Kurze Geschichte des Urheberrechts

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vor dem 19. Jahrhundert

Altertum

Im Altertum spielte urheberrechtliches Denken aus verschiedenen Gründen eine untergeordnete Rolle (›von Gott gegeben, von Vorfahren bewahrt‹), obgleich das Verhältnis Autor/Werk gelegentlich thematisiert worden ist. Der Dichter Marcus Valerius Martialis (Martial) soll beispielsweise einen Kollegen, der sich als Autor seiner Schriften ausgegeben hatte, als plagiarius bezeichnet haben.

Mittelalter

Im Mittelalter fand die Wissensproduktion vornehmlich in Klöstern statt, in denen ältere Schriften gesammelt, kommentiert, bearbeitet sowie übersetzt und kopiert wurden. Mit den ersten Gründungen von Fakultäten und Universitäten in Europa (Parma, Bologna, Paris, Oxford, Cambridge u.v.a.) partizipierten diese auch an der Wissensaufbewahrung und -pro­duktion sowie des Handels mit Wissen. Schriften von Autoritäten (bspw. den Kirchenvätern) wurden mit Namensangabe überliefert. Zugleich war es jedoch üblich, Zitate oder Paraphrasierungen (bspw. aus Enzyklopädien) ohne Quellenangabe in Texte einzuflechten. Maler und Bildhauer signierten ihre Werke anfangs kaum, das Kopieren oder Abwandeln von Bildfindungen war gängige Praxis. Dichter und Sänger gaben ihre Texte und Melodien oft mündlich weiter, wobei die Namen berühmter Schöpfer als Qualitätsmerkmal galten.
In der Manessischen Liederhandschrift dagegen au dem 14. Jahrhundert werden die Namen der Dichter angegeben und und sogar bildlich dargestellt (in Abb. unten ist Walther von der Vogelweide zu sehen). Dabei mussten sich die Schreiber um die Rechte anderer Autoren noch keine Gedanken machen.

Codex Manesse, Zürich, ca. 1300 bis ca. 1340 | Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, fol. 123v124r | Public Domain

Renaissance

Mitte des 15. Jahrhunderts erfand Johannes Gutenberg den modernen Buchdruck (mit auswechselbaren Lettern und Druckerpresse). Der Buchdruck als mediale Revolution ermöglichte einerseits eine Demokratisierung des Wissens, an­dererseits auch autokratische Propaganda. Sowohl die wirtschaftlichen Investitionen bzw. Leistungen von Druckern als auch die Absicht der Autoren wurde dabei durch Raubdrucke gefährdet:

Abb. links: Der Buchdrücker, aus: Hozschnitt von Jost Amman in: Eygentliche Beschreibung Aller Stände auff Erden, Frankfurt a. M. 1568. Text rechts: Brief Martin Luthers 1525, in: Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedenken [...], Berlin 1856, S. 69.

Das Problem der Raubkopien führte zu sogenannten Druckerprivilegien, die be­vor­zugten Dru­ckern für den Zeitraum weniger Jahre das ausschließliche Recht zur Herstellung bestimmter Druckerzeugnisse einräumten. Privilegien wurden von den kirch­lichen oder weltlichen Machthabern gewährt und erfüllten die Funktion eines Leistungs­schutzes für bestimmte Druckerzeugnisse in einem bestimmten Herr­schafts­­­­gebiet. Druckerprivilegien dienten somit dem materiellen Schutz und schützten nicht immaterielle Güter wie z.B. das Werk eines Autors (ob­gleich auch das – wie Luther anmerkt – Schaden durch Raubdrucke erleiden konnte). Mit den Druckerprivilegien waren daher auch die Drucke von Musikwerken geschützt, nicht jedoch die Kompositionen selbst.

19. Jahrhundert

Industrialisierung

Kompositionen werden in Gesetzestexten erst 1793 (Frankreich), 1831 (USA), Großbritannien (1842) und Österreich (1847) erwähnt. In Preußen findet sich der Schutz von Kompositionen erstmalig im Gesetz zum Schutz des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung (1837):

Und auch Schranken des Rechts finden in diesem Gesetz explizit Erwähnung:

Gerichte betrachteten um 1860 in Frankreich die Übertragung musikalischer Werkteile (Melodien) auf Spieldosen als unerlaubte Vervielfältigung. Doch die Schweiz, damals führend in der Herstellung von Spieldosen, setzte sich in den internationalen Verhandlungen durch, sodass der Schutz vorerst auf die Verschriftlichung von Kompositionen beschränkt blieb.

Die Verschiedenheit in Art und Länge des Schutzes in den Ländern bewirkte eine internationale Ungleichbehandlungen von Urhebern. Autorenrechte hatten dabei oftmals die Funktion, die kultureller Dominanz einer fremden Nationen abzuwehren. Die internationalen Strei­tig­keiten führten dann zu einem ersten Abkommen (Berner Überein­kunft 1886) sowie zur gegenseitigen Anerken­nung des Urheberrechts (ursprüng­lich un­ter­zeichnet von Belgien, Deutschland, Frankreich, Groß­­britannien, Italien, Schweiz, Spanien und Tunesien).

Den Spieldosen folgten weitere Reproduktionsmöglichkeiten durch Automaten (Ariston, Herophon, Klariophon, Symphonion, Polyphon, Orpheon usw.). 1888 erging ein erstes Urteil, dass durch mechanische Wiedergabe eine »rasche Abnutzung der Komposition« erfolgen und dadurch ein Verlust eintreten würde.

20. Jahrhundert

20. Jahrhundert

Weitere Erschütterungen des Urheberrechts bewirkten einerseits die Fotokopiergeräte und die ›Mechanisierung der Geisteswissenschaften‹ um 1900, andererseits die mechanische Tonaufzeichnung (Phonographen, Grammophon, Kine­matographen etc.).

Im Jahr 1900 konnte in Berlin ein Sänger gerichtlich durchsetzen, dass die Aufnah­me seiner Stimme nicht gegen seinen Willen verbreitet werden darf. Der Jurist Leo Eger schrieb in seiner Abhandlung Der Phonograph und das Urheberrecht dazu im gleichen Jahr:

Die phonographische Walze ist, wie durchaus festgehalten wer­den muss, immer die Fixierung eines menschlichen Vortrags. Der Vortrag durch die lebendige Persönlichkeit ist aber wesentlich anders als die mechanische Wiedergabe durch automatisches Erklingenlassen einer Anzahl von Tönen [...] Vielmehr übt der Künstler eine eigene schöpferische Tätigkeit aus und bringt durch Vermählung seiner Individualität mit dem Gebilde des Komponisten ein neues, in mehr als einer Beziehung selbständiges, Werk hervor.

Während LUG 1901 (Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst und KUG 1907 (Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie) noch eine Frist von 30 Jahren vorsahen, wurde diese durch das Gesetz zur Verlängerung der Schutzfristen im Ur­he­ber­recht vom 13. Dezember 1934 von 30 auf 50 Jahre verlängert.

21. Jahrhundert

21. Jahrhundert

Im Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 sind die verschiedenen Gesetze und Regelungen zusammengeführt worden. Die Länge der Schutzfrist für Autoren beträgt seither 70 Jahre über den Tod hinaus. Die Länge für die Verwandten Schutzrechte wurde zuerst auf 25 Jahre festgelegt; eine Verlängerung dieser Frist erfolgte dann 1995 auf 50 Jahre und 2013 auf 70 Jahre.

Aktuell sehr umstritten sind die Auswirkungen des Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des Digitalen Binnenmarkts vom 4. Juni 2021.