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Kann eine Sinfonie einen Kanon haben?

In diesem Tutorial wird die Frage beantwortet, ob eine Sinfonie einen Kanon haben kann oder etwas besser formuliert: Können in Sinfonien die Stimmen so komponiert worden sein, dass ein Kanon erklingt? Über das Material der Operation Beethoven lässt sich diese Frage anhand der 4. Sinfonie von Ludwig v. Beethoven anschaulich beantworten.

Inhalt

Was ist ein Kanon

In einem Kanon setzt eine Stimme mit einer Kanonmelodie ein und ihr folgt eine andere Stimme mit der gleichen Kanonmelodie nach. Durch das nacheinander Einsetzen muss dabei das zweite Melodiesegment musikalisch zum ersten passen, das dritte zum zweiten usw. Die grünen Markierungen veranschaulichen das:

Wenn man einen Kanon komponieren will, muss man sich klarmachen, welche Intervalle man von einem Punkt der Melodie aus verwenden darf, damit sie versetzt richtig klingen (das verdeutlichen beim Ziehen des Sliders die roten Rauten, die für bestimmte Intervalle stehen, wenn's keine Kakophonie werden soll). Darüber hinaus muss der Einsatzabstand der zweite Stimme bekannt sein bzw. bestimmen werden, denn Kanons waren im 18. Jahrhundert in vielen Einsatztabständen gebräuchlich (neben dem Einklang- oder Oktavkanon z.B. auch der Oberquintkanon, Unterquartkanon, Oberseptimkanon, usw.).

Kanons, die heute gesungen werden, sind in der Regel Einklang- oder Oktavkanons. Kennst du einen Kanon? Hier kannst du einen Kanon zu den Intervallen üben und mit jemand anderes zusammen singen.

Orchester

Kanon in Sinfonien?

Einen strengen Kanon, bei dem Melodien versetzt bis zu ihrem Schluss erklingen und dann wiederholt werden, gibt es in Sinfonien nicht. Aber es gibt in Sinfonien Abschnitte, die wie ein Kanon funktionieren und die man leicht so aufschreiben könnte, dass man sie als Kanon musizieren kann. Einen solchen Abschnitt gibt es im Kopfsatz der Sinfonie in B-Dur Op. 60 von Ludwig v. Beethoven. Der Kanonabschnitt erklingt hier erstmalig zwischen Klarinette und Fagott. Die Streicher begleiten das Geschehen, die lauten Instrumente Hörner, Trompeten und Pauke haben Pause:

Tipp: Stelle den Loop in den Playern an und navigiere dich dann durch die Instrumente, bis du alle gut erkennen kannst.

Operation Beethoven. Ein Projekt der Open Music Academy in Kooperation mit der Hofkapelle München, 2023. Ausschnitt ›Kanon‹, Partiturausschnitt T. 141–159 (1), CC BY

Gleich im Anschluss an diese Stelle wird der Abschnitt noch einmal wiederholt, wobei Beethoven die Instrumentation ändert. Der Kanonmelodie wird nun von der Flöte und den Violinen gespielt, die Versetzt einsetzen Kanonmeldoie erklingt in den Violen (Bratschen), Violoncelli und der Violone. Klarinetten und Oboen spielen im Mittelgrund Tonwiederholungen:

Operation Beethoven. Ein Projekt der Open Music Academy in Kooperation mit der Hofkapelle München, 2023. Ausschnitt ›Kanon‹, Partiturausschnitt T. 141–159 (2), CC BY

Im folgenden kannst du dir die beiden Abschnitt noch einmal hintereinander anhören. Die Abbildung zeigt eine Urtextausgabe, in der die Klarinetten in B notiert wurden. Lass dich dadurch nicht verwirren, wie sie klingen, hast du in den Noten oben ja schon sehen können. Kannst du zur richtigen Zeit umblättern? (zieh dazu wieder den Slider nach links und wenn du den Loop einstellst, kannst du durch alle Stimmen einzeln navigieren):

Operation Beethoven. Ein Projekt der Open Music Academy in Kooperation mit der Hofkapelle München, 2023. Ausschnitt ›Kanon‹, Partiturausschnitt T. 141–159, CC BY

Strukturen

Im Maschinenraum: Welche Intervalle sind möglich?

Schauen wir uns die Melodie, die Beethoven komponiert hat, einmal genauer an:

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Wenn du den Slider langsam nach rechts ziehst, siehst du nur die Töne, die bei dieser Melodie auf den Takteinsen erklingen. Welche Intervalle verwendet Beethoven für die Struktur seines Kanons?

Aufgabe

Aufgabe

Komponiere einen eigenen Kanon. Nimm dazu den folgenden Beginn und ergänze die fehlenden Takte.

Dabei kannst du wie folgt vorgehen:

  • Analysiere die Töne auf den gegebenen Takteinsen (f-a-c).
  • Überlege dir von dem c des dritten Taktes aus Takteinsen für die leeren Takte. Verwende dabei nur Terzen und Sexten.
  • Überlege dir anschließend eine melodische Füllung für die Zählzeiten 2–4. Falls die nicht gut klingen sollte, kannst du sie nach dem Singen auch noch einmal retuschieren (das ist der Fachbegriff für musikalische Verbesserungen nach einer Aufführung).
  • Abschließend überlege dir einen Text (den pädagogischen Textanfang darfst du gerne ignorieren), damit der Kanon gesungen werden kann. Um den Text besser singen zu können, ist es natürlich möglich, die Melodie dem Text anzupassen bzw. rhythmisch entsprechend zu modifizieren.

Schluss

Schlussbemerkungen

Tatsächlich kommen kleine Kanonbildungen, die als kontrapunktische Kunstfertigkeit und Gelehrsamkeit galten, in sinfonischer Musik gar nicht so selten vor (bei einigen Komponisten sogar sehr häufig). Johannes Brahms z.B. war ein Spezialist in Sachen Kanon und hat Kanons sowohl für Stimmen als auch in seinen Sinfonien reichlich verwendet. Hier kannst du dir Profiwissen aneignen und mehr über Kanon-Strukturen erfahren, die Komponisten gerne verwendet haben.