E. T. A. Hoffmanns Rezension (1810)
Der Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus schrieb im Zusammenhang mit der berühmt gewordenen Rezension von E. T. A. Hoffmann der 5. Sinfonie von Beethoven:
Für die Vorstellungen, die man im späten 18. Jahrhundert in Deutschland mit der Instrumentalmusik großen Stils verband, ist der Artikel Symphonie, den Johann Abraham Peter Schulz für Sulzers Allgemeine Theorie der Schönen Küste schrieb, zweifelslos repräsentativ.
Carl Dahlhaus, ›E.T.A. Hoffmanns Beethoven-Kritik und die Asthetik des Erhabenen‹, in: Archiv für Musikwissenschaft 38 (1981), S. 79-92.
J. A. P. Schulz hatte 1775 zur Sinfonie im Lexikon Allgemeine Theorie der Schönen Künste publiziert:
In der Symphonie hingegen, wo jede Stimme mehr wie einfach besezt wird, muß der Gesang den höchsten Nachdruk schon in den vorgeschriebenen Noten enthalten und in keiner Stimme die geringste Verzierung oder Coloratur vertragen können. Es dürfen auch, weil sie nicht wie die Sonate ein Uebungsstük ist, sondern gleich vom Blatt getroffen werden muß, keine Schwierigkeiten darin vorkommen, die nicht von vielen gleich getroffen und deutlich vorgetragen werden können.
Die Symphonie ist zu dem Ausdruk des Großen, des Feyerlichen und Erhabnen vorzüglich geschikt. Ihr Endzwek ist, den Zuhörer zu einer wichtigen Musik vorzubereiten, oder in ein Cammerconcert. alle Pracht der Instrumentalmusik aufzubieten.In: Johann Georg Sulzer, Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Bd. 2 (2. Teil), Leipzig 1775, S. 725.
Und E. T. A. Hoffmann rezensierte 1810 die 5. Sinfonie von L. v. Beethoven in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung (AMZ):
Beethovens Musik bewegt die Hebel des Schauers, der Furcht, des Entsetzens, des Schmerzes, und erweckt jene unendliche Sehnsucht, die das Wesen der Romantik ist. Beethoven ist ein rein romantischer (eben deshalb ein wahrhaft musikalischer) Componist, und daher mag es kommen, dass ihm Vocal-Musik, die unbestimmtes Sehnen nicht zulässt, sondern nur die durch Worte bezeichneten Affecte, als in dem Reich des Unendlichen empfunden, darstellt, weniger gelingt und seine Instrumental-Musik selten die Menge anspricht [...]
Das erste Allegro, 2/4 Takt C moll, fängt mit dem nur aus zwey Takten bestehenden Hauptgedanken, der in der Folge, mannigfach gestaltet, immer wieder durchblickt, an. Im zweyten Takt eine Fermate; dann eine Wiederholung jenes Gedankens einen Ton tiefer, und wieder eine Fermate; beyde Male nur Saiteninstrumente und Clarinetten. Noch ist nicht einmal die Tonart entschieden; der Zuhörer vermuthet Es dur. Die zweyte Violine fängt wieder den Haupt-Gedanken an, im zweyten Takt entscheidet nun der Grundton C, den Violoncelle und Fagotte anschlagen, die Tonart C moll, indem Bratsche und erste Violine in Nachahmungen eintreten, bis diese endlich dem Haupt-Gedanken zwey Takte anreihet, die dreymal wiederholt (zum letztenmal mit einfallendem ganzen Orchester) und in eine Fermate auf der Dominante ausgehend, des Zuhörers Gemüthe das Unbekannte, Geheimnissvolle ahnen lassen. Der Anfang des Allegros bis zu diesem Ruhepunkt entscheidet den Charakter des ganzen Stücks [...]
Kein Instrument hat schwierige Passagen auszuführen: aber nur ein äusserst sicheres, eingeübtes, von einem Geiste beseeltes Orchester kann sich an diese Symphonie wagen; denn jeder nur im mindesten verfehlte Moment würde das Ganze unwiederbringlich verderben. Der beständige Wechsel, das Eingreifen der Saiten- und Blasinstrumente, die einzeln anzuschlagenden Accorde nach Pausen u. dergl. erfordern die höchste Präcision, weshalb es auch dem Dirigenten zu rathen ist, nicht sowol, wie es oft zu geschehen pflegt, die erste Violine stärker als es seyn sollte mitzugeigen, als vielmehr das Orchester beständig im Auge und in der Hand zu behalten.