die Entstehung der harmonischen Tonalität, Kassel 1967.
  • Ulrich Kaiser, Gehörbildung. Satzlehre, Improvisation, Höranalyse. Ein Lehrgang mit historischen Beispielen, 2 Bde. (= Bärenreiter Studienbücher Musik Bd. 10 und Bd. 11), Grundkurs und Aufbaukurs, jeweils mit Audio-CD, Kassel 1998, S. 131−209 (I) und 281−405 (II).
  • Felix Diergarten / Markus Neuwirth, Formenlehre, Laaber 2019.