Modelle richtig benutzen oder: Die Vielfalt der Musik!

Inhalt

In den vorangegangenen Unterrichtseinheiten habt ihr Modelle entwickelt und verwendet, um Expositionen von Sinfonien hören und deren Verlauf besser verstehen zu können. Die Expositionsmodelle wiederum gehören zu einem Modell, das in der musikalischen Formenlehre als Sonatenhauptsatzform bezeichnet wird.

Habt ihr euch schon einmal Gedanken gemacht, wie ihr im Alltag den Begriff Modell verwendet? In dieser Unterrichtseinheit geht es darum zu untersuchen, wie der Modell-Begriff in Verbindung mit Musik verwendet wird und wie er demgegenüber verwendet werden könnte. Hierzu könnt ihr euch mit den Materialien der folgenden Stationen beschäftigen.

Station 1

1. Station

Hinweis

Die Sonatenform bzw. Sonatenhauptsatzform ist ein Modell der musikalischen Formenlehre. Beschäftigt euch anhand der folgenden Zitate aus aktuellen Schulbüchern damit, wie das Formmodell erklärt wird:

  • Beispiel 1:

Als Sonatensatzform bezeichnet man eine Formidee, die in der Wiener Klassik mustergültig ausgebildet wurde: Zwei oder auch mehr Themen stehen im Mittelpunkt der Musik. Sie werden einander gegenübergestellt und dann in einer ›Durchführung‹ motivisch verarbeitet

  • Beispiel 2:

Einzelne Sätze haben eine bestimmte Form, eine Gliederung, die sich im 18. Jahrhundert herausbildete: die Sonatenhauptsatzform.

  • Beispiel 3:

Als Sonatenhauptsatzform bezeichnet man eine Formidee, die in der Wiener Klassik mustergültig ausgebildet wurde: Meist stehen zwei gegensätzliche Themen im Mittelpunkt der Musik.

  • Beispiel 4:

Das Streben nach Ausgewogenheit in Inhalt und Form sind Ideale der Klassik (lat. classicus, mustergültig, vollkommen). In diesem Sinne bildete sich auch die Sonatenhauptsatzform (abgekürzt SHS) aus, in der zwei gegensätzliche Themen einander gegenübergestellt werden. Daraus resultiert ein musikalischer Gegensatz oder Konflikt, den der Komponist lösen muss.

  • Beispiel 5:

Ludwig van Beethoven (1770–1827) verwendet in vielen seiner Werke eine musikalische Form, die den Verlauf einer Debatte nachvollzieht. Dies war ein in der Zeit der Klassik neu etabliertes Kompostionsmodell, das sich bald als wegweisende musikalische Gestaltungsidee durchsetzte. [...] In der Sonatenform werden meist gegensätzliche musikalische Themen gegenübergestellt und im späteren Verlauf verarbeitet. Somit ist sie eine Art musikalisches Streitgespräch.

  • Beispiel 6:

Drei Formteile bilden das (oftmals variierte) Grundgerüst der Sonatenhauptsatzform [...] Ein charakteristisches Merkmal des Sonatenhauptsatzes ist die Verwendung zweier Themen, die in vielfacher Hinsicht gegensätzlich gestaltet sind (»Themen-Dualismus«)

Aufgaben zu den Zitaten aus den Schulbüchern

Wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr das in den Zitaten Gesagte gut versteht, beantwortet die folgenden Fragen:

  • Wie alt ist das musikalische Modell der Sonatenhauptsatzform?
  • Welchen Sinn hat das Modell der Sonatenhauptsatzform?
  • Wer benutzt das Modell der Sonatenhauptsatzform und wofür?
Hinweis

Als nächstes beschäftigt euch noch mit einem Zitat von Herbert Stachowiak, der ein deutscher Philosoph war und eine allgemeine Modelltheorie entwickelt hat. Er schreibt:

Modelle sind stets Modelle von etwas, nämlich Abbildungen, Repräsentationen natürlicher oder künstlicher Originale [...]

Modelle erfassen im allgemeinen nicht alle Attribute des durch sie repräsentierten Originals, sondern nur solche, die den jeweiligen Modellerschaffern und/oder Modellbenutzern relevant scheinen [...]

Eine pragmatisch vollständige Bestimmung des Modellbegriffs hat nicht nur die Frage zu berücksichtigen, wovon etwas Modell ist, sondern auch, für wen, wann und wozu bezüglich seiner je spezifischen Funktionen es Modell ist.

Herbert Stachowiak, Allgemeine Modelltheorie, Wien 1973, S. 131−133.

Zugegeben, dieser Text ist nicht ganz einfach. Hier findet ihr Erläuterungen zu einigen Begriffen, die Stachowiak verwendet:

Fremdwort

Bedeutung

Beispiel

Repräsentation

Vorstellung, Darstellung, Vergegenwärtigung, Wiedergabe

Ein Fahrrad kann z.B. als Darstellung des Radsports dienen oder umweltfreundliche Verkehrsmittel vergegenwärtigen. Die Luxusausführung eines Rads soll vielleicht zeigen, dass jemand genug Geld für eine (unnötig) teure Anschaffung hat.

natürliche oder künstliche Originale

Mit dem Original ist hier der Bezugspunkt des Modells gemeint. Der kann im Bereich der Natur liegen oder künstlich sein, also vom Menschen geschaffen.

Wir könnten z.B. vom Fahrrad als Original ausgehen und als Modell ein kleines Fahrrad im 3D-Drucker erstellen.

Attribut

charakteristische Eigenschaft, Kennzeichen

Die Zweirädrigkeit ist ein Attribut des Fahrrads. Die Fahrradklingel ist auch eins.

Aufgabe zum Zitat aus der Forschung

Wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr gut versteht, was Stachowiak über Modelle sagt, beantwortet die drei genannten Fragen, die ihr bereits für das Modell der Sonatenhauptsatzform beantwortet habt, auch für das Modell-Verständnis von Stachowiak:

  • Wie alt sind Modelle?
  • Welchen Sinn haben Modelle?
  • Wer benutzt Modelle und wofür?

Hinweis
  • Vergleicht die Modell-Vorstellung der Sonatenhauptsatzform aus Schulbüchern mit der Modell-Vorstellung von Stachowiak aus der Forschung.
  • Benennt Unterschiede zwischen der Verwendung von Modellen im Schul- und im Forschungskontext.
  • Worin könnten eurer Meinung nach Probleme liegen, wollte man den Modell-Begriff aus der Forschung in der Schule verwenden?

Station 2

2. Station

Lest euch zuerst folgenden Artikel durch:
Wozu brauchen wir Modelle?
und beantwortet dann folgende Fragen:

  • Warum kann man bei einem Stadtplan von einem Modell sprechen?
  • Wer braucht wann und wozu einen Stadtplan?
  • Habt ihr schon mal eine Situation erlebt, in der euch der Stadtplan bei der Findung des richtigen Weges nicht weitergeholfen hat? Warum?
  • Was unterscheidet einen Stadtplan von einem Steckennetzplan des öffentlichen Nahverkehrs? Oder von einer Höhenprofilkarte?

Formuliert nun in euren eigenen Worten:

  • Was macht ein gutes Modell aus?

Station 3

3. Station

Modelle können in der Wissenschaft nicht nur »Abbildungen, Repräsentationen natürlicher oder künstlicher Originale« sein (s. oben, Herbert Stachowiak, Allgemeine Modelltheorie, Wien 1973, S. 131−133.), sondern auch rein abstrakte Darstellungen wie beispielsweise Theorien oder Gleichungen (vergleicht hierzu Definitionen von Modellbegriffen, wie ihr sie auch in Internet-Lexika finden könnt).

Solche Modelle kennt ihr und die Fragen, die dem Modell-Verständnis von Stachowiak zugrunde liegen, habt ihr euch bestimmt schon oft gefragt:

  • Wer braucht sie?
  • Wann braucht man sie?
  • Wozu braucht man sie?

Diese Fragen sind also nicht ›nervend‹ oder dem Unterrichtsinhalt gegenüber ›aufmüpfig‹, sondern für Funktion und Anwendung eines Modells äußerst wichtig!
Wenn Aufgaben und Vergleich der Station 2 für euch klar sind, versucht euch doch an einem weiteren Modell, das etwas abstrakter ist. In der folgenden Abbildung seht ihr zwei geometrische Figuren:

Aufgabe zu den geometrischen Figuren

Angenommen, ihr würdet forschen und eure Forschungsaufgabe bestände darin, die geometrische Figur rechts zu beschreiben und euer Wissen über diese Form zu erweitern.

  • Welche Aussagen könnt ihr über die geometrische Figur rechts machen, wenn ihr sie nur anschaut?
  • Gibt es darüber hinaus eine Aussage über die geometrische Figur rechts, wenn ihr das Kreismodell links zu Hilfe nehmt?
  • Wie könnte ein abstraktes Modell aussehen, das man zur Berechnung der Fläche der geometrischen Figur rechts verwenden könnte?

Wenn ihr die Fragen oben für euch beantwortet habt und das Gefühl habt, in eurem Versändnis zu abstrakten Modellen weitergekommen zu sein, dann geht folgenden Fragen nach:

  • Wer kann ein Kreismodell bei dieser Forschungsaufgabe brauchen? Wer das abstrakte Modell?
  • Wann braucht man was? (Gab es vielleicht auch in der Menschheitsgeschichte Zeitintervalle in der das eine oder das andere Modell verwendet wurde?)
  • Wozu braucht man das jeweilige Modell? Welche Vorteile haben sie jeweils?

Und nun die letzte Frage:

  • Müssen ein Modell und ein Gegenstand, den man mit diesem Modell vermessen will, sich ähnlich sein oder ist das nicht notwendig?

Station 4

4. Station

Ziel an dieser vierten Station ist es, zu recherchieren, ob es zu einem Thema der Musik bereits ein Modell gibt und ob dieses Modell zum Verständnis der Musik hilfreich ist. Das Thema lautet:

Hinweis

Die Form eines Menuetts

Doch was ist überhaupt ein Menuett? Im Lexikon findet man zum Thema Menuett den Eintrag:

Das Menuett gehört als Instrumentalsatz zu den bedeutendsten Erscheinungen der Kompositionsgeschichte des 18. Jahrhunderts. Als aristokratischer Gesellschaftstanz schlechthin hat es nicht nur über 100 Jahre lang die Ballsäle Europas beherrscht. Es wurde auch zum Inbegriff einer kompositorischen Entwicklung, die in der Wiener Klassik ihren Höhepunkt erreichte.

Wolfram Steinbeck, Artikel »Menuett«, »Das Menuett in der Instrumentalmusik«, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016 ff., zuerst veröffentlicht 1997.

Das folgende Menuett wurde um 1750 in Notenbüchern in Salzburg verwendet, um Schülerinnen und Schüler das Klavierspielen und Komponieren beizubringen. Es findet sich auch in dem sogenannten ›Nannerl‹-Notenbuch, mit dem W. A. Mozart ab seinem vierten Lebensjahr geübt hat:

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Aufgaben zum Menuett

  • Recherchiert im Internet, ob es Modelle gibt, mit denen die Form von Menuetten beschrieben wird.
  • Testet diese Modelle, ob ihr damit die Form des Menuetts aus dem ›Nannerl‹-Notenbuch besser verstehen könnt.
  • Begründet, was ihr an dem besten Modell zur Erklärung der Form eines Menuetts gut findet und ob es etwas zu verbessern gibt.