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Arrangieren und Instrumentieren

Dieser Artikel basiert auf dem Buch von Ulrich Kaiser und Carsten Gerlitz Arrangieren und Instrumentieren. Barock bis Pop (2005).


Arrangieren für n + 1: Raupach, Bach, Gounod & Co.

Inhalt

Vorbemerkungen

Ausgangsbasis für das Orchesterarrangement und das Klavierkonzert war die Klavierstimme einer Sonate für Klavier mit Violine von Hermann Friedrich Raupach, die du am Ende deiner Arbeiten kurz kennengelernt hast. Um Klavierkompositionen damals besser verkaufen zu können, hat man in der Mitte des 18. Jahrhunderts gerne eine Flöten-, Violin- und sogar Cellostimme zu einem Klavierstück hinzukomponiert. Erst in späterer Zeit bildeten solche Werke ein eigenständiges Genre aus (Violinsonate, Klaviertrio etc.).

Raupach

Arrangieren für n+ 1

H. F. Raupach: Sonate für Klavier und Violine

Höre dir noch einmal den Klavierpart der Exposition der Sonate für Klavier und Violine von Herrmann Friedrich Raupach an:

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Hermann Friedrich Raupach, Sonate für Klavier und Violine B-Dur Op. 1, Nr. 1, Violine: Senta Kraemer, Hammerflügel: Veronika Brass

Studiere das Verhältnis zwischen Klavier- und Violinstimme mithilfe der folgenden drei Beispielen (aus der Sonate oben die T. 7-8, T. 11-12 und T. 16-18):

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Im Beispiel 1 spielt die Violine eine einfache Brechung der gleichen Akkorde, die du im Orchesterarrangement bereits für Holzbläser arrangiert hast (B-Dur und c-Moll bzw. c-Moll-Septakkord).

Das Beispiel 2 zeigt einen dialogisierenden Abschnitt, in dem die Violine die Sechzehntelfigur der ersten Takthälfte auf der zweiten Takthälfte wiederholt. Das ist möglich, weil die Harmonie den ganzen Takt gleich bleibt und sich zum Klavier keine störenden Dissonanzen ergeben.

Im Beispiel 3 verdoppelt die Violine die Oberstimme der Melodie, wobei kurze Lösungen der Koppelung möglich sind. Auch diese Verdopplungstechniken (im Einklang oder in der Oktave) zählen – wie die Instrumentenverdopplungen zur klanglichen Verstärkung – im Orchestersatz nicht zu den verbotenen Parallelen.

Lade dir die Notationsdatei zur Aufgabe herunter und ergänze eine Violinstimme zum Klaviersatz der Raupach-Sonate. Bei Wiederholungen von Takten und Taktgruppen ist es natürlich möglich und typisch, auch die Spielfiguren in der Violinstimme zu wiederholen. Darüber hinaus kannst du auch andere Techniken deiner bisherigen Arrangierarbeit verwenden wie z.B. Liegetöne, Borduntöne, etc.

H. Fr. Raupach, Sonate B-Dur (Notentext ohne Violine) (MuseScore)

Bach

Bach-Erweiterungen

Das Präludium in C-Dur BWV 846 und Charles Gounod

Ziel der folgenden Aufgaben ist es, einer bestehenden Komposition eine neue, selbst erfundene Melodie hinzuzufügen. Der französische Komponist Charles Gounod hat z.B. dem 1. Klavierpräludium in C-Dur aus dem ersten Band des Wohltemperierten Klaviers von J. S. Bach (BWV 846) eine Gesangsstimme mit dem Text des »Ave Maria« hinzukomponiert, die sehr berühmt geworden ist. Damit die Solostimme in einer singbaren Lage erklingt, hat Gounod das C-Dur-Präludium nach G-Dur transponiert:

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Ave Maria · Clara Hurtado Lee, Nicole Pinnell, Quelle: Youtube

Ab dem Einsatz der Gesangsstimme entspricht der Klavierpart dem Original Bachs. Eine harmonische Analyse – unter Vernachlässigung der arpeggierten Spielweise sowie Tonverdopplungen – lässt sich ab Takt 5 in drei Phasen verstehen:

  • Takt 5-8: I-II-V-I-Kadenz in G-Dur (das Modell kennst du bereits aus der Violinsonate von Raupach in B-Dur, dort die Takte 7-10),
  • 2. Takt 9-12: Quintfallsequenz e-A-G-C bzw. eine VI-II-V-I-Akkordfolge (in der Ausgangstonart),
  • 3. Takt 13-15: II-V-I-Kadenz in D-Dur.

In Generalbassschrift ließe sich dieser Abschnitt (bzw. der Anfang von Bachs Präludium in G-Dur) wie folgt notieren:

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Wenn wir nun die Melodie Gounods betrachten, fällt auf, dass beinahe ausschließlich Töne der jeweiligen Harmonien verwendet worden sind:

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Aufgabe: Markieren Sie in dem Beispiel oben alle Töne in der Melodie, die nicht zu den Akkorden in der Begleitung passen:

Gounod richtet seine Gesangsstimme so ein, dass sie dem harmonischen Verlauf des Bach'schen Präludiums in rhythmisch-metrischer Hinsicht genau entsprich:

  • 4+(2+2)+3 Takte (Gliederung der Melodie)
  • 4+4+3 Takte (harmonische Gliederung)

Wenn du also zu einer bestehenden Vorlage eine Stimme hinzukomponieren möchtest, solltest du nicht nur auf die Wahl der richtigen Töne für eine einprägsame Melodie achten, sondern auch auf eine rhythmisch-metrische Entsprechung zwischen der Melodie und der originale Komposition.

Das Präludium in C-Dur von Bach auf eine neue Art zu arrangieren, dürfte schwer sein, weil es dazu schon so viele Arrangements gibt. Auf YouTube findet man unzählige Bearbeitungen, in der Begleitung für verschiedene Kammermusikbesetzungen, Orchester, Harfe und sogar Gesang (Bobby McFerrin) und für die Solostimme natürlich Gesang (von der Kinderstimme, über Countertenöre bis zu Opernsänger:innen) sowie Instrumente (vom Kontrabass bis zur Panflöte). Da erscheint es doch einfacher, sich ein anderes Stück von Bach zu suchen und zu diesem Stück eine Melodie zu komponieren.

Das Präludium in c-Moll BWV 847

Der Beginn des zweiten Präludiums in c-Moll aus dem ersten Band des Wohltemperierten Klaviers von Bach besteht – wie das C-Dur-Präludium – aus arpeggierten Akkorden. Nutze diese Möglichkeit und komponiere zu diesem diesem Präludium eine Gesangsmelodie für Sopran oder Tenor hinzu. Verwende als Textvorlage einen dramatischen, der Tonart c-Moll angemessenen Text, z.B. die Crucifixus-Passage einer Messe:

Lateinischer Text

Deutsche Übersetzung

Crucifixus etiam pro nobis
sub Pontio Pilato
passus et sepultus est.

Der gekreuzigt wurde auch für uns
unter Pontius Pilatus
gelitten hat und begraben worden ist.

Die ersten beiden Takte sind vorgegeben, vollständige den Notentext. Den entsprechenden Ausschnitt findest du in in der Datei zur Aufgabe.

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Bach, aber anders ...

Es ist eine Aufgabe, eine zusätzliche Stimme an eine Komposition anzupassen. Eine andere ist es, die Phrasenstruktur zu verschleiern und dadurch eine Komposition zu verfremden. Im Folgenden haben wir für das Präludium in C-Dur (s.o.) eine kleine Appetizer-Aufgabe für diejenigen erstellt, die ein wenig Erfahrung im Umgang mit Jazzmusik haben und eine kleine Jazz-Nummer a la Jacques Loussier probieren möchten. Das folgende Leadsheet zeigt den Beginn einer Jazz-Melodie zu den Akkorden des C-Dur-Präludiums von Bach. Vervollständigen Sie die Melodie und lassen Sie sich durch die Musterlösung inspirieren.

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Schumann

Kleine Studie von Robert Schumann

Robert Schumann schrieb in seinem berühmten Album für die Jugend ( op. 68) eine Kleine Studie für Klavier, die aus arpeggierten Akkorden besteht und »leise und sehr egal« zu spielen ist (mit »sehr egal« meint Schumann das Stück solle unaufwändig und ohne große Dynamik- und Temposchwankungen interpretiert werden). Wäre es nicht reizvoll, wenn man dieses Klavierstückchen mit einer Flöte oder Geige aufführen und so ein wenig Kammermusik machen könnte? Analysiere die Kleine Studie von Schumann und erfinde eine Melodiestimme zu dem Klavierstück. Für den besseren Einstieg kannst du den gegebenen Anfang verwenden (erinnert dich die Vorgabe zufällig an die Melodie eines französischen Komponisten?).

Den vollständigen Notentext und eine Musterlösung kannst du dir hier anschauen. In diesem Dokument findest du auch eine Möglichkeit, die Klavierstimme oder die Melodiestimme zu üben.