Musik und Politik

Versuch einer Einordnung anhand verschiedener Aspekte

In seinem Aufsatz "Versuch einer Theorie der politischen Verwendung von Musik" versucht Helmut Brenner politisch wirkende Musik über verschiedene Aspekte zu greifen. Dabei stellt er klar, dass es keinen „Ausschließlichkeitsanspruch der werkimmanenten Analyse" gibt, sondern einen „musik-, sprach- sowie kontextbezogene[r] Faktorenkanon", der Beobachtungskritierien bildet. Ähnlich wie bei der Thematik „Musik und Religion" ist die Musik nicht an sich religiös, sondern wird dies erst durch unsere individuellen oder auch gesellschaftlichen Zuschreibungen. Trotzdem (oder eigentlich: genau deswegen) ist es möglich Musik dahingehend wissenschaftlich zu untersuchen, ob sie politisch wirkt und wenn, wodurch und wie sie wirkt.

Im Unterricht werden die Absätze

  • Direkter Textbezug,
  • Indirekter Textbezug,
  • Kontrafaktur,
  • Musikalische Elemente,
  • Symbolik,
  • Kontext,
  • Komponist/in und
  • Ort der Aufführung
    gelesen. Dabei erklingen die im Text angesprochenen Beispiele.

Der Aufsatz von H. Brenner fungiert beim Anspielen der Beispiele als Kommentierung und Einbettung der Musik in einen wissenschaftlichen Kontext. Nach der Lektüre sind sowohl musikwissenschaftliche Beobachtungsaspekte wie auch verschiedene Weisen agitatorischer Wirkung (S. 230ff) deutlich geworden. Eine Analyse und Beobachtung von Musik als eine "politische" kann dann auch an anderen Beispielen gewinnbringend erfolgen.

Beinahe alle angesprochenen Lieder lassen sich auf YouTube finden, obwohl einige in Deutschland zensiert sind bzw. auf dem Index stehen. Folgende Lieder werden im Text in dieser Reihenfolge angesprochen:

♪ "Wir sind die braunen Soldaten"
... ein damals sehr bekanntes Lied in der SA. Test und Musik: Rudolf Roonthal (1933).

♪ "Wann wir schreiten Seit' an Seit'"
...ist ein Lied der Arbeiterbewegung. Text: Hermann Claudius (1914); Musik: Michael Englert (1915)

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... so könnte das Lied bei der HJ geklungen haben... Ein Auszug aus dem Arbeiterlied.

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Das Arbeiterlied als Hymne der SPD am Sonderparteitag 19.03.2017.

♪ "Auf, auf zum Kampf!"
... war ein Soldatenlied aus dem ersten Weltkrieg, dann (ab 1919) ein Kampflied der Arbeiterbewegung und 1930 dann für die SA umgeschrieben.

Soldatenlied "Auf auf zum Kampf", Version von 1914. cc0

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"Auf, auf zum Kampf" in der Fassung der europäischen Arbeiterbewegung.

Weiter unten in dem Aufsatz von H. Brenner wird angesprochen, dass

Der Text von „Auf zum Kampf" wird selbst bei Stimmigkeit aller anderen Komponenten mit einer unterlegten stufenweise fortschreitenden Choralmelodie weniger gut im Sinne der Weckung von Kampfbereitschaft funktionieren, als die lediglich durch einige Durchgangstöne verschleierte auf trompetenrufartigen Dreiklangszerlegungen basierende Originalmelodie im Marschrhythmus.

Die ist hier gut nachzuvollziehen:

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Verena Wied, CC BY-SA 3.0 DE

♪ "Stille Nacht, traurige Nacht"
.... eine Parodie auf das bekannte Weihnachtslied von F. X Gruber und J. Mohr um 1818.

► Veränderungen des galvanischen Hautreflexes
H. Brenner erwähnt in seinem Aufsatz eine Studie von Helga de la Motte-Haber, in der sie über Veränderungen des galvanischen Hautreflexes Spannungszustände beim Rezipienten nachgewiesen hat (S. 224f.) In der Dokumentation Musik als Waffe wird in einem Ausschnitt dieses Experiment erklärt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es sich genau genommen nicht um "Musik", sondern um bestimmte Frequenzen und Klangbereiche handelt:

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Wissenschaftsdoku - "Musik als Waffe"

♪ "Der kleine Trompeter"
.... Text: Victor Gurski; Musik: Thomas Hagedorn (1915). Um 1925 entstand eine kommunistisch veränderten Fassung und ist dem Antifaschisten Fritz Weineck gewidmet.

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"Der kleine Trompter" in der Fassung von 1925.

♪ "In München sind viele gefallen"
... diese Kontrafaktur von "Der keine Trompeter" existiert in verschiedenen Fassungen und Aufnahmen: Einmal als Kampflied (in Dur), um Mut zu verbreiten, das Kameradschaftsgefühl zu stärken und dem Tod der Kameraden einen "Sinn" zu geben. Doch wurde es auch als Lied der Trauer und Klage (in Moll) gesungen.

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... eine Fassung in Dur [von: http://ingeb.org/Lieder/inmunchs.html]

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... eine Fassung in Moll [von: http://ingeb.org/Lieder/inmunchs.html]

"Haydnhymne"
... Text: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1841); Musik bereits 1796/1797 von Joseph Haydn.

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... in das Streichquartett-Fassung

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... in der Besetzung einer Marsch- bzw. Blasmusikkapelle.

"Marseillaise"
... Text und Musik: Claude Joseph Rouget de Lisle (1792)

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... instrumentale Fassung der Marseillaise.

"Sozialistenmarsch"
... Musik: Carl Gramm (1891)

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"Sozialisten Marsch". Played by the Favourite Orchestra Favourite Record C 1908.

"Badenweiler-Marsch"
... auch Badonviller-Marsch genannt. Musik: Georg Fürst (1914).

Da der Marsch nach dem Ende des Nationalsozialismus unwillkürlich mit Hitler in Verbindung gebracht wurde, wird er heute von Bundeswehr- und Polizei-Musikkorps nicht mehr gespielt. [...] Im Jahr 1951 wies der Hessische Minister des Innern Heinrich Zinnkann in einem öffentlichen Schreiben die Regierungspräsidenten des Landes an, das öffentliche Singen und Spielen des Badenweiler-Marsches „mit allen polizeilichen Mitteln zu verhindern", da „gewissenlose Elemente öffentlich Lieder und Musikstücke aus der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft singen und spielen und dadurch die öffentliche Sicherheit und Ordnung insofern gefährden, als sie die Erinnerung an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft wachrufen oder gegen den im Grundgesetz und in der Hessischen Verfassung verankerten Gedanken der Völkerverständigung verstoßen und damit die verfassungstreue Bevölkerung politisch provozieren". In dem Verbot wurden neben dem Badenweiler-Marsch weitere Titel genannt: das Horst-Wessel-Lied, das Engelland-Lied, Bomben auf Engelland, Siegreich wollen wir Frankreich schlagen und Volk ans Gewehr.

von Wikipedia

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"Badenweiler Marsch" - Ausschnitt (Anfang) aus dem Marsch, der als Wiedererkennungsmelodie für Hitlers Auftreten stand.

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Ein Auftritt Hilters; vermutlich vor Landbevölkerung; Datum unbekannt.
Es ertönt als Erkennungsmelodie der Badenweiler-Marsch.

"Les Preludes"
... Musik: Franz Liszt (twischen 1848 und 1854 entstanden)

Für seine symphonische Dichtung weist Franz Liszt

auf die Méditations poétiques von Alphonse de Lamartine hin, die aus insgesamt etwa 30 Gedichten bestehen; dieser Bezug soll die Grundstimmung wiedergeben. Liszt sieht die Phasen des Lebens als Vorspiele (Préludes) zur Melodie des Todes. Diese Phasen des Lebens sind Kämpfe und Stürme, Liebesglück und Schmerz, Trost, Erleben der Natur. [...] In einer Steigerung mündet das ursprüngliche Thema in das erste Hauptthema als majestätische, glanzvolle Fanfare.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Hauptthema, wie bei H. Brenner beschrieben, zuerst als Erkennungsmelodie für den Wehrmachtbericht in Rundfunk verwendet. Später wurden die Fanfaren sogar als "Jingel" für die Wochenschau und als Siegesfanfare eingesetzt. Dabei ordnete Joseph Goebbels eine Bearbertung an

bei de[r] er lyrische Elemente tilgen, den Satz vereinfachen und den Einsatz von Streichern minimieren ließ, um die Rolle der Pauken zu betonen und damit einen „militante[n] Tusc" zu erreichen.

beide Zitate von Wikipedia

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Ausschnitt aus: Franz Liszt, Les Préludes Symphonic Poem No. 3
Christian Thielemann, conductor · Berliner Philharmoniker / Recorded at the Berlin Philharmonie, 15 December 2012
(bei 2:00 beginnen die sogenannten "Fanfaren")

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"Fanfaren" als Erkennungsmelodie für den Wehrmachtbericht in Rundfunk.

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Die Deutsche Wochenschau Nr. 586: 26. November 1941
Die Fanfaren des "Les Preludes" erklingen bei den Namensnennungen der Kriegsberichterstatter, welche dadurch heldenhaft glorifiziert scheinen.

"Jawohl, meine Herren"
... Text: Richard Busch; Musik: Hans Sommer (1937)
Original-Interpreten: Hans Albers, Heinz Rühmann

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Heinz Rühmann & Hans Albers - "Jawohl, Meine Herren"

"Heute (ge)hört uns Deutschland und morgen die ganze Welt"
... ist der Refrain des verbotenen Liedes "Es zittern die morschen Knochen". Text und Musik: Hans Baumann (1932).

Bis heute ist umstritten, ob vor 1945 häufiger „heute, da hört …" oder „heute gehört uns Deutschland, und morgen die ganze Welt" gesungen wurde. Nach Hubertus Schendel [...] ist in 68 Prozent der Liederbücher aus der Zeit 1933 bis 1945 in seinem Archiv „Heute da hört uns Deutschland, und morgen die ganze Welt" zu lesen, worunter sich alle bei ihm vorhandenen Partei-, SA-, und SS Liederbücher befinden. Ohne Zweifel wurde in den Jahren des dritten Reiches von vielen „Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt" gesungen und so steht es auch in den restlichen 32 Prozent seiner Liederbücher, die bis auf eines erst ab 1934 veröffentlicht wurden.

von Wikipedia

Übungen und weitere Materialien

Wenn du die Beobachtung dieser Aspekte üben möchtest, so findest du hier und hier Soldatenlieder und Materialen dazu.