(no ratings)

Dominanten und die Sixte ajoutée

(bzw. der Rameausche Quintsextakkord)

Jean-Philippe Rameau war ein berühmter französischer Komponist, Musiktheoretiker und einer der Gründungsväter unserer heutigen Harmonielehre. Jean-Baptiste le Rond d’Alembert, der als Mathematiker, Physiker und Philosoph ein großes Interesse an wissenschaftlichen Überlegungen hatte, schätzte Rameaus Theorie zur Musik und begann ab 1752, sich für das theoretische Werk Rameaus einzusetzen. Eine seiner Schriften hat der Komponist und Musiktheoretiker Friedrich Wilhelm Marpurg ins Deutsche übersetzt (Systematische Anleitung in die musicalische Setzkunst, Leipzig 1757) und mit Anmerkungen versehen. Marpurg erklärt hier die Bedeutung des Quintsextakkords für die Theorie Rameaus durch ein Notenbeispiel:

Er verweist darauf, dass der »Verfasser« (Jean-Philippe Rameau) eine Unterscheidung zwischen zwei Akkorden trifft, die im Generalbass beide als »Sextquintenaccorde« beziffert und bezeichnet werden. Das folgende Notenbeispiel zeigt die Beispiele Marpurgs in moderner Notation:

--:-- / --:--

Für diese Unterscheidung ist wichtig zu verstehen, was Rameau unter einer Dominante (auch in seinen Schriften franz. »Dominante«) verstanden hat: Als Dominante bezeichnet Rameau Akkorde, die durch die charakteristische Dissonanz der Septime gekennzeichnet sind, welche sich stufenweise abwärts auflösen muss bei gleichzeitigem Quintfall im Fundament (als Fundament wird der Grundton eines Akkordes bezeichnet, der nicht mit dem Basston identisch sein muss). Nimmt man beispielsweise einen C-Dur-Akkord und fügt ihm eine Septime hinzu, wird dieser zu einer Dominante, wobei sich die Septime h in das a eines Akkordes mit dem Fundament f auflöst:

--:-- / --:--

Historisch gesehen haben sich die Septimenakkorde aus einer Durchgangsdissonanz entwickelt, wobei sich die ursprünglich auf metrisch leichterer Zeit erklingende Intervalldissonanz zum Bestandteil einer Akkorddissonanz (Septimenakkord) entwickelt hat:

--:-- / --:--

Dass Rameau jeden Septakkord als Dominante (also auch Nebenseptakkorde) bezeichnet hat, unterscheidet seine Auffassung des Begriffs Dominante von unserem heutigen Verständis. Denn üblicher Weise verstehen wir unter Dominante nur den Septakkord der V. Stufe (Dominantseptakkord), den Rameau als eine Sonderform der Dominante mit dem Zusatz »tonique« versehen hat (Dominante-tonique = Dominantseptakkord / Dominante = alle Septakkorde). Von einer Dominante unterscheidet Rameau grundsätzlich die Subdominante (»Sousdominante«). Als Subdominante werden Akkorde bezeichnet, die durch die charakteristische Dissonanz der großen Sexte (›Sixte ajoutée‹) gekennzeichnet sind, welche sich stufenweise aufwärts auflösen muss bei gleichzeitigem Quartfall im Fundament. Nimmt man beispielsweise einen C-Dur-Akkord und fügt ihm eine Sixte ajoutée hinzu, wird dieser zu einer Subdominante, wobei sich die Sexte a in das h eines Akkordes mit dem Fundament g auflöst:

--:-- / --:--

Auch die Sixte ajoutée ist historisch gesehen aus einer Durchgangsdissonanz entstanden, wobei wobei sich die ursprünglich auf metrisch leichterer Zeit erklingende Intervalldissonanz zum Bestandteil einer Akkorddissonanz (Akkord mit hinzugefügter großer Sexte) entwickelt hat:

--:-- / --:--

Verbindet man Subdominanten im Sinne Rameaus zu einer Akkordfolge, entsteht eine Quintanstiegssequenz, deren Fundamentstimme sich als Fortschreitung aus Quintstiegen (bzw. Quartfällen) beschreiben lässt:

--:-- / --:--