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Der Parallelismus

Das Sequenzmodell des folgenden Tutorials ist umgangssprachlich als Pachelbel-Sequenz bekannt (z.B. in Reinhard Amon, Lexikon der Harmonielehre, S. 238). Carl Dahlhaus hat dieses Satzmodell in seiner Habilitationsschrift (Untersuchungen über die Entstehung der harmonischen Tonalität, Kassel 1962, S. 88−93) als Parallelismus bezeichnet. In Anlehnung an Carl Dahlhaus wird dieser Begriff auch in diesem Beitrag verwendet.

Dem Modell des Parallelismus liegen parallel geführte Terzen (oder Sexten) zu Grunde:

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Schon im 15. Jahrhundert beschreibt Guilelmus Monachus in seinem Traktat De preceptis artis musice et pratice compendiosus libellus eine einfache Mehrstimmigkeit ("regula ad componendum cum tribus vocibus" / Regeln zum Komponieren mit drei Stimmen). Diese entsteht durch parallele Terzen (oder Sexten) und eine Bassstimme, in der sich ein Quint- oder Quartsprung mit einem Sekundschritt abwechseln (›Zick-Zack‹-Bassstimme). Diese Unterstimme bildet zur Oberstimme der Terzparallelen einen Intervallsatz, in dem sich regelmäßig Terzen und reine Quinten abwechseln:

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Zu der Obrstimmme in Sexten entsteht ein Intervallsatz, in dem sich Oktaven und Terzen regelmäßig abwechseln:

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Beim Hören werden diese Sequenzen als terzweise fallend oder terzweise steigend wahrgenommen:

Hierin unterscheidet sich der Parallelismus grundlegend von anderen Satzmodellen wie z.B. der Quintfallsequenz oder der chromatischen 5-6-Konsekutive aufwärts, für die eine sekundweise fallende bzw. steigende Bewegung charakteristisch sind.

Die Chromatisierung des Parallelismus

Der Begriff ›Chromatik‹ kommt vom grischischen χρῶμα (= Farbe). Das wird umittelbar verständlich, wenn man sich die folgende Gegenüberstellung anschaut:

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In dem linken Beispiel ist ein einfacher Parallelismus zu sehen, darunter die zu den Akkorden gehörigen Funktions- und Stufensymbole.

Im rechten Beispiel wurden nun lediglich einige Töne chromatisiert bzw. verfärbt, was das satztechnische Modell nicht substantiell verändert (die ›Mechanik‹ des kontrapunktischen Modells funktioniert noch genauso wie vorher und das Intervallverhältnis zwischen den Stimmen lässt sich noch mithilfe der gleichen Intervallklassen verstehen).
Im rechten Beispiel kann man dagegen sehen, dass sich durch die Chromatisierung die Stufen- und Funktionsdeutung der Klänge geändert hat. Während aus satztechnischer Sicht das Modell also lediglich verfärbt worden ist, hat es seien Bedeutung aus Sicht der Harmonielehre bzw. der Funktions- oder Stufentheorie substantiell verändert.

Der Parallelismus mit Synkopen

Im Parallelismus können die Terzparallelen der Oberstimmen durch Synkopierung zu einer 2-3- bzw. 6-7-Synkopenkette verändert werden:

Durch die Synkopenstimme entstehen im dreistimmigen Modell bzw. zum Bass wechselweise Quart- und Nonenvorhalte:

Bei einem abwärtsführenden Parallelismus mit Synkopendissonanzen bildet die Auflösung der dissonierende Stimme die Vorbereitung der folgenden Dissonanz. Bei einem aufwärtsführenden Parallelismus mit Synkopendissonanzen ist das nicht möglich. Liegen in einem kontrapunktisch strengen Satz die Stimmen dicht beieinander, kann sogar ein Stimmtausch notwendig sein (rechtes Beispiel):