Ein sechsteiliges Expositionsmodell (Begleitmaterialien)

Die zu diesen Materialien gehörige Unterrichtseinheit findest du hier.

Inhalt

Das Modell

Anhand der Exposition der Sinfonie in G-Dur Hob.I:100 (›Militär‹) lässt sich gut ein sechsteiliges Expositionsmodell entwickeln:

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Joseph Haydn, Sinfonie in G-Dur Hob.I:100, 1. Satz, Exposition, Quelle: YouTube

Das Modell dient der Fokussierung von Aufmerksamkeit als Grundlage für Höranalysen in der Klasse und lässt sich auf verschiedene Weise visualisieren, zum Beispiel:

Terminologie

Definitionen

  • Hauptsatz nennt man den ersten Abschnitt einer Sinfonie, der sehr häufig leise (p) oder als f-p-f-p-Kontrast gestaltet worden ist.
  • Überleitung heißt der erste längere laute Abschnitt (forte, Tutti) nach einem Hauptsatz.
  • 1. Seitensatz nennt man den charakteristischen leisen (p) Abschnitt nach einer Überleitung.
  • 1. Schlussgruppe (= Sg) heißt der längere Abschnitt im Forte (f), der nach dem Seitensatz erklingt.
  • 2. Seitensatz nennt man den charakteristischen leisen (p) Abschnitt nach einer 1. Schlussgruppe.
  • 2. Schlussgruppe heißt der Abschnitt im Forte (f), mit dem die Exposition endet.

Die lauten Abschnitte können mit einer sogenannten Crescendo-Walze beginnen und in den lauten Abschnitten können kleine leise Abschnitte vorkommen.

Konkretisierung

Wenn fortgeschrittene höranalytische Kompetenzen und/oder Fähigkeiten im Notenlesen vorhanden sind, lassen sich die Definitionen noch weiter konkretisieren:

  • Ein längerer lauter Abschnitt heißt Überleitung, wenn er mit einem Halbschluss (in der Ausgangstonart oder in der Nebentonart) endet.
  • Ein längerer lauter Abschnitt heißt Schlussgruppe, wenn er mit einem Ganzschluss in der Nebentonart endet.

Diese Definitionen dürften in sehr vielen Fällen brauchbar sein, wobei in sinfonischen Kompositionen zwei Schlussgruppen häufiger anzutreffen sind als zwei Überleitungen. Eine Besonderheit bilden Überleitungen, deren Abschluss in den Noten wie ein Ganzschluss aussieht, der beim Hören jedoch wie ein Halbschluss klingt. Solche Phänomene (wie z.B. am Ende der Überleitung des ersten Satzes des Dissonanzen-Quartetts in C-Dur KV 465 oder am Ende des Vordersatzes der Seitensatzperiode im Kopfsatz der ersten Sinfonie Beethovens Op. 21) sind sehr komplex, lassen sich jedoch analytisch durch graphische Analysen nach Heinrich Schenker erklären.

2.) Sinfonie in D-Dur KV 297 von W. A. Mozart

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W. A. Mozart, Sinfonie in D-Dur KV 297, 1. Satz, Exposition, Quelle: YouTube

Hinweis

Die Exposition lässt sich als sechsteilig (oder mehrteilig) verstehen.

  • Der Hauptsatz dieser Sinfonie ist auf eine charakteristische Art und Weise gestaltet worden, die in der Mozartforschung auch als antithetischer Eröffnungstypus bezeichnet wird. Ein antithetischer Eröffnungstypus besteht aus dem dynamischen Verlauf f-p-f-p, wobei in den Forte-Abschnitten in der Regel ein Tutti-Unisono, in den Piano-Abschnitten hingegen ein Streicherklang (ohne Beteiligung des tiefen Bassregisters) erklingt.
  • Wo der Beginn der Überleitung anzusetzen ist, könnte diskutiert werden, je nachdem, ob man das einsetzende Forte als Beginn der Überleitung oder erst die später erklingende Orchesterwalze als deren Beginn interpretiert:

    In beiden Fällen besteht die Überleitung aus einer längeren Passage im Forte. Sie endet mit einem Halbschluss der Nebentonart (= modulierende Überleitung). Charakteristisch sind die schnellere Bewegung durch Tremolo und/oder Sechzehntelpassagen. Wird der Einsatz im Forte als Beginn der Überleitung interpretiert, erklingt in der Überleitung die Orchesterwalze, die wie ein erneuter Anlauf bzw. Spannungsaufbau wirkt.
  • Der erste Seitensatz ist der längere Abschnitt im Piano nach der Überleitung. Für diese Formfunktion sind wiederum der Klang der hohen Streicher sowie solistische Bläserfarben charakteristisch. Er besteht aus einer Taktgruppe und deren Wiederholung sowie einem weiteren Abschnitt mit Molleintrübung. Interpretation des Seitensatzes als Zusammensetzung aus zwei unabhängigen Taktgruppen oder als Satz sind möglich.
  • Die erste Schlussgruppe ist der Teil der Exposition, in dem das emphatische Schließen stattfindet. Für Schlussgruppen ist das Forte ebenso charakteristisch wie die virtuose Geste z.B. durch schnelle Sechzehntelpassagen (Tremolo und Tonleitern).
  • Der zweite Seitensatz ist wieder eine Taktgruppe mit überwiegendem Streicherklang im Piano.
  • Die zweite Schlussgruppe ist der ersten motivisch ähnlich gestaltet, mit ihr endet die Exposition im Forte.

3. Sinfonie in A-Dur KV 201 von W. A. Mozart

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W. A. Mozart, Sinfonie in A-Dur KV 201
Concertgebouw Chamber Orchestra (live), Quelle: YouTube

Hinweis

Die Exposition lässt sich als sechsteilig verstehen.

  • Der Hauptsatz der Sinfonie ist geprägt durch einen Streicherklang im Piano. Er ist melodisch geprägt durch eine Geste des Aufgehens und sich Zusammenziehens.
  • Die Überleitung bringt die Melodik des Hauptsatzes im Forte. Der Forte-Piano-Wechsel in der Überleitung erklingt nach dem Halbschluss der Ausgangstonart, so dass man im Rahmen einer Notenanalyse den Folge p-f-p-f-Einschub bereits als Formfunktion Seitensatz interpretieren könnte (wie z.B. in der Sinfonie in F-Dur Anh. 223/KV 19a).
  • Einen erkennbaren Seitensatz bildet die längere Taktgruppe im Piano nach dem Halbschluss der Nebentonart. Er ist durch eine satzartige Melodiestruktur und einfache Pendelharmonik (T-D-T) charakterisiert.
  • Die erste Schlussgruppe im Forte führt den ersten Ganzschluss der Nebentonart herbei.
  • Den zweiten Seitensatz kennzeichnet das Spiel mit einem Motiv zwischen den ersten und zweiten Geigen (polyphone Gestaltung).
  • Die zweite Schlusggruppe beginnt mit einer komplexeren Harmonik im Forte, einer deutlichen Kadenz folgen weitere kleinere Kadenzen in der Nebentonart.

4. Sinfonie in F-Dur KV 112 von W. A. Mozart

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W. A. Mozart, Sinfonie in F-Dur KV 112
The Academy of Ancient Music, Ltg.: Christopher Hogwood, Quelle: YouTube

Hinweis

Die Exposition lässt sich als sechsteilig oder vierteilig verstehen (im zuletzt genannten Fall gibt es in der Schlussgruppe einen nach einem Seitensatz klingenden Bereich kurz vor dem Ende der Exposition).

  • Der Hauptsatz dieser Sinfonie ist auf eine charakteristische Art und Weise gestaltet worden, die in der Mozartforschung auch als antithetischer Eröffnungstypus bezeichnet wird. Harmonisch liegt ihm ein bekanntes Generalbassmodell über einem Orgelpunkt zugrunde.
  • Die Überleitung führt im Forte mit einer charakteristischen Harmonik den Halbschluss der Nebentonart (= modulierende Überleitung) herbei.
  • Der Seitensatz besteht aus acht Takten, in denen sich solistische Oboen mit den Streichern abwechseln.
  • Die erste Schlussgruppe im Forte führt über eine Fonte-Sequenz den ersten Ganzschluss der Nebentonart herbei.
  • Der zweite Seitensatz erklingt über einem Orgelpunkt.
  • Die zweite Schlusggruppe ist kurz und besteht nur aus vier Takten im Forte.

5. Ouvertüre zu Ascanio in Alba KV 111 von W. A. Mozart

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W. A. Mozart, Ouvertüre zu Ascanio in Alba in D-Dur KV 111
Concerto Armonico, Ltg.: Jacques Grimbert, Quelle: YouTube

Hinweis

Die Exposition lässt sich als vierteilig verstehen.

  • Der Hauptsatz dieser Sinfonie ist auf eine charakteristische Art und Weise gestaltet worden, die in der Mozartforschung auch als antithetischer Eröffnungstypus bezeichnet wird.
  • Die Überleitung beginnt mit einer großen Orchesterwalze und führt im Forte mit einer charakteristischen Harmonik den Halbschluss der Nebentonart (= modulierende Überleitung) herbei.
  • Der Seitensatz besteht aus drei Viertaktgruppen im Piano.
  • Die Schlussgruppe im Forte führt den ersten Ganzschluss der Nebentonart und das Ende der Exposition herbei.

Weitere Aufgaben

  • W. A. Mozart, Sinfonie in F-Dur KV 112, 1. Satz, Expositon