Kadenzen (mit mehr als drei Stimmen)
Voraussetzungen: Kadenzen 1 (zweistimmig), Kadenzen 2 (dreistimmig)
Inhaltsverzeichnis
- Die Sopranklausel ist im Beispiel links in der Oberstimme, im Beispiel rechts im Tenor zu sehen.
- Die Altklausel liegt in beiden Beispielen im Alt und ist in drei Formen zu sehen:
- mit einer Tonwiederholung,
- mit einem Terzsprung abwärts oder
- als Parallelführung zur Tenorklausel (wie in der dreistimmigen Parallelkadenz).
- Die Tenorklausel liegt im linken Beispiel im Tenor, im rechten Besipiel im Bass. Sie ist in zwei Formen zu sehen:
- mit einem Sekundschritt abwärts und
- mit einem Sekundschritt aufwärts (um einen Schlussklang mit Terz zu erhalten, wenn in der Altklausel die Tonwiederholung erklingt).
- Die Bassklausel ist im linken Beispiel im Bass und im rechten in der Oberstimme zu sehen.
Die Bassklausel in einer oberen Stimme
Ob eine Bassklausel in der Oberstimme liegen darf, ist umstritten. Das Problem tritt regelmäßig auf, wenn in einer vier- oder vielstimmigen Kadenz die Tenorklausel im Bass liegt, zum Beispiel:
In Bezug auf die Benennung des Quintfalls einer höheren Stimme in Kadenzen mit Tenorklausel im Bass gibt es unterschiedliche Auffassungen. Statt als Bassklausel kann man den Quintsprung in einer oberen Stimme auch als abspringende Tenorklausel kennzeichnen. Dafür spricht, dass in der höheren Stimme mit fallender Quinte in der Penultima der gleiche Ton (d'') wie in der Tenorklausel (Bass) erklingt und dass die Ultima anschließend nicht über einen Sekundschritt, sondern über einen Sprung abwärts erreicht wird. Die Bezeichnung der fallenden Quinte einer höheren Stimme als Tenorklausel könnte sich auf Gallus Dressler stützen, der die Bassklausel vom Klauseltausch explizit ausgenommen hat. Für die Benennung des Quintfalls einer höheren Stimme als Bassklausel gibt es jedoch auch historische Zeugnisse (z.B. Johannes Nucius 1613 und Conradus Matthaei 1652).
Die phrygische Kadenz in der Mehrstimmigkeit
Auf die phrygische Kadenz lässt sich sowohl der ›plagale Ganzschluss‹ als auch eine charakteristische Art des Halbschlusses erklären, der oft für die Vertonung einer Fragen im Text verwendet worden ist und der heute als phrygischer Halbschluss (bzw. phrygische Wendung) bezeichnet wird:
Achten Sie in dem ersten Beispiel (links) darauf, dass die Quarte c zum Bass in der zweiten Takthäfte des ersten Taktes als ›konsonante‹ angesehen wurde und daher verdoppelt werden durfte. Die Quarte c zum Bass auf der Takteins des zweiten Taktes (dissonante Patiensstimme zum d der Tenorklausel) durfte hingegen nicht verdoppelt werden.
Besonders reizvoll klingt die cadenza doppia, wenn sie auf einen Ton zielt, der natürlicher Weise eine ›weiche‹ Terz über sich hat (im nächsten Beispiel das a, wobei die Terz c natürlich im Schlussklang ›pulchritudinis causa‹ zur ›harten‹ Terz aufgehellt werden kann). In diesem Fall war es im 17. Jahrhundert sehr beliebt, anstelle der eingangs erklingenden Septimensynkope eine Sexte (zum Bass) zu setzen, wodurch aus heutiger Perspektive ein übermäßiger Dreiklang erklingt:
Beachten Sie, dass Sexten (zum Bass) konsonant sind, diese also auch in der oben gezeigten Wendung angesprungen und verdoppelt werden dürfen (die Septime an dieser Position ist hingegen eine Dissonanz und darf daher weder angesprungen noch verdoppelt werden). Im Beispiel rechts erklingt nach dem ›übermäßigen Dreiklang‹ sogar noch eine weitere Dissoanz, die durch einen betonten dissonanten Durchgang, einen sogenannten Quasi-Transitus ensteht (wenn Sie die Abbildung berühren, können Sie sehen, wie diese Wendung ohne Durchgang aussehen würde).
In einem Madrigal von Robert Ramsay wird die ›cadenza doppia‹ mit ›übermäßigem Dreiklang‹ sogar sequenziert, um mit Tränen »Marmor« zum Schmelzen zu bringen:
Ensemberlino Vocale, Ltg. Ulrich Kaiser (Live-Mittschnitt aus einem Konzert in Berlin 1997), CC BY-SA.
Auch in Verbindung mit dem fuggir la cadenza findet sich der ›übermäßige Dreiklang‹ recht häufig und kann daher als ein Stilmittel der Schreibweise nach »Italian Madrigalischer Manier« (Schein) gelten.