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Stadt mit Turm: Entwurf von Erich Kettelhut für "Metropolis" (1927) | Stiftung Deutsche Kinemathek
Deeplink von: https://www.filmportal.de/thema/fritz-langs-metropolis-im-wandel-der-zeit
Ein Problem einer Didaktik der Filmmusik im Musikunterricht ist das Urheberrecht. Denn spätestens außerhalb von Unterrichtsräumen erfordert das Zeigen von Filmausschnitten (auch von Werbespots und YouTube-Filmen) eine Erlaubnis und ggf. den Erwerb von Nutzungsrechten. Auch das Zitatrecht § 51 UrhG gestattet keine kreativen Tätigkeiten wie z.B. die Neuvertonung eines Filmausschnitts. Eventuell könnte der § 51a UrhG eine Besserung für die Unterrichtspraxis bringen, doch hier besteht noch eine erhebliche Rechtsunsicherheit, bis sich die Absichten der Gesetzgeberin in der Rechtsprechung findet. Da durch die langen Schutzfristen sogar noch sehr alte Filme urheberrechtlich geschützt sind: Wie könnte eine Besprechung von Filmmusik in der Unterrichtspraxis rechtskonform aussehen? Wie ist ein kreatives Arbeiten an einer Neuvertonung eines Film-Clips legal möglich?
In diesem Beitrag wird eine Möglichkeit für den Unterricht mithilfe der Tools der Open Music Academy gezeigt. Denn viele Tools dieser Plattform können Videos von YouTube streamen, was erlaubt ist, sofern das Video dort nicht offensichtlich rechtswidrig zur Verfügung gestellt wird. Darüber hinaus kann man auf der Open Music Academy mit dem Mehrspur-Medien-Plugin sogar gestreamte Videos mit eigenen Sounds mixen, was eine rechtskonforme Lösung des Problems darstellt und eine kreative Auseinandersetzung mit urheberrechtsgeschützten Material ermöglicht.
Der folgende Beitrag richtet sich an Lehrerinnen und Lehrer. Er beginnt mit einigen Informationen zum Urheberrecht in Bezug auf das Thema Film und skizziert anschließend Möglichkeiten für eine Stundensequenz:
- Besprechung des Inhalts und der Rezeption des Films unter Verwendung verschiedener thematischer Anknüpfungspunkte.
- Kennenlernen einer Schlüsselszene (Erschaffung des Maschinenmenschen) sowie die Analyse der originalen Filmmusik.
- Neuvertonung der Szene mithilfe von urheberrechtsfreien Materialien (Musik und Geräusche) sowie dem Mehrspurmedien-Plugin der Open Music Academy.
Filme und das Urheberrecht
Es gibt so gut wie keine Filme, an denen nicht irgendein:e Urheber:in noch irgendwelche Rechte hat. Davon ist der Musikunterricht leider direkt betroffen, da er aufgrund der Schrankenbestimmungen im Urheberrechtsgesetz als Öffentlichkeit angesprochen wird. Die Schrankenbestimmungen sind für eine Praxis zum Thema Filmmusik im Musikunterricht nicht ausreichend. Aktuell gilt:
- Ein Filmwerk ist bis 70 Jahre nach dem Tode seiner Urhebenden geschützt.
- Das Recht des Filmherstellers am Filmträger erlischt nach 50 Jahren.
- An einem Film können verschiedene Urhebende Rechte erworben haben, z.B.:
- der/die Regisseur:in
- der/die Komponist:in der Filmmusik und/oder der/die Tonmeister:in
- eine Kamerafrau / ein Kameramann und/oder die für den Filmschnitt Verantwortlichen
- Filmarchitekt:innen, Kostümbildner:innen und Maskenbildner:innen und ggf. sogar
- einzelne Schauspielerinnen oder Schauspieler
- Bearbeitungen sind nur mit Erlaubnis möglich.
Die Rechte werden von den Beteiligten an den Filmhersteller übertragen. Die Rechte an der Vorlage bzw. dem Roman, dem Drehbuch, der Filmmusik und anderen urheberrechtsfähigen Leistungen bleiben davon unberührt, so dass auch für diese Schöpfungen eine Schutzdauer von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers / der Urheberin gilt:
Stattdessen wurde die Schutzdauer für Filmwerke oder audiovisuelle Werke auf 70 Jahre nach dem Tod der letzten Person aus einer bestimmten Gruppe, die Hauptregisseur, Urheber des Drehbuchs, Urheber der Dialoge und Komponist der speziell für das betreffende Werk komponierten Musik umfasst, festgelegt. Gibt es mehr als einen Urheber des Drehbuchs oder der Dialoge eines Films oder mehr als einen Musikkomponisten, ist mutmaßlich der Längstlebende zu berücksichtigen.
aus: Die Lebensdauer des Urheberrechts an audiovisuellen Werken, hrsg. von der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle, Straßburg (Frankreich) 2012, S. 10.
Zum Beispiel: Metropolis
Der Film Metropolis von Fritz Lang von 1927 bietet – wie viele andere Stummfilme auch – die Möglichkeit, Filmmusik ohne ablenkende Geräusche oder Dialoge zu analysieren und selbst Musik dazu zu komponieren. Obwohl der Film Metropolis vor beinahe 100 Jahren erstmalig gezeigt worden ist, genießt er noch heute urheberrechtlichen Schutz. Denn Fritz Lang (Regisseur) und der Architekt Walter Schulze-Mittendorff (der den Maschinenmenschen designt hat) haben bis 1976 gelebt, weswegen aufgrund der 70-jährigen Schutzfrist (§ 64 UrhG) sowie der Fristberechnung (§ 69 UrhG) der Film Metropolis in Europa noch mindestens bis zum 1. Januar 2047 Urheberrechtsschutz beanspruchen darf.
Zur Handlung des Films
New York 1922 | Public Domain (CC0)
Inhaltsangabe: Eine futuristische Stadt Metropolis wird von ihrem Erbauer Johann Fredersen von einem Turm aus (dem »Neuen Turm Babel«) kontrolliert. Metropolis ist Heimat einer Oberschicht, die eine chancenlose, in unterirdischen Massenunterkünften lebende Unterschicht ausbeutet. Fredersen sieht in Menschen der Unterschicht lediglich einen Motor der Arbeitsmaschine, welche die Stadt am Leben erhalten muss. Die Oberschicht hingegen wohnt hoch über dem Boden von Metropolis, isoliert von der Unterschicht, im Luxus. Die Söhne der Reichen werden erzogen in einer eigenen Stadt (»Haus der Söhne«) mit Universitäten, einem riesigen Stadion sowie einer Aufzucht für die schönsten Mädchen (»Ewige Gärten«). Hier lebt auch Freder, der einzige Sohn von Fredersen. Er beschließt jedoch in die Unterkünfte der Armen hinabzusteigen und verliebt sich dort in Maria, die in missionarischer Art den Arbeitern von Liebe, Vergebung und Klassenlosigkeit predigt. Fredersen beauftragt den Erfinder Rotwang, Maria auszuschalten. Rotwang gelingt es, einen Maschinenmenschen mit dem Aussehen von Maria zu erschaffen und diese Maschine zu Kampf und Zerstörung aufrufen zu lassen. Die Arbeiter revoltieren tatsächlich, werden angesichts der Überschwemmung ihrer Unterkünfte allerdings geläutert und Verbrennen die Maschinenmenschen-Maria, während es der echten Maria mit Freder gelingt, die Kinder der Arbeiter zu retten. Schließlich tötet Freder Rotwang im Kampf, die Bewohner von Metropolis können sich versöhnen und der Weg scheint frei für eine Gesellschaft ohne Klassenunterschiede.
Am Anfang der Stundensequenz kann eine Einführung in die Handlung des Films stehen. Verschiedene Vorgehensweisen sind hierfür denkbar:
- Einführung in den Inhalt durch die Lehrperson oder
- Internet-Recherche zum Inhalt durch Schülerinnen und Schüler
Als Einstiegsimpulse können Plakate des Film verwendet werden. Weitere inhaltliche Anknüpfungsmöglichkeiten (auch nach der Analyse denkbar):
- Narrationen über die gesellschaftliche Spaltung in eine Ober- und Unterschicht in neueren Filmen (z. B. in Alita: Battle Angel)
- Maschinenmenschen und menschliche Maschinen (z.B. in den Star-Wars- und Terminator-Reihen, in RoboCop u.v.a.)
Besprechung eines Ausschnitts aus dem Original
Ein Schlüsselszene des Films besteht in der Erzeugung des Maschinenmenschen durch den Erfinder Rotwang, also die Übertragung das Aussehen Marias auf eine Maschine. Der folgende Filmausschnitt zeigt die Szene, in der Rotwang in einem Labor den Maschinenmenschen nach der Figur Marias erschafft:
Quelle: Youtube
Nach einem gemeinsamen Ansehen des Filmausschnitts kann eine Waveform zur Orientierung dienen, um beim Hören der Filmmusik ohne Bild einzelne Ereignisse im Zeitverlauf zu erkennen (z.B. Instrumente, wiederkehrende Motive, usw.).
Quelle: Youtube
Eine Neuvertonung mithilfe des Mehrspur-Medien-Plugins
Wie bereits oben festgestellt: Der Film Metropolis ist noch bis 2047 urheberrechtlich geschützt. Das Mehrspur-Medien-Plugin ermöglicht allerdings, einen urheberrechtsgeschützten Filmausschnitt zu streamen (z.B. von der Plattform YouTube) und dazu eigene Soundfiles mit Geräuschen und/oder Musik abzuspielen. Für die folgende Vertonung der Szene wurden die folgenden Soundfiles verwendet:
Komponierte Musik | Gesampelte Musik | ||||
---|---|---|---|---|---|
1.) Brahms, Johannes: Sinfonie Nr. 1, 4. Satz | 2.) Mahler, Gustav: Sinfonie Nr. 5, aus dem 2. Satz | 3.) Tschaikowsky, Peter I.: Romeo und Julia (Fantasie-Ouvertüre nach Shakespeare) | 4.) Tschaikowsky, Peter I.: Sinfonie Nr. 6 in h-Moll Op. 74 (»Pathétique«), aus dem 1. Satz | 5.) Synthesizer | 6.) Streicher-Tremolo |
Die darüber hinaus verwendeten Geräusche wurden entweder selbst aufgenommen oder von der Plattform freesound heruntergeladen. Beim Suchen auf dieser Plattform kann die Lizenz CC0 als Filter angewendet werden, so dass Soundfiles gefunden werden, die ohne Namensnennung vollkommen frei verwendet werden dürfen.
Im Unterricht kann nach einem gemeinsamen Ansehen der Neuvertonung dieser Szene wieder eine Waveform zur Orientierung verwendet werden, um den Einsatz der Musik von Brahms, Mahler und Tschaikowsky sowie der Sample-Dateien in den Zeitverlauf zu notieren.
Neuvertonung: CC BY Ulrich Kaiser, 2022
(unter Verwendung von Musik von J. Brahms, G. Mahler und P. I. Tschaikowsky)
Folgende Arbeitsschritte können zur Neuvertonung einer Filmszene führen:
- Anschauen des Films und Besprechung
- des Charakters der benötigten Musik (Musik-Spur) und
- der erforderlichen Geräusche (FX-Spur).
- Erstellen eines Storyboards (Zeitleiste mit Skizzen eines Bildes und einer Zuordnung von Musik und Geräuschen
- Suche von passender Musik und passenden Geräuschen auf entsprechenden Plattformen, z.B.
- Geräusche auf freesound.org (mit englischen Suchausdrücken nach Lizenz durchsuchbar)
- Sample-Library auf musikanalyse.net
- 35mm Music (im Aufbau)
- CC0-Musik auf cc0.oer-musik.de
- OER-Tracks
- Weitere Quellen: Freie Musik | Linkliste im Blog der Medienpädagogik-Praxis
- Soundquellen im Mehrspurmedien-Plugin der Open Music Academy mixen. Bitte verwenden Sie dazu einen internen Raum (und wenn Sie einen internen Speicherplatz benötigen, wenden Sie sich bitte an Ulrich Kaiser).