Perspektiven, Zusammenfassung und Ausblick

Inhalt

Was bisher geschah:

  • Du hast verschiedene musikalische Parameter (Melodik, Harmonik, Instrumentation, Text) für die musikalische Analyse eingesetzt.
  • Du hast dir eine konkrete Klangvorstellung von Songs erarbeitet und diese formal analysiert.
  • Du hast die Strukturmodelle SRDC, Satz, Periode sowie die Satzmodelle Kadenz und Parallelismus und deren Bedeutung für die formale Analyse kennengelernt.
  • Du hast Definition für die Formteile Verse, Chorus, Bridge und Instrumental Solo sowie für die Abschnitte Intro, Interlude und Outro kennengelernt.
  • Du hast Definitionen der Begriffe Strophe, Refrainzeile und Refrain zur Beschreibung des Textes kennengelernt.
  • Du hast dir ein Verständnis für den Zusammenhang zwischen der AABA-Form, Verse-Bridge-Form und Verse-Chorus-Bridge-Form erarbeitet.
  • Du kennst die Verse-Bridge-, Verse-Chorus- und Verse-Chorus-Bridge-Form und kannst einschlägige Literaturbeispiele benennen.
  • Du weißt, was melodische Strukturmodelle sind und wozu man sie verwenden kann.
  • Du kennst Kriterien zur Unterscheidung eines Instrumental Solo auf der einen und den Formteilen instrumental Verse, Chorus oder Bridge auf der anderen Seite.
  • Du weißt, was eine innere und äußere Erweiterungen eines Formteils ist und kannst diese Begriffe im Rahmen deiner Analysen einsetzen.
  • Due kennst den Ausdruck additive Songform und kannst ihn ggf. für die Popmusikanalyse verwenden.
  • Du weißt um Probleme, die durch die Verwendung gleicher Begriffe in unterschiedlichen musikalischen Stilen auftreten können.

Lernziele:

  • Du reflektierst noch einmal die Möglichkeiten und Grenzen der Fachbegriffe für die formale Analyse von Popularmusik und lernst eine Alternative der Chiffrierung kennen.

Perspektiven

Dieses Seminarangebot reagiert auf ein Problem in der Musikpädagogik und musikwissenschaftlichen Forschung. Es besteht darin, dass Fachbegriffe wie Verse, Chorus, Bridge, Intro, Outro, Interlude, Prechorus usw. selten definitionsgenau verwendet werden. Sowohl in der Forschung als auch Musikpädagogik kann das zu unreflektierter Machtausübung führen. In der Forschung, weil Setzungen gemacht werden, die sich kaum an der Sache überprüfen lassen und in der Musikpädagogik, weil Schüler:innen jenseits einer Sachorientierung lernen müssen, wie eine Lehrperson die Begriffe verwendet wissen will.
Das Seminar wurde orientiert an der Publikation »Babylonian Confusion. Zur Terminologie der Formanalyse von Pop- und Rockmusik« in der ZGMTH. Ziel des Beitrags war es ursprünglich, eine Lösung für die oben genannten Probleme anzubieten. Doch mittlerweile ist Skepsis angebracht, denn die traditionellen Formbegriffe der Popularmusik aus dem 20. Jahrhundert in sehr vielen Fällen für die Beschreibung einer Popularmusik des 21. Jahrhundert ungeeignet. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Musikforschung und die Unterrichtspraxis in der Musikpädagogik?

Zur Semantik von Formbegriffen

Verse, Chorus, Bridge usw. sind Begriffe mit einer spezifischen Semantik. Für den Begriff des Chorus hat beispielsweise Ken Stephenson ausgeführt:

The arrival of a group of singers usually marks the beginning of (in fact provides the name for) chorus. The entrance of other instruments (strings, for instance) can help delineate the form as well. [...]
The name chorus derives from the typical practice of using multiple singers to perform the section after the presentation of a verse by a soloist, a practice stemming directly back to popular-song practice in the ninetheen century and coincidentally foreshadowed by responsorial chant described above.

Stephenson 2002, S. 126 und S. 135.

Auch wenn es weitaus als die von Stephenson genannten Merkmale (zum Beispiel eine höher gelegte Melodie, Melismen und längere Notenwerte im Gesang, geändertes Time-Feeling, Ride-Becken anstelle der HiHat usw.) für das Einsetzen des Chorus geben mag, haftet dem Chorus eine Semantik an, mit eine spezifische Bedeutung und Funktion innerhalb eines Songs gekennzeichnet wird.

Zur Semantik von Buchstaben

Buchstaben haben gegenüber Fachbegriffen eine unspezifische Semantik. Lediglich bestimmte Buchstabenkombinationen wie beispielsweise AABA können für Fachkundige eine spezifische Semantik transportieren (z.B. wenn dieses Schema Vorstellungen an Songformen der Tin-Pan-Alley-Tradition, an Menuett-Formen des 18. Jahrhundert oder an dreiteilige Liedformen des 19. Jahrhunderts hervorrufen). Doch abgesehen davon sind Buchstaben in der Lage, ohne eine spezifische Semantik die Formverläufe klassischer Musik, der Popularmusik, von Gedichten usw. zu veranschaulichen. In einer Songanalyse könnte zum Beispiel nach einem Verse und Chorus der Buchstabe C verwendet werden, wenn für den darauf folgenden Abschnitt die Begriffe Bridge und Interlude nicht passend scheinen.

Empfehlung

Aus den genannten Gründen ist es empfehlenswert, Buchstaben zur Kennzeichnung und Gliederung eines formalen Verlaufs zu verwenden, wenn die Semantik eines Fachbegriffs nicht genau das umfassen kann, was in der Analyse bezeichnet werden soll.

20 Minuten

Gedächtnis-Auffrischung

Mit dem folgenden Spiel kannst du dein Gedächtnis auffrischen, denn alle Songs wurden in diesem Seminar besprochen. Kannst du dich daran erinnern?

Referenzen zum Spiel

Die Songs des Matchingkarten-Spiels wurden in den folgenden Sitzungen thematisiert:

Falls du dich nicht mehr genau erinnern kannst: Schaue noch einmal in die entsprechenden Sitzungen und frische dein Gedächtnis auf.

45 Minuten

Was Du wissen solltest ...

  • Jede musikalische Analyse ist immer eine Interpretation eines musikalischen Sachverhalts (und keine objektiv beschreibbare Wahrheit), bei der bestimmte musikalische Ereignisse als bedeutsam hervorgehoben und andere Ereignisse weggelassen werden.
  • Je nachdem, an welchen Parametern (Melodie, Harmonie, Instrumentation, Text usw.) sich eine musikalische Analyse orientiert, können die Analyseergebnisse unterschiedlich ausfallen.
  • Die Wahl einer bestimmten Analyseperspektive muss begründet werden, um auch für andere plausibel zu sein.
  • Du kennst die Kadenz und den Parallelismus als Strukturmodelle, um einen musikalischen Abschnitt zu interpretieren.
  • Du kennst Definitionen für die folgenden Fachbegriffe: Verse, Chorus, Bridge und Instrumental Solo (zur Beschreibung von Musik) und Strophe, Refrainzeile und Refrain zur Beschreibung von Text.
  • Du hast ein Verständnis für den Zusammenhang zwischen der AABA-Form, Verse-Bridge-Form und Verse-Chorus-Bridge-Form.
  • Du bist sensibilisiert für Formen der Verse-Bridge- und der Verse-Chorus-Form.
  • Du kennst melodische Strukturmodelle, mit denen man die Funktion von Akkorden in einem einen harmonischen Verlauf veranschaulichen kann.
  • Du kannst ein Instrumental Solo von Formteilen wie Verse, Chorus und Bridge unterscheiden, in denen ein solistisches Instrument zu hören ist.
  • Du kannst die Abschnitte Intro, Interlude und Outro definitionsgenau verwenden.
  • Du kennst das Phänomen einer inneren und äußeren Erweiterung von Formteilen bzw. Abschnitten.
  • Du kennst Definitionen für die Begriffe Prechorus und transitional Bridge und Probleme, die auftreten können, wenn du diese Begriffe verwendest.
  • Du kennst das Konzept additive Songform und kannst es für deine Formanalysen ggf. einsetzen.
  • Du weißt um die terminologischen Differenzen, die sich ergeben, wenn die gleichen Begriffe der Formanalyse in verschiedenen musikalischen Stilen verwendet werden.
  • Du kennst die Möglichkeiten und bist dir der Grenzen der Fachbegriffe für die formale Analyse von Popularmusik bewusst.
  • Du weißt, dass es Vorteile haben kann, in Gliederungsanalysen auf Fachbegriffe zu verzichten und Entsprechungen über Buchstaben oder Zahlen zu chiffrieren.