ANNÊ
Genau wie Trance oder Hard Techno ist Groove Techno oder Hardgroove ein Stil, der zwar Anfang der 2020er im Zuge der Rave-Renaissance immens an Popularität gewann, seinen Ursprung jedoch bereits in den 90er Jahren hatte. Zurückzuführen ist der Name auf das Label Hardgroove von Ben Sims, einer der größten Ikonen dieses Stils neben DJs wie Umek, Hertz oder Marco Carola. Das Label veröffentlicht bis heute, neben weiteren wie Suara, Mutual Rytm oder Inox Traxx.
Im Gegensatz zu anderen Revivalszenen wie Trance oder Hard Techno spielt sich Hardgroove noch wesentlich mehr im Untergrund ab (Stand 2025). Trotz bekannter Sets auf populären Online-Formaten wie Hör Berlin oder Boiler Room bleibt der Stil von Social-Media-Trends recht unbeeindruckt; bis auf die Tendenz zu gesteigerterem Tempo: moderner Hardgroove ist schneller als sein Vorgänger in den 90ern und 2000ern. Zur neuen Generation des Genres gehören unter anderem Überkickz, ANNÊ, Funk Assault, Regal86 und Chlär.
Inhaltsverzeichnis
Merkmale
Wie bereits erwähnt hat Hardgroove ein hohes Tempo (140-160 bpm). Typisch ist ein minimalistisches Klangbild, basierend auf vielen eintaktigen bis halbtaktigen Loops, vor allem in den Percussions, aber auch im Bass oder den Lead-Elementen. Die Gesamtästhetik ist dunkel, sowohl vom Feeling, als auch dem Mix her, dem bewusst eine moderne Brillianz fehlt. Deswegen wirkt Hardgroove auch nicht so "hart" wie viele andere Techno-Stile (Peak-Time-Techno, Hard Techno), sondern eher soft, aber trotzdem treibend. Man kann auch sagen, Hardgroove verwendet vor allem analoge Sounds und will sich bewusst von der Schärfe und Klarheit eines digitalen Sounds abgrenzen, was dem Stil wieder eine Oldschool-Ästhetik verleiht. Hardgroove ist ein sehr repetitiver und hypnotischer Stil, der sehr wenig harmonische Entwicklung in den Tracks vorweist. Am folgenden Klangbeispiel von 140 bpm sollen die zentralen Elemente des Stils dargestellt werden.
Kick und Bass
Die Kick spielt Four-to-the-floor und ist kurz, um Platz für den Bass zu lassen. In den oberen Mitten und Höhen ist sie wenig präsent, hat aber einen gewissen "Knock". Noch dumpfer ist der Bass-Sound, der sich eigentlich nur im Bass-und Subbassbereich aufhält. Trotzdem spielt dieser eine eigene Bassline, die auf einen Takt gelooped ist. Bewegung im Bass ist im Groove sehr wichtig, anders als z.B. im modernen Trance, wo der Bass fast immer nur im Offbeat spielt.
Der Fill von Reverse- und Doppelkick ist sehr typisch. Passend zur minimalen Klangästhetik werden Fills meist durch bereits vorhandene Elemente und kreative Verwendung dieser hergestellt, anstatt extra einen aufwendigen Fill zu produzieren.
Drums und FX
Die Drums bestehen vor allem aus vielen verschiedenen Percussion-Loops, wodurch sich eine sehr dichte Percussion-Textur im Mix ergibt. Diese Loops werden aber sehr sorgfältig zusammengesetzt und aufeinander abgestimmt, damit kein Brei entsteht. Außerdem wird ihnen viel Raum im Arrangement eingeräumt, weswegen sie sehr präsent im Mix stehen. Verwendet werden vor allem organische Perkussionsinstrumente wie zum Beispiel Congas, Bongos oder Samples von Drumbreaks. Ganz zentral ist auch hier, wie kurz diese Loops sind – einen oder sogar nur einen halben Takt lang.
Kombiniert werden die Percussions mit klassischen Oldschool-Drumsounds wie in vielen anderen Dance-Music-Stilen und den zugehörigen Patterns: Clap auf 2 und 4, Hihats in den Offbeats, Ride auf den 8teln. Tatsächlich ist aber wichtig zu erwähnen, dass der Drumloop eigentlich eher an einen schneller abgespielten House-Beat erinnert als an einen klassischen Techno-Loop. Das liegt zum einen an der Verwendung vieler organischer Sounds, aber auch an der Präzision und Kürze der Drumsounds und nicht zuletzt daran, dass in so gut wie jedem Track ein Backbeat vorkommt. In vielen Techno-Tracks wird ja auf diesen verzichtet. Zur besseren Nachvollziehbarkeit siehe den Hardgroove-Beat bei 125 bpm weiter unten.
Dazu kommen noch klassische FX-Sounds für Übergänge: White Noise und Crashbecken. Große Build-Ups durch Snarerolls oder Riser sind im Hardgroove eher untypisch. Am Ende des ersten Drops wurde wie bei der Kick ein Fill durch das rückwärtige Abspielen des Drumloops erzeugt.
Synths/Samples
Klassische melodische Lead-Elemente kommen im Hardgroove weniger vor. Eher werden kurze Fragmente oder One-Shots verwendet; oftmals sogar atonal und eher perkussiv. Melodische Elemente können aber durchaus vorkommen – zum Beispiel in Form von Acid-Synths, Samples akustischer Instrumente oder auch Vocals.
Für hamonischen Kontext sorgen im Hardgroove vereinzelt Pads oder manchmal auch Chordsynths-/samples als One-Shots. Manchmal kommen diese Elemente aber auch gar nicht oder erst spät im Verlauf des Tracks vor. Für Fülle im Mix sorgen hier vor allem viele Texturen, die – ähnlich wie die Lead-Elemente – nicht immer einen konkreten tonalen Charakter haben. Vor allem dadurch wird die angesprochene dunkle Klangästhetik erzeugt.
In diesem Beispiel sind sowohl die Lead- als auch Textur- und Pad-Sounds noch recht harmonisch und einem tonalen Zentrum zuweisbar. Weiter unten gibt es noch Beispiele für Tracks mit wesentlich mehr atonalem Charakter.
Vocals
Vocals kommen im Hardgroove durchaus öfter vor; allerdings auch diese vor allem als kurze Loops oder catchy One-Liner. In diesem Beispiel wurde ein Loop aus Vocal-chops kreiert. Dieser ist sogar vier Takte lang und damit deutlich länger als viele andere Loops in diesem Track, was aber ganz bewusst so gestaltet wurde, um einen Kontrast zum sonst sehr repetitiven Charakter herzustellen. Diese Technik wird für die Lead-Elemente öfters verwendet.
Im Break wurde als Übergang zum 2. Drop noch ein Soul-Shout eingefügt, was wieder an House erinnert. Auch die Vocal-Chops erinnern daran. Generell werden im Hardgroove Samples verwendet, die möglichst nicht zu aufdringlich sein sollen – sowohl vom Text, als auch von der Performance her. Super engaging oder catchy Vocal-Lines wie *Put your hands up!" oder *Get on the dancefloor!" sind hier fehl am Platz.
Arrangement und Verlauf
Abwechslung und Entwicklung sind im Hardgroove relativ und werden vor allem über das Hinzufügen und Entfernen der einzelnen Percussionpatterns hergestellt. Abgesehen davon werden aber wie in anderen Stilen auch die Lead-Elemente nach und nach vorgestellt und sorgen so für weitere Entwicklung im Track. Durch den insgesamt minimalistischen Ansatz in allen Bereichen des Tracks gibt es hier jedoch kaum melodisch-thematische Entwicklung und große Breaks kommen im Hardgroove so nicht vor.
Mehrspurplayer
Der nachfolgende Player bietet die Möglichkeit, alle Elemente nach Belieben stummzuschalten, einzeln oder in verschiedenen Kombinationen anzuhören oder mit Hilfe des Faders in der Lautstärke zu reduzieren, um einzelne Aspekte der vorangegangen Analyse noch einmal besser nachvollziehen zu können.
Stems für die Kollektion EDM-Musik zu Groove Techno/Hardgroove
Lizenz: CC-BY-SA-4.0
Downloads
Hier sind sowohl die Masterdatei als auch die einzelnen Instrumente des Klangbeispiels Groove Techno/Hardgroove als Stems zum Download bereitgestellt. Die Wav-Files können in eine DAW (z.B. Waveform) geladen werden und stehen zum freien Weiterarbeiten zur Verfügung (CC0).
Es empfiehlt sich dabei, das Songtempo in der DAW auf 140bpm zu stellen, da dann alle Spuren genau auf dem Grid liegen.
Bitte die Stems beim Import in eine DAW um etwa 5dB leiser machen, da es sonst zu Übersteuerungen kommen kann.
Chlär - Dopamine Rush
Quelle: YouTube
Funk Assault - Pre-Gig Selfie
Quelle: YouTube
Mark Broom - Ole Ole
Quelle: YouTube
Rue East - Birmingham (Ben Sims Hardgroove Mix)
Quelle: YouTube