Die einfachste Harmonisierung beginnt mit einer grundstelligen Tonika (a-Moll) und endet mit der grundstelligen Dominante (E-Dur). Zwischen diesen beiden Polen des Modells erklingen Sextakkorde (›Fauxbourdon‹-Harmonisierung):
Das nächste Beispiel zeigt eine Verzögerung der Oberstimme, so dass die parallele Sextenbewegung durch eine 7-6-Synkopenbewegung zwischen dem Bass und einer der oberen Stimmen ersetzt wird. In der folgenden Abbildung verläuft die mittlere Stimme bzw. der Alt in parallelen Terzen zum Bass:
Ein Musterbeispiel für eine strophische Lamentokomposition ist der berühmte Klagegesang der Ninfa (das Lamento della Ninfa) von Claudio Monteverdi nach einem Text von Ottavio Rinuccini. Es bildet den Mittelteil einer dreiteiligen Komposition, die Monteverdi 1638 in seinen »Madrigali guerrieri et amorosi« (VIII. Madrigalbuch) veröffentlicht hat. Im Klagegesang der Ninfa wird in der Bassstimme der Lamentobass fortwährend wiederholt, eine Technik, die auch in der Passacaglia und Ciaconna verwendet wird. Durch die zahlreichen Wiederholungen des Basses gilt der Lamento della Ninfa heute als locus classicus für die Kombination aus Lamentobass und Ostinatoarie, also einer Komposition, in der sich das Bassmodell fortwährend wiederholt (was in der Wirkung des Klagegesangs der Ninfa das endlose Leiden der unglücklichen Dame zu symbolisieren scheint):
Monteverdi: Madrigalbuch VIII, Lamento della Ninfa, SV 163, IV. Amor, Sopran: Christina Pluhar, Quelle: YouTube
Einige klangliche Höhepunkte des Lamento bilden jene Stellen, wo Monteverdi zwei Lamentobassdurchgänge durch satztechnische Finessen verbindet. Die 17. und 18. Lamentobasswiederholung, während die Ninfa singt, verschränkt Monteverdi beispielsweise mithilfe einer durchgehenden Synkopenkette, wobei in der Melodie beim ersten Lamentobassdurchgang Quart-, beim zweiten Septimensynkopen zu hören sind:
Monteverdi: Madrigalbuch VIII, Lamento della Ninfa, SV 163, IV. Amor
Sopran: Christina Pluhar
Quelle: YouTube
An zwei weiteren Stellen des Lamentos gleitet die Solistin von dem Leitton gis zum unverfärbten g, das zum Basston a des nächsten Lamentobassdurchgangs eine kleine Septime bildet. Während dieses Modell in etwas anderer Form im 18. Jahrhundert zur Sequenzbildung und Unterquintmodulation gebräuchlich war (vgl. hierzu das Tutorial Motivo di Cadenza), ist es im 17. Jahrhundert bei Claudio Monteverdi ein Stilmittel zur Erzeugung eines höchst leidvollen Ausdrucks:
Monteverdi: Madrigalbuch VIII, Lamento della Ninfa, SV 163, IV. Amor, Sopran: Christina Pluhar, Quelle: YouTube
Wie eingangs bereits erwähnt wurde, hat der Lamentobass schnell Eingang in die Instrumentalmusik gefunden. Die zwischen 1717 und 1720 komponierte Chaconne in d-Moll für Violine solo von Johann Sebastian Bach enthält große Abschnitte, die sich über den diatonischen Lamentobass (also über die Basstöne d-c-b-a) angemessen verstehen lassen. Den Lamentobass, der schon in den ersten Takten des Stücks verborgen ist, bringt Bach allerdings erst im Verlauf des Stücks in den Vordergrund. Im folgenden Abschnitt ist der Lamentobass gut zu erkennen. Dabei ist erstaunlich, welchen harmonischen und rhythmischen Reichtum Bach dem Modell abgewinnt.
Johannn Sebastian Bach, Arthur Grumiaux – 6 Sonatas & Partitas For Violin Solo, Erstveröffentlichung: 1962
Lizenz: CC0 (Public Domain), Aufnahme mit gesampeltem Lamentobass
Weite Strecken dieser Komposition, wie zum Beispiel die Variation der letzten Zeile des oben abgebildeten Beispiels, lassen sich allerdings nur angemessen verstehen, wenn man den chromatisierten Lamentobass kennt und weiß, wie er sich harmonisieren lässt.