Charles Ives: Remembrance
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Mit Remembrance für Singstimme und Klavier des amerikanischen Komponisten Charles Ives (1874–1954) liegt eines der kürzesten Kunstlieder der Kompositionsgeschichte vor – es umfasst nur 9 Takte. Ives stellt dem Lied folgendes Zitat des britischen Romantikers William Wordsworth voran:
The music in my heart I bore, long after it was heard no more.
(William Wordsworth, The Solitary Reaper)
Kurz ist auch der Text des Lieds – der Klang eines entfernten Horns über einem schattigen See, in Gedenken an Charles Ives' Vater, der verstarb, als der junge Charlie 17 Jahre alt war. Das Lied Remembrance komponierte Ives allerdings erst viele Jahre später 1921 als Erinnerung:
A sound of a distant horn, o'er shadowed lake is borne, my father's song.
(Charles E. Ives, Remembrance, in: 114 Songs, Redding 1922, Repr. Associated Music Publishers u.a.: New York 1975, S. 27)

Ein See in Connecticut, 16 km nördlich von Danbury, dem Geburtsort von Charles Ives | Foto: David Mark, Quelle: pixabay
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Ch. E. Ives, Remembrance, in: 114 Songs, Redding 1922, Repr. Associated Music Publishers u.a.: New York 1975, S. 27, T. 1-4.
"Remembrance", interpretiert von Roberta Alexander
Analyse des Notenbeispiels Remembrance von Charles Ives (T. 1–4):
Der Beginn des Lieds zeigt in der Singstimme ein melodisches Motiv im Quintambitus von G-Dur, das von der Oberstimme des Klaviers wie in einem Kanon beantwortet wird. Das Intervall der Quinte spielt auch in den unteren beiden Systemen der Klavierstimme eine zentrale Rolle, wie man an der wellenförmigen Achtelbewegung gut erkennen kann. Die Klavierbegleitung verläuft von T. 1–3 in reinen Quintkaskaden und durchbricht damit auch das harmonische Gerüst der in G-Dur gehaltenen Melodie. In seinem Aufsatz „Die Musik und ihre Zukunft" spricht Ives über folgende innovative Klangvorstellung:
Ein Horn, das über einen See herüberklingt, erzeugt einen Klang und eine Stimmung, die sich nur schwer auf andere Weise erzielen lassen. Man hat schon angeregt, zur Erzeugung eines solchen Effekts das Radio zu verwenden. Doch dieses funktioniert auf ganz andere Art und Weise und vermittelt kaum etwas von der angestrebten ätherischen Klangqualität.
(Charles Ives: Music and its Future (1933), dt. Die Musik und ihre Zukunft, in: Amerikanische Musik seit Charles Ives, hg. v. Hermann Danuser u.a., Laaber 1987, ²1993, S. 201–205, S. 201f.)
Es ist anzunehmen, dass Ives für die Melodie der Singstimme den Beginn des Lieds Kathleen Mavourneen, komponiert 1837 von Frederick Crouch, entlehnt. Dieses Lied war während des amerikanischen Bürgerkriegs, an dem Charles Ives' Vater übrigens als Bandleader der Nordstaaten-Truppen teilgenommen hatte, ein sehr populärer Song gewesen, der viel gesungen wurde. Im Filmausschnitt sieht man eine Szene aus dem Historiendrama Gods and Generals über den amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865) mit dem Lied Kathleen Mavourneen:
Aufgaben:
- Höre eine Interpretation von Remembrance. Notiere Deinen ersten Eindruck, z.B. zu Tempo und Dynamik.
- Vergleiche die Melodiegestaltung des jeweiligen Beginns (1. Phrase) von Remembrance und Kathleen Mavourneen. Höre dazu Remembrance erneut an. Schaue Dir den Filmausschnitt aus dem Historiendrama zum amerikanischen Bürgerkrieg Gods and Generals an – hier wird das Lied Kathleen Mavourneen am Klavier von einem Vater und seiner Tochter gesungen.
- Verfasse ein kurzes Essay zu Remembrance, das Erkenntnisse zum Liedtext, zur Melodiegestaltung, zu den Hintergründen der Komposition und vor allem Deinen persönlichen Höreindruck beinhaltet.