Formenlehre: Einheit 15 – Musik nach 1945: Stilistiken und Strömungen
Unbestimmtheit, Aleatorik, Elektronik, Minimal Music, Tendenzen der Postmoderne – PDF
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chance | Unbestimmtheit hinsichtlich der kompositorischen Aktion, etwa durch Auswahl aus einer Menge feststehender Elemente |
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indeterminacy | Unbestimmtheit hinsichtlich der Ausführung, etwa durch Einbeziehung nicht-intentionaler Aspekte und Improvisation; |
Aleatorik und offene Form
Theoretische Fundierung in mehreren Schriften von Cage sowie durch Umberto Ecos Essay Das offene Kunstwerk
Bestimmte Aspekte oder Parameter der Musik (Form, Dauer, Tempo) werden nicht festgelegt, sondern den ausführenden Personen überlassen
Interpret*innen gestalten das Werk durch Improvisation oder eigene Entscheidungen mit; Aufführungen können jedes Mal anders sein
(a) Frei auszuführende Passagen oder Improvisationsanleitungen – Karlheinz Stockhausen: Aus den sieben Tagen; Mauricio Kagel: Metapiece
(b) Elemente werden vorgegeben, nicht aber deren Reihenfolge – Stockhausen: Klavierstück XI; Witold Lutosławski: Streichquartett
(c) Momentform: flexible, mosaikartige Aneinanderreihung kurzer Segmente – Stockhausen: Kontakte, Momente
(d) Offene Form: Mehrdeutigkeit, Mobilität, Negation des abgeschlossenen Werkes – Pierre Boulez: Dritte Klaviersonate
- Hörbeispiel – John Cage: Music of Changes für Klavier (1951), Part I
- Hörbeispiel – Witold Lutosławski: Streichquartett (1964), Einleitender Satz
Karlheinz Stockhausen: Klavierstück XI (1956), Partitur mit Farbcollage
Quelle: YouTube | Bildaussschnitt verfügbar auf ResearchGate
Klang, Geräusch, Elektronik
Futurismus
Als anarchistische Bewegung in der Literatur und bildenden Kunst bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Italien begründet
Bruitismus = musikalische Stilistik des Futurismus; Luigi Russolo und Francesco Pratella experimentieren mit Geräusch- und Lärmquellen
Bevorzugung von Schlagwerk und perkussiven Spielweisen, etwa bei Edgard Varèse, George Antheil und Iannis Xenakis
Imitation von Maschinenklängen durch Instrumente, etwa bei Arthur Honegger: Pacific 231; Aleksandr Mosolov: Die Eisengießerei
Verwendung von Alltagsmaterialien im Orchester, etwa bei Krzysztof Penderecki: Fluorescences
Musique concrète
Verwendung und Verfremdung von Tonaufnahmen musikalischer und nicht-musikalischer Klänge (Alltagsgeräusche oder Lärm)
Einsatz von Zuspielaufnahmen (etwa bei Varèse: Déserts) oder gänzlicher Verzicht auf Instrumente (Pierre Schaeffer: Étude aux chemins du fer)
Elektroakustische Musik
Werke liegen nur als Tonaufnahme vor und nicht in Partiturform, etwa bei Stockhausen: Gesang der Jünglinge; Xenakis: Poème électronique
Einbeziehung elektroakustischer Geräte: Oszillatoren und Sinusgeneratoren, Tonbandgeräte, Sampler
Entwicklung neuartiger elektronischer Instrumente: Theremin, Ondes Martenot, Trautonium, Synthesizer etc.
Zentren des Experimentierens mit elektroakustischer Musik ab den 1950er Jahren: Studio für elektronische Musik Köln, IRCAM Paris
- Hörbeispiel – Aleksandr Mosolov: Zavod (Die Eisengießerei) für Orchester op. 19 (1927)
- Hörbeispiel – Edgard Varèse: Ionisation für 13 Schlagzeuger (1931) – Partitur bei IMSLP
- Hörbeispiel – Krzysztof Penderecki: Fluorescences für Orchester (1962)
- Hörbeispiel – Karlheinz Stockhausen: Gesang der Jünglinge für Tonband (1956)
Minimalismus
Abkehr sowohl vom traditionellen Komponieren als auch vom Serialismus; von Michael Nyman definiert als minimal music
Rückgriff auf dur-moll-tonale Harmonik; Formbildung geschieht bevorzugt durch Repetition, rhythmische Patterns, Ostinati und Klangflächen
Hauptsächlich ausgeprägt in Nordamerika; wesentliche Protagonisten: Steve Reich, Terry Riley, LaMonte Young, Philip Glass, John Adams
Minimalistische Tendenzen treten auch auf in der Musik von György Ligeti, Arvo Pärt und anderen
- Hörbeispiel – Arvo Pärt: Trivium für Orgel (1976)
- Hörbeispiel – Philip Glass: Violinkonzert Nr. 1 (1987), I. Satz: Viertel = 104–120
- Hörbeispiel – Meredith Monk: Dolmen Music für sechs Stimmen, Cello und Percussion (1981)
Stilbegriff oder Richtung | Merkmale |
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Klangflächenkomposition, | Gestaltung von atmosphärischen, sich langsam wandelnden Plateaus durch eine Vielzahl stark verschmelzender, |
Experimentelles Musiktheater | etwa bei John Cage oder in der Fluxus-Bewegung (Nam June Paik, Jackson Mac Low) |
Polystilistik, | Ästhetik des Zitats: Collagen, Verbindung scheinbar gegensätzlicher Einflüsse mit gezielten Stilbrüchen, |
Mikrotonalität | theoretische Begründung bereits im frühen 20. Jahrhundert durch Ferruccio Busoni; |
spätere Ausprägung: Spektralmusik, Zusammenklänge werden aus Naturtöne und Partialtonreihen generiert; | |
Musique concrète instrumentale | Begriff von Helmut Lachenmann: erweiterte geräuschhafte Spieltechniken auf traditionellen Instrumenten |
Komplexismus bzw. | geprägt durch Brian Ferneyhough; Mikrotonalität, sprunghafte Texturen, komplexe rhythmische Teilungen |
- Hörbeispiel – György Ligeti: Lontano für Orchester (1967)
- Hörbeispiel – Sofija Gubajdulina: Toccata-Troncata für Klavier (1971)
- Hörbeispiel – Bernd Alois Zimmermann: Musique pour les soupers du Roi Ubu für Orchester (1966)
- Hörbeispiel – Helmut Lachenmann: Tanzsuite mit Deutschlandlied für Orchester (1980), Préambule