Musiktheoretisches Propädeutikum: Einheit 7 – Harmonielehre: Zusammenklänge II

Funktionen und Stufen, Akkordverwandtschaft, Quintenzirkel, Kadenz – PDF


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Harmonische Funktionen und Stufen

Stufentheorie (begründet durch Gottfried Weber im frühen 19. Jahrhundert, weiterentwickelt durch Simon Sechter)
Römische Ziffern chiffrieren Akkordgrundtöne (Fundamentalbass) in einer Skala und auf diesen gebildete Akkorde,
sie beschreiben aber keine tonale Spannung zwischen den einzelnen Klängen

Funktionstheorie (begründet durch Hugo Riemann im späten 19. Jahrhundert, später modifiziert durch Wilhelm Maler)
Buchstabensymbole chiffrieren Akkorde in Beziehung zur Tonika; es entsteht ein hierarchisch gegliedertes System verwandter Klänge
Begriffe für Grund- und Nebenfunktionen (Tonika, Dominante, Subdominante, Mediante) gehen auf Jean-Philippe Rameau zurück

Dur

Moll

Quintverwandte (ein gemeinsamer Ton)

Dreiklänge in Dur

Dreiklänge in Moll

 

Beziehungen

D

D

Dominante – Dreiklang auf der V. Stufe, immer Dur

            g h d

                g h d

  D  

  5↑  

  D  

T

t

Tonika – Dreiklang auf der I. / i. Stufe

      c e g

        c es g

  T  

 

  t  

S

s

Subdominante – Dreiklang auf der IV. / iv. Stufe

f a c

f as c

  S  

  5↓  

  s  

Beziehungen zwischen Grundfunktionen
Quintfall = authentischer Quintschritt (D → T, T → S)
Quintanstieg = plagaler Quintschritt (S → T, T → D)

Dur

Moll

Terzverwandte ersten Grades (leitereigene Medianten, zwei gemeinsame Töne)

Dreiklänge in Dur

in Moll

 

Beziehungen

Tg

tG

Tonikagegenklang – in Dur: iii. Stufe, in Moll: VI. Stufe

        e g h

as c es

  Tg  

  3↑  

  tP  

T

t

Tonika – Dreiklang auf der I. / i. Stufe

    c e g

      c es g

  T  

 

  t  

Tp

tP

Tonikaparallele – in Dur: vi. Stufe, in Moll: III. Stufe

a c e

          es g b

  Tp  

  3↓  

  tG  

Beziehungen zwischen Nebenfunktionen
Kleinterzanstieg bzw. Kleinterzfall = Paralleltonarten: Dur und Moll mit gleicher Generalvorzeichnung (T ↔ Tp, t ↔ tP)
Großterzanstieg bzw. Großterzfall = Gegenklangstonarten: Dur und Moll mit Leittonwechsel (T ↔ Tg, t ↔ tG)
Sekundanstieg = authentischer Sekundschritt nach Gárdonyi (dP → t, T → Sp)
Sekundfall = plagaler Sekundschritt nach Gárdonyi (Sp → T, t → dP)

Dur

Moll

Sekundverwandte (kein gemeinsamer Ton)

 

Sp

 

Subdominantparallele – ii. Stufe [auch: S6], supertonikaler Akkord

d f a

Dominanten sind stets Durakkorde,
eine ›d‹ ist meist eine tonikalisierte v. Stufe;
dP / dG sind aber zulässig [Dp = Tg; sP = tG]

 

dP

Dominantparallele – VII. Stufe [auch: (D) tP], subtonikaler Akkord

b d f

S56

s56

Subdominante mit sixte ajoutée – ii56

f a(s) c d

 

Quintenzirkel

Im Uhrzeigersinn ablesbar: plagale Quintschritte (Dominantrichtung, T → D oder S → T)
Gegen den Uhrzeigersinn ablesbar: authentische Quintschritte (Subdominantrichtung, T → S oder D → T)

Rechte Hälfte: ♯-Tonarten, linke Hälfte: ♭-Tonarten; die Vorzeichen jeder Tonart sind ebenfalls additiv in Quintenschichtung ablesbar
Darstellung als virtuell geschlossenes System (bei 6♯ bzw. 6♭ mit enharmonischer Entsprechung von Fis-Dur = Ges-Dur bzw. dis-Moll = es-Moll)
Tatsächlich ist der Quintenzirkel aber kein geschlossenes System; die Darstellung ist prinzipiell zur Quintenspirale erweiterbar

Quintenzirkel für Dur- und Moll-Tonarten
Autor: Ulrich Kaiser, Bildquelle: Open Music Academy, Lizenz: CC BY 4.0

Kadenzen und Klauseln

Kadenz (von lat. cadere = fallen): Schlusswendung, gestaltet einen Einschnitt oder eine Zäsur im Verlauf der Musik
Kadenzen sind das maßgebliche Mittel zur Formbildung und zur Gliederung musikalischer Zeitverläufe
Mehrstimmigkeit: Kadenzen sind mindestens zweistimmig und entstehen aus dem Zusammentreffen mehrerer Klauseln
Kadenzen implizieren eine tonale Spannung und deren Auflösung zu einem Zielklang (häufig D → T, auch S → T)
Leittöne (Dominantterzen) besitzen eine Strebewirkung aufwärts; Akkordseptimen besitzen eine Strebewirkung abwärts

Klausel: einstimmige Bewegung zum Grundton (finalis) oder einem anderen Zielton

  • Tenorklausel = 2↓ zum Zielton
  • Diskantklausel bzw. Sopranklausel = 2↑ zum Zielton
  • Bassklausel = 5↓ oder 4↑ zum Zielton
  • Altklausel = Tonwiederholung auf der Quinte oder 3↓ zur Terz über dem Zielton

Ganzschluss

Kadenz zur I. / i. Stufe

 

Halbschluss

Kadenz zur V. Stufe

 

Trugschluss

Kadenz zur vi. / VI. Stufe

Authentischer GS

D → T / t

Plagaler HS

T / t → D

TS in Dur

D → Tp

Plagaler GS

S / s → T / t

Tenorisierender HS

S6 / ♯iv°6 → D

TS in Moll

D → tG

Tenorisierender GS

(♯)vii°6 → T / t

Phrygischer HS

s6 / ü6 → D

Weitere Optionen

D → s6 / ♯iv°7

Aufgaben zur Einheit 7
  1. Bearbeiten Sie das Arbeitsblatt 7, das einige zu den Inhalten dieser Einheit korrespondierende Übungen enthält,
    oder bearbeiten Sie das Tutorial zum Arbeitsblatt 7.
  2. Identifizieren Sie einen Halbschluss, einen Trugschluss und einen Ganzschluss am Beginn des folgenden Beispiels:
    Ludwig van Beethoven, Sonate für Violine und Klavier F-Dur op. 24, IV. Satz