
In diesem Lernbereich lernst du eine Motette und ein Madrigal kennen. In der Formenlehre zählen die Kompositionen beider Gattungen zu den Reihungsformen. Der Grund dafür liegt darin, dass sich Textzeilen und musikalische Abschnitte entsprechen. Und so, wie in einem Text die Zeilen aneinander gereiht werden, reihen sich in der Musik die musikalischen Abschnitte aneinander, bis der ganze Text vertont ist.
Arbeitsblatt Reihungsformen: Motette und Madrigal (ABCDE ...)
Inhalt
Motette und Madrigal (ABCDE...)
An den Stellen, an denen sich im Text Satzzeichen wie Punkt und Komma befinden, wurden in Motetten und Madrigalen häufig Klauseln verwendet. Die Sopran- und Tenorklausel waren dabei besonders wichtig, denn mit ihnen konnte man schon einen vollwertigen musikalischen Einschnitt gestalten. Übt das Zusammenspiel von Sopran- und Tenorklauseln mit dem folgenden Beispiel, das ihr als Kanon (z.B. auf Tonsilben) singen könnt. Dazu müsst ihr nach der oberen Zeile in die untere springen und am Ende von der unteren wieder zurück in die obere:
Ulrich Kaiser, Formenlehre der Musik, Karlsfeld 2019, Klauselkanon zu J. H. Schein (Motette/Madrigal), Lizenz: CC-BY-4.0
Motette oder Madrigal?
Es wurde bereits erwähnt, dass sowohl Motetten als auch Madrigale zu den Reihungsformen gehören. Doch woran kann man dann eine Motette von einem Madrigal unterscheiden? Nach einer gängigen Definition lässt sich eine Motette daran erkennen, dass ein geistlicher (religiöser) Text vertont wird, wohingegen einem Madrigal ein weltlicher Text zugrunde liegen muss. So griffig die Definition auch ist: Leider ist sie falsch!
Denn es gibt geistliche Werke, die auf eine »sonderbar Anmutige Italian Madrigalische Manier« komponiert worden sind – das heißt: es gibt Madrigale mit geistlichem Text – und es gibt auch Motetten zu weltlichen Texten. Der Text ist also kein sicheres Kriterium, um eine Motette von einem Madrigal zu unterscheiden. Jedoch gibt es musikalische Indizien, die für einen Madrigalstil sprechen: ungewöhnliche Dissonanzhäufungen, Chromatik, der Wechsel von langsamen und schnellen Passagen usw.
Johann Hermann Schein, geistliches Madrigal ›Die mit Tränen säen‹, aus: Israelis Brünnlein (1623), Lizenz: CC0-1.0
Johann Hermann Schein, Die mit Tränen säen, Ensemble Vocal Européen | Quelle: YouTube
Aufgabe
- In dem Kanon (oben) habt ihr alle Klauseln gesungen, die Johann Hermann Schein am Anfang seines geistlichen Madrigals »Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten« (Israelis Brünnlein 1623) verwendet hat. Höre dir den Anfang des Madrigals an und markiere im Notentext die Stellen, an denen du Klauseln erkennen kannst.