Kurze Geschichte des Urheberrechts
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Das Urheberrecht soll heute in dem Interessenskonflikt vermitteln, der zwischen den Rechten von Urhebern sowie dem Interesse der Allgemeinheit an freiem Umgang mit Inhalten besteht. Die Rechte und der Schutz geistigen Eigentums in ideeller und materieller Hinsicht wird deshalb und im Unterschied zu zivilrechtlichem Eigentum nicht absolut, sondern nur für eine bestimmte Zeit gewährt. Diese ›Zeitschranke‹ wiederum soll gewährleisten, dass geistige Schöpfungen nicht aus ihrem Kontext bzw. der sie umgebenden Kultur herausgehalten werden können, sondern auf Dauer Teil eines gemeinfreien gesellschaftlichen Diskurses bleiben.
Materialien zur Entwicklung des Urheberrecht werden vom Institut für Urheberrecht und Medienrecht auf der Seite Urheberrechtsgesetz bereitgestellt.
vor dem 19. Jahrhundert
Geschichte
Altertum
Im Altertum spielte urheberrechtliches Denken aus verschiedenen Gründen eine untergeordnete Rolle (›von Gott gegeben, von Vorfahren bewahrt‹), obgleich das Verhältnis Autor/Werk gelegentlich thematisiert worden ist. Der Dichter Marcus Valerius Martialis (Martial) soll beispielsweise einen Kollegen, der sich als Autor seiner Schriften ausgegeben hatte, als plagiarius bezeichnet haben.
Mittelalter
Im Mittelalter fand die Wissensproduktion vornehmlich in Klöstern statt, in denen ältere Schriften gesammelt, kommentiert, bearbeitet sowie übersetzt und kopiert wurden. Mit den ersten Gründungen von Fakultäten und Universitäten in Europa (Parma, Bologna, Paris, Oxford, Cambridge u.v.a.) partizipierten diese auch an der Wissensaufbewahrung und -produktion sowie des Handels mit Wissen. Schriften von Autoritäten (bspw. den Kirchenvätern) wurden mit Namensangabe überliefert. Zugleich war es jedoch üblich, Zitate oder Paraphrasierungen (bspw. aus Enzyklopädien) ohne Quellenangabe in Texte einzuflechten. Maler und Bildhauer signierten ihre Werke anfangs kaum, das Kopieren oder Abwandeln von Bildfindungen war gängige Praxis. Dichter und Sänger gaben ihre Texte und Melodien oft mündlich weiter, wobei die Namen berühmter Schöpfer als Qualitätsmerkmal galten.
In der Manessischen Liederhandschrift dagegen au dem 14. Jahrhundert werden die Namen der Dichter angegeben und und sogar bildlich dargestellt (in Abb. unten ist Walther von der Vogelweide zu sehen). Dabei mussten sich die Schreiber um die Rechte anderer Autoren noch keine Gedanken machen.
Codex Manesse, Zürich, ca. 1300 bis ca. 1340 | Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, fol. 123v–124r | Public Domain
Renaissance
Mitte des 15. Jahrhunderts erfand Johannes Gutenberg den modernen Buchdruck (mit auswechselbaren Lettern und Druckerpresse). Der Buchdruck als mediale Revolution ermöglichte einerseits eine Demokratisierung des Wissens, andererseits auch autokratische Propaganda. Sowohl die wirtschaftlichen Investitionen bzw. Leistungen von Druckern als auch die Absicht der Autoren wurde dabei durch Raubdrucke gefährdet:
Abb. links: Der Buchdrücker, aus: Hozschnitt von Jost Amman in: Eygentliche Beschreibung Aller Stände auff Erden, Frankfurt a. M. 1568. Text rechts: Brief Martin Luthers 1525, in: Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedenken [...], Berlin 1856, S. 69.
Das Problem der Raubkopien führte zu sogenannten Druckerprivilegien, die bevorzugten Druckern für den Zeitraum weniger Jahre das ausschließliche Recht zur Herstellung bestimmter Druckerzeugnisse einräumten. Privilegien wurden von den kirchlichen oder weltlichen Machthabern gewährt und erfüllten die Funktion eines Leistungsschutzes für bestimmte Druckerzeugnisse in einem bestimmten Herrschaftsgebiet. Druckerprivilegien dienten somit dem materiellen Schutz und schützten nicht immaterielle Güter wie z.B. das Werk eines Autors (obgleich auch das – wie Luther anmerkt – Schaden durch Raubdrucke erleiden konnte). Mit den Druckerprivilegien waren daher auch die Drucke von Musikwerken geschützt, nicht jedoch die Kompositionen selbst.
Industrialisierung
Kompositionen werden in Gesetzestexten erst 1793 (Frankreich), 1831 (USA), Großbritannien (1842) und Österreich (1847) erwähnt. In Preußen findet sich der Schutz von Kompositionen erstmalig im Gesetz zum Schutz des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung (1837):
Und auch Schranken des Rechts finden in diesem Gesetz explizit Erwähnung:
Gerichte betrachteten um 1860 in Frankreich die Übertragung musikalischer Werkteile (Melodien) auf Spieldosen als unerlaubte Vervielfältigung. Doch die Schweiz, damals führend in der Herstellung von Spieldosen, setzte sich in den internationalen Verhandlungen durch, sodass der Schutz vorerst auf die Verschriftlichung von Kompositionen beschränkt blieb.
Die Verschiedenheit in Art und Länge des Schutzes in den Ländern bewirkte eine internationale Ungleichbehandlungen von Urhebern. Autorenrechte hatten dabei oftmals die Funktion, die kultureller Dominanz einer fremden Nationen abzuwehren. Die internationalen Streitigkeiten führten dann zu einem ersten Abkommen (Berner Übereinkunft 1886) sowie zur gegenseitigen Anerkennung des Urheberrechts (ursprünglich unterzeichnet von Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweiz, Spanien und Tunesien).
Den Spieldosen folgten weitere Reproduktionsmöglichkeiten durch Automaten (Ariston, Herophon, Klariophon, Symphonion, Polyphon, Orpheon usw.). 1888 erging ein erstes Urteil, dass durch mechanische Wiedergabe eine »rasche Abnutzung der Komposition« erfolgen und dadurch ein Verlust eintreten würde.
20. Jahrhundert
Weitere Erschütterungen des Urheberrechts bewirkten einerseits die Fotokopiergeräte und die ›Mechanisierung der Geisteswissenschaften‹ um 1900, andererseits die mechanische Tonaufzeichnung (Phonographen, Grammophon, Kinematographen etc.).
Im Jahr 1900 konnte in Berlin ein Sänger gerichtlich durchsetzen, dass die Aufnahme seiner Stimme nicht gegen seinen Willen verbreitet werden darf. Der Jurist Leo Eger schrieb in seiner Abhandlung Der Phonograph und das Urheberrecht dazu im gleichen Jahr:
Die phonographische Walze ist, wie durchaus festgehalten werden muss, immer die Fixierung eines menschlichen Vortrags. Der Vortrag durch die lebendige Persönlichkeit ist aber wesentlich anders als die mechanische Wiedergabe durch automatisches Erklingenlassen einer Anzahl von Tönen [...] Vielmehr übt der Künstler eine eigene schöpferische Tätigkeit aus und bringt durch Vermählung seiner Individualität mit dem Gebilde des Komponisten ein neues, in mehr als einer Beziehung selbständiges, Werk hervor.
Während LUG 1901 (Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst und KUG 1907 (Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie) noch eine Frist von 30 Jahren vorsahen, wurde diese durch das Gesetz zur Verlängerung der Schutzfristen im Urheberrecht vom 13. Dezember 1934 von 30 auf 50 Jahre verlängert.
21. Jahrhundert
Im Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 sind die verschiedenen Gesetze und Regelungen zusammengeführt worden. Die Länge der Schutzfrist für Autoren beträgt seither 70 Jahre über den Tod hinaus. Die Länge für die Verwandten Schutzrechte wurde zuerst auf 25 Jahre festgelegt; eine Verlängerung dieser Frist erfolgte dann 1995 auf 50 Jahre und 2013 auf 70 Jahre.
Aktuell sehr umstritten sind die Auswirkungen des Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des Digitalen Binnenmarkts vom 4. Juni 2021.
Gesetzestexte seit 1965
Die nachstehende Tabelle zeigt eine Synopse der wichtigen, für die Fristen verantwortlichen Paragraphen des Urheberrechts. In Deutschland hatte der Schutz des Urhebers seit der Einführung des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) am 1. Januar 1966 ein relativ hohes Schutzniveau (= 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers), während die Verwandten Schutzrechte wie das Leistungsschutzrecht für die Hersteller von Tonträgern wiederholt verlängert (und aktuell auf das Schutzniveau des Urhebers) angehoben worden sind. Insbesondere durch die Umsetzung europäischer Richtlinien bzw. Direktiven wurde im Interessenskonflikt zwischen Urhebern und Allgemeinheit immer wieder zugunsten der Individualinteressen und gegen die Allgemeininteressen entschieden.
UrhG vom 9. September 1965 | Drittes Gesetz zur Änderung des Urheberrechts 1995 | Neuntes Gesetz zur Änderung des Urheberrechts 2013 |
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§ 64 Allgemeines(1) Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers. (2) Wird ein nachgelassenes Werk nach Ablauf von sechzig, aber vor Ablauf von siebzig Jahren nach dem Tode des Urhebers veröffentlicht, so erlischt das Urheberrecht erst 10 Jahre nach Veröffentlichung. | § 64 AllgemeinesDas Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers. | § 64 AllgemeinesDas Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers. |
§ 69 Berechnung der FristenDie Fristen dieses Abschnitts beginnen mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem das für den Beginn der Frist maßgebende Ereignis eingetreten ist. | § 69 Berechnung der FristenDie Fristen dieses Abschnitts beginnen mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem das für den Beginn der Frist maßgebende Ereignis eingetreten ist. | § 69 Berechnung der FristenDie Fristen dieses Abschnitts beginnen mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem das für den Beginn der Frist maßgebende Ereignis eingetreten ist. |
§ 85 Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht(1) Der Hersteller eines Tonträgers hat das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten. Ist der Tonträger in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller. Das Recht entsteht nicht durch Vervielfältigung eines Tonträgers. (2) Das Recht erlischt fünfundzwanzig Jahre nach dem Erscheinen des Tonträgers, jedoch bereits fünfundzwanzig Jahre nach der Herstellung, wenn der Tonträger innerhalb dieser Frist nicht erschienen ist. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen. (3) Die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Ersten Teils mit Ausnahme des § 61 sind sinngemäß anzuwenden. | § 85 Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht(1) Der Hersteller eines Tonträgers hat das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten. Ist der Tonträger in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller. Das Recht entsteht nicht durch Vervielfältigung eines Tonträgers. (2) Das Recht erlischt fünfzig Jahre nach dem Erscheinen des Tonträgers oder, wenn seine erste erlaubte Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits fünfzig Jahre nach der Herstellung, wenn der Tonträger innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden ist. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen. (3) § 27 Abs. 2 und 3 sowie die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Ersten Teils mit Ausnahme des § 61 sind entsprechend anzuwenden. | § 85 Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht(1) Der Hersteller eines Tonträgers hat das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Ist der Tonträger in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller. Das Recht entsteht nicht durch Vervielfältigung eines Tonträgers. (2) Das Recht ist übertragbar. Der Tonträgerhersteller kann einem anderen das Recht einräumen, den Tonträger auf einzelne oder alle der ihm vorbehaltenen Nutzungsarten zu nutzen. § 31 und die §§ 33 und 38 gelten entsprechend. (3) Das Recht erlischt 70 Jahre nach dem Erscheinen des Tonträgers. Ist der Tonträger innerhalb von 50 Jahren nach der Herstellung nicht erschienen, aber erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden, so erlischt das Recht 70 Jahre nach dieser. Ist der Tonträger innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden, so erlischt das Recht 50 Jahre nach der Herstellung des Tonträgers. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen. (4) § 10 Abs. 1 und § 27 Abs. 2 und 3 sowie die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 gelten entsprechend. |
Zur Verlängerung der Fristen hat Lawrence Lessig, Rechtsprofessor der Stanford Law School, angesehener Verfassungsrechtler sowie Spezialist für Urheberrecht in einem Interview angemerkt:
Lessig, Lawrence, »Warum rebellieren wir nicht gegen das Copyright?«, Interview mit GOLEM 2004.
Im Jahre 1700 waren praktisch 100 Prozent aller Kulturgüter frei für eine Wiederverwertung oder ein Remix zugänglich. Heute sind es vielleicht noch 2 Prozent, die frei sind. Hier geht es nicht darum, was frei kopierbar ist, sondern einfach um das, was man nehmen und ver-ändern darf […] Die Kulturwelt des 21. Jahrhunderts - also im Grunde die unserer Kinder - besteht nicht mehr nur aus Konsum, hier spielt die Produktion eine ebenso große Rolle. Das Internet und die digitalen Technologien machen es möglich, dass man Inhalte nimmt, sie remixt, verändert und das Ergebnis dann mit Tausenden anderen über das Internet austauscht. Leute des 20. Jahrhunderts haben kein Gespür für diese Kultur - für sie sind Sachen wie Peer-to-Peer-Technologien und Kids, die Songs herunterladen, einfach nur Kriminelle. Aber das 20. Jahrhundert ist tot. Und das 21. Jahrhundert muss einsehen, dass die Gedankenwelt des 20. Jahrhunderts unsere Rechte und unseren Umgang mit Kultur massiv beschneidet.