
Malugi und Marlon Hoffstadt bei ihrem gemeinsamen Boiler-Room-Set Ende 2024 | Quelle: https://boilerroom.tv
Gegen Anfang der 2020er Jahre erlebten Trance und Eurodance ein bemerkenswertes Revival. Meist spricht man einfach nur von Trance und meint damit im Prinzip eine Vermischung dieser beiden Strömungen der 90er Jahre in modernem Gewand. Dabei kann dieser Boom als Teil eines größeren Trends angesehen werden, dass viele Stile von früher plötzlich wieder recycled oder weiterentwickelt wurden, was in weiteren Szenen wie Hardgroove oder in gewisser Weise auch Hard Techno mündet. Manche sprechen hier auch von der Rave-Renaissance.
Das Trance-Revival mündete in einer riesigen und bis heute super aktiven Szene, die bewusst mit vielen "Normen" und "Tabus" der modernen Ravekultur bricht und damit stark polarisiert.
Dabei geht es im modernen Trance nämlich nicht um pure Nostalgie, sondern vielmehr um eine postironische und spielerische Auseinandersetzung mit der Rave-Kultur und dem Pop-Kitsch der 90er und frühen 2000er (Y2K-Mode, Neonfarben, etc.). Hohes Tempo, cheesy Vocal-Lines, unzählige Edits früherer 2000er-Pophits und Simplizität im Sound Design und Groove tragen alle zu der Leichtigkeit und Unbekümmertheit bei, die der Stil vermitteln will.
Trance gehört damit zu den größten aktuellen Strömungen der elektronischen Musik (Stand 2025) und lässt die Grenzen zwischen Mainstream und Ravekultur weiter verwischen. Viele neue Popkünstler:innen wie Ski Aggu, Domiziana, Filow oder Ikkimel bedienen sich trance-typischer Beats für ihre Songs. Aktuelle Entwicklungen deuten jedoch darauf hin, dass sich Trance wieder etwas vom Mainstream entfernen will und eher einen härteren Sound einschlägt.
Inhaltsverzeichnis
Generelle Merkmale
Moderner Trance unterscheidet sich musikalisch klar vom Uplitfting Trance der 2000er Jahre. Er steht meistens zwischen 140 und 160 bpm und ist damit schneller. Dieser Trend zum höheren Tempo zieht sich Stand 2025 allerdings durch viele Stile (Hard Techno, Peak-Time-Techno, Tech House, Hardgroove, etc.).
Vor allem aber zeichnen sich die Tracks durch Simplizität und das Wechselspiel von Nostalgie, Provokation und moderner Ästhetik aus. Große epische Breaks oder hymnenhafte Melodien wie im Uplifting Trance fehlen hier. Wichtig sind die Orientierung im Sound Design und Songwriting am Trance und Eurodance von früher und eine positive, unbekümmerte und fröhliche Stimmung. Melancholische oder härtere Tracks sind jedoch keine Seltenheit und letztendlich auch Frage des persönlichen Stils der Produzent:innen.
Am folgenden Klangbeispiel von 147 bpm sollen die zentralen Elemente des Stils dargestellt werden.
Kick und Bass
Die Kick Drum spielt im four-to-the-floor und ist trance-typisch recht punchy und sehr kurz, damit Platz für den Offbeat-Bass bleibt. In diesem Beispiel erinnert sie sogar an eine aggressive Psytrance-Kick. Meistens klingen die Kicks eher etwas dumpfer und reihen sich damit in die "oldschool"-Ästhetik des Sound Designs ein; letztendlich bleibt die Entscheidung über den Klang der Kick künstlerische Freiheit.
Quasi obligatorisch ist der Offbeat-Bass, der sowohl Subbass als auch höhere Frequenzen abdeckt. In Zusammenspiel mit der kurzen Kick sorgt dieser für das trance-typische bouncy Feel, das so in fast jedem Song vorkommt. Die Modulation des Low-Pass-Filters über eine recht kurze Envelope verstärkt dieses Feel in diesem Beispiel noch.
Drums und FX
Die Drums sind im Trance recht simpel: Clap auf 2 und 4, Hihats in den Offbeats. Sie sollen Energie erzeugen, aber Platz für die wichtigen Lead-Elemente lassen, anders als zum Beispiel im Hardgroove, wo sie fast schon ein Lead-Element sind. Passend zur oldschool-Ästhetik werden sehr oft klassische Drumsounds verwendet, allen voran aus der Roland TR-909. Hier kommen deren Clap und ikonische Open Hihat zum Einsatz. Wie die Kick sind die Drumsounds recht kurz, um Platz für andere Elemente zu lassen. + Für mehr Energie sorgen im Verlauf ein Ride-Becken auf jeder Achtel und Percussions auf den 16teln; darunter Shaker und ein Tambourin. Außerdem wurde im Hintergrund ein Drumbreak eingefügt, den man über die Ghostnotes seiner Snare zwischen den Claps leicht raushören kann.
Zur Phrasenmarkierung und Überleitung kommen ein Crashbecken, ein Snareroll und Whitenoise zum Einsatz. Wie die Percussions sind dies recht allgemeingültige Stilmittel für viele Arten von Dance Music. Wichtig ist hier allerdings auch wieder das simple oldschool-Sounddesign und der Rhythmus, der gespielt wird. Der Snareroll bleibt auf 16teln und wird nicht besonders "realistisch" programmiert und das Crashbecken läutet über rhythmische Verdichtung die nächste Phrase jeweils zwei Takte vorher ein. Gerade diese beiden Elemente finden sich so in vielen Trance-/House- und Eurodance-Tracks der 90er und 2000er wieder.
Synths
Synths spielen im Trance eine große Rolle. In ständigem Wechselspiel mit Vocals übernehmen diese genau wie hier die Leadfunktion im Verlauf der Tracks (siehe Arrangement und Verlauf). Auch hier ist das Sound Design klar an früher angelehnt: Sowohl der Lead-Synth als auch die Synth-Orgel im Offbeat sind Sounds, die genauso in vielen alten Tracks verwendet wurden. Spannend ist, dass die Korg M1-Organ im modernen Trance wieder sehr oft verwendet wird. Das darf neben der Orientierung an der Oldschool-Ästhetik durchaus auch als Provokation verstanden werden, da dieser Sound sehr inflationär und vor allem in kommerziellen Produktionen (z.B. Robin S - Show Me Love bis dato verwendet wurde. Wie oben bereits erwähnt, spielt moderner Trance ja genau mit diesen Klischees und Ästhetiken.
Daneben kommen noch zwei Basssounds als Füllelemente und ein Pluck-Sound für mehr rhythmische und harmonische Dichte zum Einsatz. Deren Sound Design ist zwar nichts besonderes an sich, aber bewusst moderner gestaltet (vor allem beim zweiten Bassfill), um die Brücke zwischen alt und neu zu schlagen.
Genau wie hier kommen größere Synthflächen durch Pads oder Texturen eher weiger zum Einsatz und wenn, dann eher im Hintergrund. Typisch wären noch Arps, Acid-Synths oder typische Rave-Chord-Synths, gerne auch durch das klassiche Korg M1-Klavier gespielt. Davon abgesehen kommen Samples akustischer Instrumente wie im House(https://openmusic.academy/docs/uc7DnTf8NKojcFzM8ZM3DM/house) oder gar orchestrale Passagen wie im Uplifiting Trance sehr selten bis gar nicht vor.
Vocals
Wie oben bereits erwähnt kommen Vocals in so gut wie jedem modernen Trance-Track vor und übernehmen immer Lead-Funktion. Deren Komplexität reicht von kurzen One-Linern über Vierzeiler wie hier bis hin zu Verse-Chorus-Texten. Meistens kommen allerdings eher catchy Hook-Lines zum Einsatz (z.B. Marlon Hoffstadt – It's That Time) . Deswegen nimmt das Suchen von guten Vocal-Samples oder das Schreiben davon auch einen großen Teil der Produktionsarbeit ein. In diesem Beispiel ist die Ästhetik klar an modernen Popvocals orientert, was auch wieder die Brücke zwischen alt und neu schlagen soll.
Übliche Themen sind: Liebe, Sehnsucht, Clubromantik, Drogenkonsum, Ravekultur, Hedonismus, etc. Sehr typisch ist wie gesagt auch das DIY-Remixen von bekannten Popsongs der 2000er, was zu einer fast schon inflationären Flut solcher "2000er-Edits" auf der Plattform Soundcloud geführt hat. Neben dem Nostalgiefaktor darf das durchaus auch als Provokation und Wunsch verstanden werden, mit alten Subkultur-Tabus zu brechen. Mittlerweile werden auch öfters moderne Popsongs remixed.
"You say it's just the way I move,
I say it's just the DJ's groove.
You wanna feel my body heat,
but the bass is what I need."
Arrangement und Verlauf
Wie in anderen Dance-Music-Stilen konzentriert sich moderner Trance auch auf Breaks und Drops und folgt damit keiner typischen Popsong-Struktur. Was allerdings oft von Pop oder kommerziellerer Musik übernommen wird, ist der Fokus auf starke, simple Lead-Elemente und wenig Lücken in deren Verwendung. Wie in diesem Beispiel ist es üblich, dass Vocals irgendwann von Lead-Synths abgelöst werden und verhältnismäßig oft melodische Elemente im Vordergrund sind.
Abgesehen davon werden hier typische Arrangement-Techniken aus Dance Music verwendet: rhythmische Verdichtung durch mehr Drum-Elemente und das Einläuten bzw. Kennzeichnen von Übergängen durch FX-Sounds.
Mehrspurplayer
Der nachfolgende Player bietet die Möglichkeit, alle Elemente nach Belieben stummzuschalten, einzeln oder in verschiedenen Kombinationen anzuhören oder mit Hilfe des Faders in der Lautstärke zu reduzieren, um einzelne Aspekte der vorangegangen Analyse noch einmal besser nachvollziehen zu können.
Downloads
Hier sind sowohl die Masterdatei als auch die einzelnen Instrumente des Klangbeispiel Trance/Eurodance als Stems zum Download bereitgestellt. Die Wav-Files können in eine DAW (z.B. Waveform) geladen werden und stehen zum freien Weiterarbeiten zur Verfügung (CC0).
Es empfiehlt sich dabei, das Songtempo in der DAW auf 147bpm zu stellen, da dann alle Spuren genau auf dem Grid liegen.
Bitte die Stems beim Import in eine DAW um etwa 5dB leiser machen, da es sonst zu Übersteuerungen kommen kann.
Marlon Hoffstadt – It's That Time absoluter Klassiker des Genres
Quelle: YouTube
Mika Heggemann - 3AM
Quelle: YouTube
Young Marco - What You Say (einer der zahlreichen Edits/Remixes von Pop-Klassikern der 2000er)
Quelle: YouTube
Pegassi - Yoyoyo
Quelle: YouTube