Didaktik der Popmusik am Beispiel des Parallelismus

In diesem Tutorial findest du Hilfen, wie man praktisch musizierend – also über über singen oder spielen in einer Gruppe – die Harmonik von Popsongs erfahrbar machen kann. Als Beispiel dienen in diesem Tutorial Songs, die sich durch den Pachelbel-Kanon (Parallelismus) oder chromatische Varianten des Modells erarbeiten lassen.

Inhalt

Modelle

Das Pachelbel-Modell (Parallelismus)

Das Grundmodell

Die Harmonik des Pachelbel-Kanons lässt sich über ein Satzmodell verstehen, dass in der Musiktheorie als Parallelismus bezeichnet wird. Es besteht in C-Dur aus zwei Tonleiterausschnitten (c-e und e-g) sowie einem Quartfall, der transponiert wird (Zick-Zack-Stimme). Die folgende Abbildung zeigt das Modell in zwei verschiedenen Ausprägungen:

  • Grundform (links)
    • Tonleiterausschnitte von der Terz aus beginnend in der Oberstimme (grün)
    • Tonleiterausschnitte vom Grundton aus beginnend in der Mittelstimme (blau) und
    • Zick-Zack-Stimme im Bass und der vom Grundton aus beginnenden Tonleiter im Bass (rot)
  • mit Stimmtausch (rechts)
    • Tonleiterausschnitte von der Terz aus beginnend in der Oberstimme (grün)
    • Zick-Zack-Stimme im Bass und der vom Grundton aus beginnenden Tonleiter in der Mittelstimme (rot) und
    • Tonleiterausschnitte vom Grundton aus beginnend im Bass (blau).
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Ist man bereit, die Quartsextakkorde zu akzeptieren, die auftreten, wenn der auf der Terz beginnende Tonleiterauschnitt in der Unterstimme liegt, dann lässt sich das Modell als Kanon singen:

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Eine Alternative bestände darin, die Männerstimmen nur den dritten Dreitakter (rot, auch instrumental möglich) als Ostinato wie im Kanon von Pachelbel singen zu lassen, während die zwei Frauenstimmen die ersten beiden Dreitakter als Kanon singen. Modifikationen aufgrund einer zu hohen oder tiefen Klanglage, wenn das Modell in anderen Tonarten gesungen wird, sind selbstverständlich möglich.

Beispiele

Beispiele für den Unterricht

Bee Gees – Spicks And Specks

Der Song Spicks And Specks wurde als zweite Single der Bee Gees im Jahr 1966 veröffentlicht und in Australien, dem Heimatland der Band, ein Nummer-1-Hit. Dieser Erfolg bewirkte, dass All Of My Life von dem in Planung befindlichen Album Monday’s Rain gegen Spicks And Specks ausgetauscht und das Album nach dem erfolgreichen Titel benannt worden ist.
Formal lässt sich Spicks And Specks als Verseform verstehen, als spannungssteigerndes Moment des Songs dient die Transposition des Verse-Formteils (wie z.B. auch in Sunny von Bobby Hebb). Die Harmonik des Parallelismus ist durch die Tonrepetitionen im Klavier deutlich zu erkennen.

Verse
Verse
Verse
Verse
Verse
Verse
Verse
Verse
Verse
Outro
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Bee Gees – Spicks And Specks, Musik und Text: Barry Gibb, Quelle: YouTube.

Puhdys – Wenn ein Mensch lange Zeit lebt

Dieser Song, geschrieben von dem Komponisten Peter Gotthardt für die Rockband Puhdys, wurde in dem Film Die Legende von Paul und Paula verwendet. Da dieser Film seinerzeit zu den erfolgreichsten Produktionen der DEFA-Filmstudios gehörte, wurde der Song insbesondere in der DDR sehr populär. Es ist bekannt, dass gegen Ende der 1960er Jahre die Produktion deutschsprachiger Popmusik in der DDR gefördert worden ist, um sich von der »Dekadenz« westlicher Rockmusik abzugrenzen (und sicherlich auch, um Tantiemen-Zahlungen in das kapitalistische Ausland zu verhindern). Das dürfte auch ein Grund dafür sein, warum es viele Beispiele deutschsprachiger Rockmusik aus der DDR gibt, bei denen es nicht schwer ist, prominente Vorbilder aus dem englischsprachigen Ausland auszumachen. Die Ähnlichkeit der Songs Spicks And Specks und Wenn ein Mensch lange Zeit lebt ist offensichtlich:

Intro
Verse
Verse
Interlude
Verse
Verse
Interlude
Verse
Interlude
Verse
Interlude
Verse
Interlude
Verse
Verse
Verse
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Puhdys – Wenn ein Mensch lebt, Musik und Text: Peter Gotthardt, Quelle: YouTube.

Leo Sayer – The Show Must Go On

Leo Sayer war ein britischer Singer-Songwriter, der 1973 mit dem Song The Show Must Go On einen ersten großen Erfolg feiern konnte. Weitere Erfolge waren bis 1983 u.a. die beiden US-Chart-Hits You Make Me Feel Like Dancing (1976) und When I Need You (1977). Bis heute ist der in Australien lebende Leo Sayer musikalisch aktiv. Der Parallelismus prägt die gesamte harmonische Struktur des Songs, ist durch die asymmetrischen Wiederholungen jedoch nicht so offensichtlich wie in den vorangegangenen Beispielen. Die folge F-C erklingt zweimal ganztaktig, die demgegenüber kontrastierende Harmonik d-a wird beschleunigt und erklingt dreimal, die letzte Stationen nur einmal in Verbindung mit der Refrainzeile »The Show Must Go On«. Die Pause zwischen den Verse-Formteilen ist genau einen Takt lang:

Verse
Verse
Verse
Verse
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Leo Sayer – The Show Must Go On, Musik und Text: Leo Sayer und David Courtney, Quelle: YouTube.

The Beatles – I Want To Hold Your Hand

Dieser Song war Lennon/MacCartney wurde 1963 als fünfte Single der Band The Beatles veröffentlicht und konnte sich über Wochen in den amerikanischen, britischen und deutschen Charts an erster Stelle halten. Der Song lässt sich angemessen über die Verse-Bridge-Form verstehen, die historisch ihre Wurzeln in der amerikanischen Popularmusik vor dem Zeiten Weltkrieg hat.

Intro
Verse
Verse
Bridge
Verse
Bridge
Verse
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The Beatles – I Want To Hold Your Hand, Musik und Text: John Lennon und Paul McCartney, Quelle: YouTube.

Maroon 5 – Memories

Der Song Memories von Maroon 5 erschien 2019 und hielt sich wochenlang in den internationalen Charts. Harmonisch und auch melodisch ist der Song stark an den Kanon von Pachelbel angelehnt, das folgende Modell lässt sich daher (transponiert) zu beiden Stücken singen:

Intro
A
A
B
B
C
A
A
D
A
A
C
A
A
D
D
Outro
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Maroon 5 – Memories, Musik und Text: Vincent Ford, Adam Levine, Jordan Johnson, Jacob Kasher Hindlin, Jonathan Bellion, Stefan Johnson und Michael Pollack, Quelle: YouTube.

Chromatik

Farbe (Chromatik) im Parallelismus

Die folgende Abbildung zeigt eine Verfärbung (Chromatisierung) des Pachelbel-Modells (links) sowie diese Variante mit grundständigen Akkorden:

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Elvis Presley – Let It Be Me

Der Popsong Let It Be Me wurde ursprünglich 1955 als Je T'Appartiens veröffentlicht, gesungen von Gilbert Bécaud in französischer Sprache. Bekannt wurde der Song 1960 über die englische Version der Everly Brothers, 1964 dann in der Version mit Betty Everett und Jerry Butler und 1969 über die nachfolgende Version mit Elvis Presley. In der Aufnahme ist eine orchestrierte Fassung des Songs, gespielt vom renommierten Royal Philharmonic Orchestra, zu hören. Der an einer Stelle chromatisierte Parallelismus prägt den Verse-Formteil:

Intro
Verse
Verse
Bridge
Verse
Verse
Bridge
Verse
part. Verse
Verse
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Elvis Presley – Let It Be Me, Musik und Text: Gilbert Bécaud und Mann Curtis, Quelle: YouTube.