Inhalt
Was bisher geschah:
- Du hast verschiedene musikalische Parameter (Melodik, Harmonik, Instrumentation, Text) für die musikalische Analyse eingesetzt.
- Du hast dir eine konkrete Klangvorstellung von Songs erarbeitet und diese formal analysiert.
- Du hast die Strukturmodelle SRDC, Satz, Periode sowie die Satzmodelle Kadenz und Parallelismus und deren Bedeutung für die formale Analyse kennengelernt.
- Du hast Definition für die Formteile Verse, Chorus, Bridge und Instrumental Solo sowie für die Abschnitte Intro, Interlude und Outro kennengelernt.
- Du hast Definitionen der Begriffe Strophe, Refrainzeile und Refrain zur Beschreibung des Textes kennengelernt.
- Du hast dir ein Verständnis für den Zusammenhang zwischen der AABA-Form, Verse-Bridge-Form und Verse-Chorus-Bridge-Form erarbeitet.
- Du kennst die Verse-Bridge-, Verse-Chorus- und Verse-Chorus-Bridge-Form und kannst einschlägige Literaturbeispiele benennen.
- Du weißt, was melodische Strukturmodelle sind und wozu man sie verwenden kann.
- Du kennst Kriterien zur Unterscheidung eines Instrumental Solo auf der einen und den Formteilen instrumental Verse, Chorus oder Bridge auf der anderen Seite.
- Du weißt, was eine innere und äußere Erweiterungen eines Formteils ist und kannst diese Begriffe im Rahmen deiner Analysen einsetzen.
Lernziele:
- Du lernst das Konzept additive Songform kennen und wie du es für die Analyse von Popularmusik einsetzen kannst.
Additive Songformen
In älterer Musik – zum Beispiel in der Musik von Mozart und Beethoven – ist es typisch, einen Pulsschlag sowie für diesen Pulsschlag regelmäßige Unterteilungen zu empfinden. Wir fühlen beispielsweise einen Viertelpuls und unterteilen diesen in Achtel oder Triolen. Die Wahrnehmung geht also von einer größeren Einheit aus und kommt von hier aus zu kleineren Einheiten durch Teilung. Dieses Empfinden wird auch als divisive Rhythmik bezeichnet (von lat. dividere = teilen).
In Musik des 20. Jahrhunderts hingegen, z.B. in der Musik Olivier Messiaens, lassen sich Rhythmen ent decken, in denen unregelmäßige größere Einheiten aus asymmetrischen kleineren Einheiten zusammen gesetzt sind. In diesen Fällen wirkt es so, als wenn die größeren Einheiten durch Addition kleiner Einheiten entstehen würden. Dieses Phänomen wird auch als additive Rhythmik bezeichnet (von lat. addere = hinzufügen). Überträgt man dieses Denken auf Form, dann gäbe es auch Songformen, die man nicht als Reihung größerer Einheiten versteht (z.B. Verse, Chorus, Bridge usw.), die man unterteilen kann (z.B. Statement, Vordersatz, usw.), sondern die man als divisiv empfindet, also als eine Form, die durch Addition vieler, sehr kleiner Elemente entsteht.
Beispiel
What is this that [...]
Big black shape [...]
Is it the end, my friend? [...]
Black Sabbath, Black Sabbath (1969), Musik/Text: Ozzy Osbourne/Bill Ward/Terry "Geezer" Butler/Tony Iommi, Produzent: Rodger Bain, Quelle: Youtube
- Höre dir den Song Black Sabbath an. Überlege, wie eine grafische Darstellung des Songverlaufs noch aussehen könnte und skizziere deine Überlegungen.
20 Minuten
Krautige Songformen
Die Musik des Heavy Metal ist ein gutes Beispiel dafür, dass es Stilistiken gibt, für welche klassische Formmodelle die Verse-Chorus-, Verse-Bridge- oder Verse-Chorus-Bridge-Form in der Regel unangemessen sind. Für Songs im Bereich Krautrock bzw. Progressive Rock sind z.B. Songformen charakteristisch, die individuell gestaltet sind und sich gegen eine Klassifizierung sperren.
Bildet drei Gruppen, beschäftigt euch jeweils mit einem der folgenden Songs und bearbeitet die folgenden Aufgaben:
- Erstellt ein Formdiagramm für euren Song.
- Würdet ihr euren Song als additive Songform bezeichnen? Begründet eure Meinung.
WIR, Wir sind die Welt (1973), Musik/Text: Wolfgang Ziegler/Jens Gerlach, Produzent: Volkmar Andrä, Quelle: Youtube
Uriah Heep, Salisbury (1979), Musik/Text: David Byron/Mick Box/Ken Hensley, Produzent: Gerry Bron, Quelle: Youtube
Quelle: Youtube
Zusammenfassung
Du hast im Bereich Hard Rock, Progressive Rock und Rap verschiedene Songs kennengelernt, deren Form sich gegen eine traditionelle Klassifikation sperrt bzw. einer Beschreibung mithilfe traditioneller Formmodelle der Popularmusik widersetzt. Mit dem Konzept additiver Songformen steht dir ein weiteres Instrument zur Beschreibung von Form in Popularmusik zur Verfügung.
45 Minuten
Was Du wissen solltest ...
- Jede musikalische Analyse ist immer eine Interpretation eines musikalischen Sachverhalts (und keine objektiv beschreibbare Wahrheit), bei der bestimmte musikalische Ereignisse als bedeutsam hervorgehoben und andere Ereignisse weggelassen werden.
- Je nachdem, an welchen Parametern (Melodie, Harmonie, Instrumentation, Text usw.) sich eine musikalische Analyse orientiert, können die Analyseergebnisse unterschiedlich ausfallen.
- Die Wahl einer bestimmten Analyseperspektive muss begründet werden, um auch für andere plausibel zu sein.
- Du kennst die Kadenz und den Parallelismus als Strukturmodelle, um einen musikalischen Abschnitt zu interpretieren.
- Du kennst Definitionen für die folgenden Fachbegriffe: Verse, Chorus, Bridge und Instrumental Solo (zur Beschreibung von Musik) und Strophe, Refrainzeile und Refrain zur Beschreibung von Text.
- Du hast ein Verständnis für den Zusammenhang zwischen der AABA-Form, Verse-Bridge-Form und Verse-Chorus-Bridge-Form.
- Du bist sensibilisiert für Formen der Verse-Bridge- und der Verse-Chorus-Form.
- Du kennst melodische Strukturmodelle, mit denen man die Funktion von Akkorden in einem einen harmonischen Verlauf veranschaulichen kann.
- Du kannst ein Instrumental Solo von Formteilen wie Verse, Chorus und Bridge unterscheiden, in denen ein solistisches Instrument zu hören ist.
- Du kannst die Abschnitte Intro, Interlude und Outro definitionsgenau verwenden.
- Du kennst das Phänomen einer inneren und äußeren Erweiterung von Formteilen bzw. Abschnitten.
- Du kennst Definitionen für die Begriffe Prechorus und transitional Bridge und Probleme, die auftreten können, wenn du diese Begriffe verwendest.
- Du kennst das Konzept additive Songform und kannst es für deine Formanalysen ggf. einsetzen.
Maroon 5 – Memories (2019), Musik/Text: Musik/Text: Vincent Ford/Adam Levine/Jordan Johnson/Jacob Kasher Hindlin/Jonathan Bellion/Stefan Johnson/Michael Pollack, Produzent: Adam Levine/The Monsters & Strangerz, Quelle: Youtube