Passacaglia: Dramaturgische Überlegungen und formale Gestaltung

Spätestens nach Variationssätzen mit einer durchgehenden Sechzehntelbewegung dürfte ist eine weitere rhythmische Verdichtung (Viertel, Achtel, Sechzehntel usw.) musikalisch nicht sehr sinnvoll ist. Unterbricht man allerdings die rhythmische Beschleunigung einfach nur, könnte der Spannungsabfall unmotiviert oder langweilig wirken. Aus diesem Grunde geht eine rhythmische Entschleunigung oftmals mit einem auffälligen Kontrast bzw. der Variation anderer musikalischer Parameter einher.

Anleitung

Kontraste und retardierende Momente

In der folgende Variation ist zu sehen, wie die rhythmischen Bewegung zwar auf das Anfangslevel (Viertel und Achtel) zurückfällt, gleichzeitig jedoch der Wechsel des Tongeschlechts und die polyphone Verarbeitung für einen Kontrast sorgen, der die Aufmerksamkeit binden.

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Nach einem solchen kontrastierenden und retardierenden Moment kann das rhythmische Tempo wieder gesteigert werden. Die folgende Variation behält beispielsweise die polyphone Ausarbeitung (Imitation) und das Tongeschlecht bei, führt jedoch wieder eine Sechzehntelbewegung als Moment der Beschleunigung ein:

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Eine weitere Variation könnte die imitatorische Ausarbeitung der Oberstimmen beibehalten und die Verarbeitung sogar zu einem Kanon der Oberstimmen auf der Ebene einer Vierteilnote verdichten. Dafür wurde der Bass rhythmisiert und der harmonische Ryhthmus beschleunigt, so dass eine Quintfallsequenz zu hören ist (dass sich aus einer linearen Bassbewegung eine Quintfallsequenz gestalten lässt und die Oberstimmen einer Quintfallsequenz sich als Kanon ausarbeiten lassen, kann man bei Bach studieren. Mehr über bekannte Kanonstrukturen kannst du im Tutorial Kanon-Modelle erfahren).

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Nach einer Anzahl von Variationen in Moll lässt sich die Gesamtform einer Passacaglia zu einer ABA-Form vervollständigen, wenn abschließend noch einige Variationen in Dur ausgearbeitet werden. Auch bei diesem Wechsel des Tongeschlechts kann wieder eine rhythmische Entschleunigung stattfinden. Gleichzeitig ist es möglich, den Abschnitt der Schlussvariationen mit einer Bewegungsform zu verbinden, die es bis dahin noch nicht gab. In der folgenden Variation wirken die Triolen wir eine Aufmerksamkeit bindende Abwechslung:

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Eine gestaltete ABA-Form (Beispiel)

Im Folgenden siehst du die bisher besprochenen Beispiele kombiniert und vervollständigt zu einer Passacaglia. Durch den mittigen Mollkontrast lässt sich die Gestaltung als ABA-Form verstehen und zeigt eine dramaturgisch sinnvolle Disposition der musikalischen Mittel:

  • 1. Teil: Dur mit ansteigender rhythmischer Dichte,
  • 2. Teil: Moll und Polyphonie als Kontrast und
  • 3. Teil: Dur mit abschließender Steigerung.
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CC BY, Ulrich Kaiser, Passacaglia in G-Dur (2018)

CC BY, Ulrich Kaiser, Passacaglia in G-Dur (2018)