Inhalt
Was bisher geschah:
- Du hast verschiedene musikalische Parameter (Melodik, Harmonik, Instrumentation, Text) für die musikalische Analyse eingesetzt.
- Du hast dir eine konkrete Klangvorstellung von Songs erarbeitet und diese formal analysiert.
- Du hast die Strukturmodelle SRDC, Satz, Periode sowie die Satzmodelle Kadenz und Parallelismus und deren Bedeutung für die formale Analyse kennengelernt.
- Du hast Definition für die Formteile Verse, Chorus, Bridge und Instrumental Solo kennengelernt.
- Du hast Definitionen der Begriffe Strophe, Refrainzeile und Refrain zur Beschreibung des Textes kennengelernt.
- Du hast dir ein Verständnis für den Zusammenhang zwischen der AABA-Form, Verse-Bridge-Form und Verse-Chorus-Bridge-Form erarbeitet.
- Du kennst die Verse-Bridge-, Verse-Chorus- und Verse-Chorus-Bridge-Form und kannst einschlägige Literaturbeispiele benennen.
- Du weißt, was melodische Strukturmodelle sind und wozu man sie verwenden kann.
- Du kennst Kriterien zur Unterscheidung eines Instrumental Solo auf der einen und den Formteilen instrumental Verse, Chorus oder Bridge auf der anderen Seite.
Lernziele:
- Du achtest auf Strategien, wie ein. Song anfangen und enden können und wie sich Formteile verbinden lassen.
Intro, Outro, Interlude – Abschnitt oder Formteil?
Das Intro
Den bisher besprochenen Formteilen des Song (Verse, Chorus) kann eine Einleitung vorausgehen, die im Bereich der Popularmusik als Intro bezeichnet wird. Ken Stephenson definiert diesen Abschnitt wie folgt:
In general, any instrumental music occurring before the entrance of the voice is called an Introduction, even when the passage consists of only one chord, as in the Beatles’ ›A Hard Day’s Night.‹ […]
Ken Stephenson, What To Listen For in Rock. A Stylistic Analysis, New Haven und London 2002, S. 134.
Ein Intro kann verschiedene Funktionen haben, die wichtigste dürfte sein, Hörerinnen und Hörer auf den Song aufmerksam zu machen und die richtige Stimmung für das Folgende zu erzeugen. Höre dir hierzu die Intro des Songs Leningrad von Billy Joel an:
Viktor was born [...]
Went off to school [...]
I was born in '49 [...]
Viktor was sent [...]
But children lived [...]
And so my child [...]
Billy Joel, Leningrad (1989), Musik/Text: Billy Joel, Produzenten: Billy Joel/Mick Jones, Columbia Records, Quelle: Youtube
Billy Joel ist 1987 als erstem amerikanischen Rockstar eine Tournee in die damalige Sowjetunion genehmigt worden. Diese Konzertreihe war Grundlage für das Live-Album KOHЦEPT (russisch: Konzert) und der Gedanke an Auftritte und russisches Publikum dürfte den Künstler auch zu dem Song Leningrad inspiriert haben. Die Einleitung des Songs erinnert dabei an eine Stelle aus einem bekannten Werk von Peter I. Tschaikowsky:
Peter I. Tschaikowski, Konzert Für Violine Und Orchester Op. 77, The Boston Symphony Orchestra, Ltg.: Charles Munch, Violine: Henryk Szering, Aufnahme: 1959, Lizenz: Public Domain
- Überzeugt es dich musikalisch, eine Verbindung zwischen der Intro von Leningrad und dem Violinkonzert von Tschaikowski herzustellen?
- Angenommen, Billy Joel hätte sich beim Komponieren an das Violinkonzert erinnert und diesen Bezug bewusst hergestellt. Welche Gründe könnte er gehabt haben?
- Kennst du andere Songs, in denen die Harmoniefolge eine Rolle spielt, die dem Intro und dem Violinkonzert gemeinsam sind?
15 Minuten
Mit dem Song New York State of Mind konntest du dich bereits in der letzten Sitzung beschäftigen. Schau dir im Folgenden noch einmal den Anfang und das Ende des Songs an:
Quelle: Youtube
- Begründe, warum es sinnvoll ist, den ersten Verse-Formteil als Verse und nicht als Teil des Intro zu bezeichnen.
- Kritisiere vor diesem Hintergrund die eingangs gegebene Definition von Ken Stephenson zum Intro.
25 Minuten
Definitionen
Im folgenden findest du Definitionen für die Abschnitte Intro, Interlude und Outro:
Intro oder Outro heißen die in der Regel einmalig am Anfang bzw. Ende eines Songs auftretenden Abschnitt. Beide Formteile unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Gestaltung von Verse und Chorus und sind durch einen hinführenden bzw. schließenden Charakter gekennzeichnet.
Verse- oder Chorus-Formteile werden nicht als Intro bzw. Outro bezeichnet, auch dann nicht, wenn ihre Formfunktion z.B. durch ein Fade-In bzw. Fade-Out als eindeutig ›einleitend‹ bzw. ›schließend‹ wahrgenommen wird.Mit Interlude werden Zwischentakte zwischen den Hauptformteilen eines Songs (Verse, Chorus, Bridge, Instrumental Solo) bezeichnet.
Den Begriffen Intro, Outro und Interlude ist gemeinsam, dass sich mit ihnen auch sehr kurze Abschnitte bezeichnen lassen. Aus diesem Grunde liegen diese Fachbegriffe auf einer anderen Ebene als die formal gestalteten Hauptteile eines Songs (Verse, Chorus, Bridge, Instrumental Solo). Das schließt jedoch nicht aus, dass ein Intro oder Outro einen größeren Umfang haben und auch formal gestaltet sein kann.
- Überlege dir Gründe, warum es sinnvoll ist, einen Chorus mit Fade-out nicht als Outro zu bezeichnen.
30 Minuten
Sound im Video: Joseph Haydn, Sinfonie in D-Dur Hob.I:101 (›Die Uhr‹), Andante, Bamberger Symphoniker, Ltg: Joseph Keilberth, Aufnahme: 1958, Lizenz: Public Comain
Eine innere Erweiterung erklingt also nach dem Anfang einer musikalischen Gestaltung und vor ihrem (musikalischen) Ende, das in tonaler Musik in der Regel an einer Kadenz erkennbar ist. Eine äußere Erweiterung hingegen erklingt vor einer musikalischen Gestaltung oder nach ihrem Ende bzw. einem Ganzschluss, mit der die Gestaltung musikalisch abgeschlossen wird.
Beantworte zum Song Surf'in U.S.A. von The Beach Boys die folgenden Fragen und begründe deine Entscheidungen:
- Würdest du in einer Formanalyse davon ausgehen, dass der Song eine Outro hat oder würdest du von einer (innereren oder äußereren) Erweiterung des letzten Verse sprechen?
- Würdest du bei dem Song von einer reinen Verse-Form ausgehen oder hat der Song für dich ein Instrumental Solo?
The Beach Boys, Surfin' USA (1962), Cover-Version von Sweet Little Sixteen von Chuck Berry, Musik/Text: Brian Wilson/Chuck Berry, Produzent: Nick Venet, Quelle: Youtube
Zusammenfassung
Du hast dich mit den verschiedenen Möglichkeiten der Formfunktionen Anfang und Ende beschäftigt und Vorschläge erhalten, für spezifische Anfänge und Abschlüsse die Begriffe Intro und Outro zu verwenden. Du kennst Definitionen für die Fachbegriff Intro, Outro* und Interlude und weißt, dass diese Begriffe auch kurze Abschnitte bezeichnen können. Und du hast di in der Analyse etablierten Begriffe innere Erweiterung und äußere Erweiterung kennengelernt und weißt, wie du sie in für die Analyse von Popularmusik einsetzen kannst.
45 Minuten
Was Du wissen solltest ...
- Jede musikalische Analyse ist immer eine Interpretation eines musikalischen Sachverhalts (und keine objektiv beschreibbare Wahrheit), bei der bestimmte musikalische Ereignisse als bedeutsam hervorgehoben und andere Ereignisse weggelassen werden.
- Je nachdem, an welchen Parametern (Melodie, Harmonie, Instrumentation, Text usw.) sich eine musikalische Analyse orientiert, können die Analyseergebnisse unterschiedlich ausfallen.
- Die Wahl einer bestimmten Analyseperspektive muss begründet werden, um auch für andere plausibel zu sein.
- Du kennst die Kadenz und den Parallelismus als Strukturmodelle, um einen musikalischen Abschnitt zu interpretieren.
- Du kennst Definitionen für die folgenden Fachbegriffe: Verse, Chorus, Bridge und Instrumental Solo (zur Beschreibung von Musik) und Strophe, Refrainzeile und Refrain zur Beschreibung von Text.
- Du hast ein Verständnis für den Zusammenhang zwischen der AABA-Form, Verse-Bridge-Form und Verse-Chorus-Bridge-Form.
- Du bist sensibilisiert für Formen der Verse-Bridge- und der Verse-Chorus-Form.
- Du kennst melodische Strukturmodelle, mit denen man die Funktion von Akkorden in einem einen harmonischen Verlauf veranschaulichen kann.
- Du kannst ein Instrumental Solo von Formteilen wie Verse, Chorus und Bridge unterscheiden, in denen ein solistisches Instrument zu hören ist.
- Du kannst die Abschnitte Intro, Interlude und Outro definitionsgenau verwenden.
- Du kennst das Phänomen einer inneren und äußeren Erweiterung von Formteilen bzw. Abschnitten.