KARL JENKINS: CONCERTO GROSSO FOR STRINGS, I. ALLEGRETTO „PALLADIO“
– was spricht für die Gattungsbezeichnung, was dagegen?
Nach zwei Unterrichtseinheiten, in denen insbesondere das Verhalten des Concertierens der beiden Ensembles Contertino und Ripieno ins Auge (und Ohr) gefasst wurden
(am Beispiel: Corelli - Concerto Grosso op.6 No. 8, Allegro | Telemann - Concerto Grosso TWV 54_D3, D-Dur, Allegro | Händel, Alexanderfest HWV 318, C-Dur),
analysieren die Schülerinnen und Schüler den ersten Satz Palladio des Concerto Grossos von Karl Jenkins (*1944).
In Bezug auf die bisher im Unterricht besprochenen Aspekte des Konzertierens geht der Kurs der Q11 des Gisela Gymnasiums München der Frage nach, inwieweit die Bezeichnung Concerto Grosso nachvollziehbar ist.
Concertieren
In der etymologischen Ableitung des Terminus fließen zwei Bedeutungen zusammen: Das zugrundelichten lat. Wort concertare heißt auch › wetteifern, kämpfen, erhöhen, disputieren ‹ als auch › mit gehören zusammenwirken ‹.
[zit nach: Volker Scherliess, MGG online, "Konzert", A. Zum Begriff: Ursprungs und Entwicklung]
Concerto Grosso
Bei einem Concerto grosso (ital. für „großes Konzert“) steht eine kleine, solistisch behandelte Gruppe von Instrumenten (Concertino, ital. für „kleines Konzert“) einer größeren (Ripieno oder Tutti, ital. für alle) gegenüber; Passagen, in denen beide Gruppen gemeinsam spielen, werden als Tutti bezeichnet. Die Ripieno-Stimmen, die in den Tutti-Passagen spielen, werden zumeist mehrfach besetzt.
[zit. nach wikipedia: Begriff "Concerto Grosso"]
Die zuerst in Gruppenarbeiten entstandenen Analysen wurden anschließend zusammengesetzt und das Ergebnis der Analyse ist nun hier zu lesen. Der Kurs freut sich über Kommentare, weitere Analysebeobachtungen und Perspektiven auf das Concerto Grosso, oder beispielsweise der Frage, inwieweit sich eine harmonische Analyse den Abschnittseinteilungen des Kurses anschließen könnte bzw. die Einteilung in Frage stellen würde.
Quelle: Youtube
Analyse des Kurses –
KARL JENKINS: CONCERTO GROSSO FOR STRINGS, I. ALLEGRETTO „PALLADIO“
Zwar ist aus dem Titel erkennbar, dass es sich um ein Concerto Grosso handelt, jedoch ist nach dem Herausarbeiten vieler Merkmale unklar, ob dies tatsächlich der Fall ist. Zwar ist ein immer wiederkehrender Refrain (Ritornell) im Tutti zu erkennen, allerdings scheinen die Instrumente durchgehend im Tutti zu spielen (keine Pausen, wenn ja dann kurze). Nur ganz am Anfang spielen Instrumente nicht im Tutti (2 Takte vor A). Es sind typische Instrumente für Concertino und Ripieno (Violinen; Violoncello; Bass) und das Stück ist feierlich, fröhlich und schnell. Eine Zweiteilung ist erkennbar (Concertino: Violine 1 und 2; Ripieno: Violoncello und Bass), jedoch nicht über das ganze Stück gleichbleibend, z.B. wechselt die Viola zwischen Concertino und Ripieno. Den Formverlauf kann man wahrnehmen als:
Ritornell (Buchstabe A: 0:06) – Episode (zw. Buchstabe A und B: 0:27) – Ritornell (Buchstabe B: 0:49) – Episode (Buchstabe C: 1:10) – Ritornell (Buchstabe D: 1:52) – Episode (4 Takte nach D: 2:01) – Ritornell (10. Takt nach D: 2:17)....
A
B
C
D
10. Takt nach D = da capo ab A
B
Es lässt sich allerdings keine klare Aufteilung in Concertino und Ripieno erkennen; das einzige Mal wo sich etwas in der Struktur ändert, ist Minute 1:10 (Buchstabe C) wo zwei Violinen hinzukommen und jeweils ein Solo spielen. Die Violine 2 verschwindet in Minute 1:52 (Buchstabe D), während Violine 1 noch weiterhin ein Solo spielt und erst in Minute 2:01 verschwindet (4. Takt nach D). In Minute 2:01 wechseln sich zudem die vorhandenen Violinen mit dem Spielen ab. Das Solospiel ist ein Wetteifern zwischen den oberen Instrumenten in einer anderen Form. „In einer anderen Form“ meint, dass kein Wetteifern von Ripieno und Concertino, sondern Zusammen-spiel der beiden Gruppen zu beobachten ist.
Das Motiv ist vor allem in den Violinen vorzufinden, während die restlichen Instrumente fast durchgehend monoton dasselbe spielen, und nicht groß zum Motiv beitragen. Violoncello, und Kontrabass spielen oft das gleiche nur mit unterschiedlichen Notenwerten (sie spielen Grundtöne als Begleitung, diese erscheint homophon), zum Teil ist das auch bei der Viola der Fall. Die Viola scheint als eine Art Bindungsglied zu fungieren, indem zwischen den beiden Melodien hin und her wechselt. Abgesehen von den Soloinstrumenten spielen die Instrumente untereinander durchgehend in der gleichen Lautstärke. Findet eine Lautstärkeänderung statt, so geschieht dies bei allen gleichzeitig, z.B. bei der Coda: der Teil fängt leise an und wird lauter (Crescendo).
Zusammenfassung:
Für ein Concerto Grosso würde sprechen, dass es ein Violine-1-Solo und auch ein Violine-2-Solo gibt, die relativ unabhängig von den restlichen Instrumenten ihre Soli gemeinsam spielen und die man somit als Concertino bezeichnen könnte. Der Rest, der dann das Ripieno wäre, spielt homophon und durchgängig ein rhythmisch gleichbleibendes harmonisches Motiv. Somit würde das Concertino aus Sicht des Ripienos bei Buchstabe C eine Variation zu ihrem durchgängigen Motiv hinzukommen.
Aus all den Beobachtungen heraus, kann man aber auch begründen, dass das Stück nicht einem Concerto Grosso entspricht, da es nicht wirklich ein Concertino bzw. ein Ripieno im eigentlichen Sinne gibt. Ab Buchstabe C kommen zwar zwei neue Stimmen dazu, doch diese kann man nicht unbedingt als eigenständiges Concertino bezeichnen, da das "Ripieno" eher als harmonische Begleitung gesehen werden kann.