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Im Februar 2019 fand am Institut für Schulmusik der Hochschule für Musik und Theater München die Fortbildung »Begleitung Praktikum Musik – Seminar der Praktikumslehrkräfte« statt. Nach meinem Vortrag »Praktika ›gut‹ begleiten. Von Luftschlössern, Trutzburgen und Kartenhäusern« wurden in einer Gruppenarbeit von den anwesenden Praktikumslehrkräften Ideen zu verschiedenen Aspekten des Praktikums geäußert und in Stichworten gefasst. Die Absicht fand Anklang, dass diese Sammlung von Ideen so überarbeitet und zusammengefasst wird, dass sie Praktikantinnen und Praktikanten sowie Mentorinnen und Mentoren als Handreichung für das Pädagogisch-Didaktische bzw. Studienbegleitende Praktikum zur Nutzung direkt zur Verfügung steht. In vorliegender Broschüre liegt nun das Ergebnis dieser Überarbeitung vor und wird zur Verfügung gestellt, auch über den Kreis der im Februar 2019 Versammelten hinaus.

Mein Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen, die mit Ihren ›Tipps und Tricks‹ zu dieser Handreichung inspirierend beigetragen haben.
Verena Wied

Beobachtungsaufträge können die Perspektive auf ein spezielles Moment des Unterrichtsgeschehens lenken. Zudem können sie helfen, Unterricht ›nicht mehr‹ aus dem Blickwinkel einer Schülerin/eines Schülers wahrzunehmen, sondern gezielte Punkte zu beobachten.

Einige Beobachtungsaufträge sind inspiriert durch Formulierungen des Buchs Schulpraktika begleiten von Clemens M. Schlegel. Dieses Buch zum Schulpraktikum ist insgesamt sehr empfehlenswert und bietet über viele weitere Beobachtungsaufträge (zu anderen Fächern) auch Bögen zur Unterrichtsanalyse: Clemens M. Schlegel (Hg.): Schulpraktika begleiten. Handreichungen und Arbeitsmaterialien für Mentorinnen und Mentoren in der Lehrerbildung. Berlin. 2014. Die folgenden Beobachtungsaufträge sind allgemein- wie auch musikpädagogisch formuliert und werfen verschiedene Blickpunkte auf die Unterrichtsstunde:

  • Sozialgefüge der Klasse
  • Phasen/Ziele des Unterrichts
  • Zeitmanagement und Unterrichtsverlauf
  • Störungen und erzieherische Maßnahmen
  • Aspekte des Musizierens
  • Beziehung Klasse – Lehrkraft
  • Unterrichtsinhalte

Sozialgefüge der Klasse

  • Erstelle einen Sitzplan und lerne die Namen der Schülerinnen und Schüler.
  • Welche Schülerinnen oder Schüler sind die Leistungsträger der Klasse?
  • Erstelle ein Soziogramm auf dem Sitzplan. (Beziehungen untereinander und zur Lehrkraft)
  • Welche Schülerinnen und Schüler brauchen mehr Unterstützung?

Phasen/Ziele des Unterrichts

  • Welche Phasen gibt es in der Stunde? Warum?
  • Welche Methoden werden im Unterricht eingesetzt? Welche Alternativen fallen Dir ein?
  • Welche erzieherischen Maßnahmen kannst Du beobachten?
  • Achte auf die einzelnen Unterrichtsschritte innerhalb der Phasen: Welche sind klar erkennbar?
  • Erstelle ein Zeitdiagramm der einzelnen Unterrichtsphasen und -inhalte.

Zeitmanagement und Unterrichtsverlauf

  • Welche organisatorischen Aktionen kannst Du beobachten?
  • Wie werden die Schülerinnen und Schüler motiviert? Welche Alternativen gibt es dazu?
  • An welchen Stellen des Unterrichts könnte Zeit eingespart werden? Wo bräuchte es hingegen mehr Zeit?
  • Welche Rituale lassen sich beobachten? Welche Funktion haben sie?

Störungen und erzieherische Maßnahmen

  • Kannst Du Schülerinnen oder Schüler beobachten, die sich nicht mit dem Unterricht beschäftigen? Welche Aktivitäten fallen Dir auf?
  • Welche Unterrichtsstörungen kannst Du beobachten?
  • Wie geht die Lehrkraft mit Unterrichtsstörungen um?
  • Welche Lernschwierigkeiten kannst Du bei den Schülerinnen und Schülern beobachten?

Aspekte des Musizierens

  • Welche organisatorischen Vorgänge (Regeln, Arbeitsaufträge) kannst Du während des Musizierens beobachten?
  • Beobachte die stimmbildnerische Arbeit: Welche Alternativen fallen Dir ein?
  • Inwieweit und wie werden instrumentale Vorerfahrungen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt?
  • Inwieweit ist das Thema der Stunde mit einer Alltagsbedeutung für die Schülerinnen und Schüler verknüpft?

Beziehung Klasse – Lehrkraft

  • Inwieweit werden verschiedene kulturelle Hintergründe der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt?
  • Welche Gestaltungsmöglichkeiten und kreative Freiräume haben die Schülerinnen und Schüler?
  • Wie oft werden die Hörbeispiele angehört?
  • Wie werden die Schülerinnen und Schüler an die Musik der Unterrichtsstunde herangeführt?
  • Beobachte die Wortwahl/Sprache der Lehrkraft in Aspekten wie Humor, Respekt, Gerechtigkeit, Höflichkeit, Strenge…
  • Beobachte das Aufrufverhalten der Lehrkraft.
  • Beobachte die Körperhaltung und Mimik der Lehrkraft.
  • Welche nonverbale Kommunikation kannst Du beobachten?

Unterrichtsinhalte

  • Welche musiktheoretischen Inhalte kannst Du in der Stunde beobachten?
  • Welche Alternativen zum Kennenlernen dieses Unterrichtsthemas fallen Dir ein?
  • Welche Medien werden eingesetzt? Gibt es Alternativen?
  • Inwiefern findet Leistungsdifferenzierung im Unterricht statt? Welche zusätzlichen Möglichkeiten fallen Dir ein?
  • Inwieweit wird das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler reaktiviert?

Weitere Beobachtungsaufträge befinden sich in dem PDF.

Die Rolle der Lehrkraft übernehmen

Natürlich ist es (am Anfang) herausfordernd vor einer Klasse zu stehen und zu unterrichten. Eine ganze Unterrichtsstunde ›zu rocken‹ kann viel Vorbereitungszeit und Mut bedeuten. ›Didaktische Fingerübungen‹ hingegen sind kurze Unterrichtsimpulse, auf etwa zehn Minuten begrenzt und bieten einen überschaubaren Inhalt. Viele der ›Fingerübungen‹ sind themenunabhängig und können in verschiedenen Klassenstufen wiederholt werden, so dass das Unterrichten wie auch der Rollenwechsel hin zur Lehrkraft geübt werden kann. Der Begriff »Didaktische Fingerübung« findet sich in der Publikation von Clemens M. Schlegel (s. oben) wie gleichwohl in Anleitungen zu Unterrichtsversuchen anderer Fachrichtungen.

Einige solcher Unterrichtsimpulse sind hier gelistet:

  • Einstudierung eines kleinen Liedes/Grooves/Sprechstücks
  • Vorstellung eines Komponisten/Instrumentes
  • Anleitung einer Gruppenarbeit, einer kurzen Einzel- oder Stillarbeitsphase
  • Einführung in ein neues Thema
  • Anleitung einer Hör-Übung (Dur/Moll, hoch/tief…)
  • Musikalische Phantasie-Reise
  • Kurze Vorstellung eines Werkes
  • Kurze Zusammenfassung der letzten Stunde (eventuell mit eigenen Musikbeispielen)
  • Übernahme von organisatorischen Aufgaben (Feststellung der Anwesenheit; Begrüßung))
  • Erstellen eines Assoziationssterns (Beginn/Abschluss einer thematischen Einheit)
  • Erklärung eines Moments der Musiklehre
  • Vorstellung: »Musiker der Woche« / »Was heute geschah«
  • Einsingen der Klasse
  • Einstudierung eines Kanons
  • Begrüßungs-/Verabschiedungslied
  • Tonhöhenverlauf ›live‹ in die Luft (nach)zeichnen (lassen)
  • »Taburhythmus«: Rhythmus vor-/nachspielen; ein bestimmter Rhythmus darf nicht mehr nachgespielt werden
  • Rhythmusdomino/Rhythmusrondo spielen
  • »Rhythmusweg«: Neun Rhythmusbausteine sind vorgegeben; die Lehrkraft spielt drei davon vor; Schülerinnen und Schüler sollen die richtigen drei ›erhören‹. Zum Beispiel:

Manche dieser Unterrichtsimpulse gehen eher in Richtung einer Kurz-Präsentation, bei der wenig oder keine Interaktion mit Schülerinnen und Schülern stattfindet. Um die ›Rolle der Lehrkraft zu übernehmen‹ sollten nicht nur solche Vortrags-Unterrichtsimpulse gewählt werden.

Die Rolle der Lehrkraft übernehmen

Für die Übernahme einer kompletten Unterrichtsstunde oder anderer Aufgaben der Lehrkraft sind folgende Szenarien denkbar:

  • Teamteaching mit der Lehrkraft: Praktikantin/Praktikant übernimmt unterstützende Tätigkeiten oder die Arbeit mit Kleingruppen.
  • Vorbereitung der Stunde über das Material der Lehrkraft, so dass der Fokus weniger auf Erstellung von Material, son-dern eher auf dem Umgang mit der Klasse liegt.
  • Mit-Erstellung von Test-Aufgaben, Durchführung des Tests und anschließende Teilhabe bei der Korrektur.
  • Modifizierung des Sitzplans, um die aus den Beobach-tungsaufträgen gewonnenen Erkenntnisse anzuwenden.
  • Unterrichtsversuch in einem völlig ›freien‹ Thema, bei dem bereits vorhandenes Wissen und Stärken ausgespielt wer-den können.
  • Formulierung von Aufgaben zum Thema der Stunde, die besonders starke Schülerinnen/Schüler fordern und för-dern (Binnendifferenzierung).
  • Erstellung eines Arbeitsblattes, das in den Unterricht der Lehrkraft einfließt.

Ziel des Praktikums ist es auch, sich selbst in den Blick zu nehmen und dabei eigene Wünsche, Ziele, Erlebnisse, Erfahrungen, Einschätzungen und Wertungen zu hinterfragen. Die nachstehende Liste ist dahingehend alles andere als ein ›abgeschlossener Katalog‹ und möchte bloß Gedankenanstöße für eine Selbstreflexion geben. Die Fragen orientieren sich an vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Aspekten für das Berufsfeld »Musiklehrer*in«.

  • Was bringe ich für diesen Beruf schon mit?
  • Was sind meine stillen Reserven?
  • Welche Stärken kann ich nutzen/ausbauen?
  • Was gefällt mir bei anderen Lehrer*innen und kann ich das vielleicht für mich selbst übernehmen?
  • Was kann ich besser machen als meine eigenen Leh-rer*innen in der Schule?
  • Was war gut an meinem Musikunterricht und warum?
  • Gibt es Momente/Themenfelder/Methoden, die ich aufgrund eigener Negativerlebnisse meide?
  • Wo sind meine Entwicklungsfelder/ Wachstumswünsche/Baustellen?
  • Wie geht es mir mit den verschiedenen Altersstufen und im Umgang mit der Gruppe?
  • Bin ich schon bereit dafür Lehrer*in zu sein/die Seite zu wechseln (Duzen, Siezen)?
  • Fühle ich mich vor der Klasse wohl?
  • Kann ich die Stunde knapp zusammenfassen? Wenn nicht: warum?
  • Möchte ich gerne jetzt schon mit der Lehrkraft Position tauschen?
  • Welche Verbindungen gibt es zwischen Studium und Praxis? Was brauche ich, was nicht?
  • Nehme ich das Praktikum ernst? Warum?
  • Wie könnte ich die Zeit im Praktikum besser nutzen? Warum mache ich das dann nicht?
  • Ändert sich während des Studiums mein Ziel?
  • Was hat sich in meinem Denken bisher verändert?
  • Ist das, was ich im Praktikum erlebe, das, was ich mir für mein Berufsleben später wünsche? Warum?
  • Hat sich innerhalb meines Berufsbildes etwas verändert?
  • Will ich wirklich Musiklehrer*in werden? /Kann ich mich mit dem Berufsbild identifizieren?
  • Kann ich als Lehrerin noch Musikerin sein? Will ich das? Warum könnte das wichtig sein?
  • Warum möchte ich diesen Beruf ergreifen?
  • Welche Alternative zu diesem Beruf habe ich?