Diese Stunde ist Teil einer Unterrichtssequenz zum Thema Graphische Notation in der Neuen Musik.
7. Stunde: Unterrichtsgespräch über zwei Videos, Lesen von Texten
Ziel: Kritische Reflexion des eigenen Werkes sowie Diskussion über den Kunstbegriff Neuer Musik
Die Kreisdiagramme zeigen keine 60-Minuten-Stunden, sondern eine ungefähre prozentuale Zeiteinteilung für eine normale Unterrichtsstunde mit 45 Minuten. Da Klassen immer unterschiedlich auf Unterrichtsinhalte und -gegenstände sowie Arbeitsaufträge und Interaktionen reagieren, soll dieses Zeitmanagement zur Orientierung dienen. Kurze Phasen sollen ca. fünf Minuten nicht überdauern, längere Phasen können zwischen 10 und 20 Minuten liegen.
Die Stunde beginnt direkt mit der Präsentation des Videos das in den beiden Vorstunden eingespielt wurde. Die Schülerinnen und Schüler erhalten dazu keinen speziellen Arbeitsauftrag. Nach dieser Vorführung kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit – ohne Eingreifen der Lehrkraft – ein Austausch über individuelle Bewertungen, ästhetisches Empfinden und eventuell erste Vergleiche zustande. Die Lehrkraft moderiert dabei, ohne selbst zu dominant zu sein. Im Mittelpunkt steht eine kritische Evaluation der Komposition.
Falls die Klasse für dieses kritische Reflektieren der eigenen Komposition eine Hilfestellung benötigt, ist es möglich, den Arbeitsauftrag zu stellen, den Film auf folgende drei Aspekte zu überdenken:
(1) Was ist uns gut gelungen?
(2) Was ist meiner Meinung nach unstimmig oder gar schlecht?
(3) Wie könnten wir es verbessern?
Insbesondere reflektive Momente sollen von der lehrenden Person in einem Unterrichtsgespräch gefördert werden. Ziel ist hier einerseits eine Beschäftigung mit dem eigenen Werk, die über ein Produzieren hinausgeht und andere Wahrnehmungsperspektiven in den Blick nimmt, und andererseits – damit natürlich einhergehend – Abstand zu dem eigenen Werk zu gewinnen und somit u.a. eine ästhetische Rationalität zu unterstützen.
Sollte der folgende Aspekt nicht bereits in der vorhergehenden Phase aufgekommen sein (und die Lehrkraft dies aufgegriffen haben), so ist nun der Zeitpunkt, die Schülerinnen und Schüler mit der ernsthaften Frage »Ist das Kunst?« zu konfrontieren. In der Regel einigen sich die Schülerinnen und Schüler schnell mit vielfältigen Argumenten dafür und wollen ihr Werk als Kunst ausgewiesen wissen. Um Widersprüche zu erzeugen, kann die Lehrkraft den ›Advocatus Diaboli‹ spielen. Sollten bereits Widersprüche vorhanden sein, so sind durch eine auffangende Moderation die unterschiedlichen Ansichten zu fördern.
Sollte tatsächlich auf die Frage »Ist das Kunst?« eher Schweigen herrschen, so kann die Lehrkraft mit dem Lesen von Texten (Arbeitsbaltt 5) Impulse geben, um Meinungen zu diesem Thema zu gewinnen.
Mini-Ansicht Arbeitsblatt 5: Was ist Kunst?
Die Textausschnitte artikulieren drei unterschiedliche Perspektiven. Grob skizziert:
(1) Kunst ist das, was man selbst als solche wahrnimmt.
(2) Kunst ist das, was ein Künstler schafft.
(3) Kunst ist das, was von der Gesellschaft als solche deklariert wird.
Die Auswahl der Texte ist insofern angemessen, als diese für eine 10. Klasse nicht zu schwierig sind und kurze, teils konträre Ansichten vertreten. Dies erleichtert eine Texterschließung sowie eine Diskussion darüber. Das Gespräch in dieser Phase sollte so offen sein, dass individuelle Meinungsäußerungen einen Platz finden. Aufgabe der Lehrkraft ist es, eine Nachvollziehbarkeit dieser Ansichten zu fordern und zu fördern, sowie das für die jeweilige Klasse angemessene Changieren zwischen diesen beiden Arten der Meinungsäußerung zu gestalten.
Nun folgen ein weiteres Video und die Diskussion darum. Der Film zeigt den Kabarettisten Hape Kerkeling, wie er in der Maske eines polnischen Opernsängers ein ›expressives Stück‹ vorträgt, eine Parodie auf Neue Musik. Die Parodie weitet sich allerdings aus und schließt das nicht eingeweihten Publikum bzw. Gesellschaft ein, indem ihm bzw. ihr das Fehlen eines »intellektuellen Zugangs« als Voraussetzung für das Nichtverstehen vorgehalten wird. Dieses Video ermöglicht unterschiedliche Blickwinkel auf Neue Musik und ihre Rezeption. Übergeordnetere Standpunkte können somit die Schülerinnen und Schüler zum Nachdenken anregen.
Video zu Hurz!
Das Video bei Youtube darf nicht auf anderen Websiten verlinkt werden und zeigt nur die Aufführung von Hurz!, aber nicht die wichtige anschließende Publikumsdiskussion, eine komplette Version ist auf einer anderne Plattform einsehbar:
Die letzten Minuten sind für eine Rekapitulation der gesamten Unterrichtssequenz reserviert. Dazu zeichnet die Lehrkraft nochmals das Tafelbild 1 an die Tafel und bittet die Schülerinnen und Schüler zusammenzufassen, in welchen Kontexten diese Graphik in den letzten sieben Stunden eine Rolle gespielt hatte. Ob die Schülerinnen und Schüler sich nun chronologisch an diese Kontexte erinnern oder nicht, ist nicht von Belang. Allein den Nachvollzug der letzten Stunden ist sinnvoll, um eine Art Überblick über das Thema zu geben, welcher Schülerinnen und Schüler im Schulalltag oftmals fehlt.
Mögliches Tafelbild, das aus dem Tafelbild 1 entstehen könnte.
Mögliche Tafelbilder und Zuordnung zu den besprochenen Kontexten
Anschlussmöglichkeiten
Falls die Lehrkraft Wert auf einen möglichst verbindenden Unterricht legt, der keine abgeschlossenen Themen fokussiert, sondern fließende Übergänge, so könnten beispielsweise bestimmte Themen der Unterrichtssequenz folgen und somit einen unmittelbaren Anschluss schaffen. Beispielsweise könnte als Anschluss das Phänomen des Zufalls im Unterricht eine Rolle spielen und die graphische Partitur von John Cages Fontana Mix genauer untersucht werden. Somit wäre ein Übergang zwischen graphischen Partituren, Neuer Musik und dem Phänomen des Zufalls geschaffen.
Eine andere unmittelbare Anschlussmöglichkeit wäre, nun explizit elektronische Musik in den Fokus zu nehmen und die Klangerzeugung sowie den Einsatz dieser Musik zu besprechen. Doch auch synästhetische Phänomene, wie beispielsweise die Auslegungen von Kandinsky zu Farben und Formen sowie die Rezeption seines Bildes Trüber Aufstieg könnten im Unterricht behandelt werden.
Fontana Mix John Cage
Ein kleines Bild der Partitur sowie einen kurzen Text über die Handhabung damit ist hier zu finden.
Zwei Hörbeispiele unten.
John Cage Fontana Mix - Original Vinyl
A realisation of John Cage's 1958 composition Fontana Mix by Dominic Lash
utilising overdubbed double bass parts.
Trüber Aufstieg Wassily Kandinsky
Wassily Kandinsky Trüber Aufstieg - wikimedia