Diese Stunde ist Teil einer Unterrichtssequenz zum Thema Graphische Notation in der Neuen Musik.

2. Stunde: Von der Musik zum Symbol

Ziel: Beschäftigung mit der graphischen Notation von Neuer Musik und dem damit verbundenen Klangbild

Die Kreisdiagramme zeigen keine 60-Minuten-Stunden, sondern eine ungefähre prozentuale Zeiteinteilung für eine normale Unterrichtsstunde mit 45 Minuten. Da Klassen immer unterschiedlich auf Unterrichtsinhalte und -gegenstände sowie Arbeitsaufträge und Interaktionen reagieren, soll dieses Zeitmanagement zur Orientierung dienen. Kurze Phasen sollen ca. fünf Minuten nicht überdauern, längere Phasen können zwischen 10 und 20 Minuten liegen.

Als Einstiegsimpuls in diese Stunde erklingen die ersten 50 Sekunden des Werkes Kontakte I von Karlheinz Stockhausen. Der Arbeitsauftrag dazu umfasst ein aufmerksames Hören des Ausschnittes sowie die Benennung des Instrumentariums.

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Kontakte I von Karlheinz Stockhausen

Nach der Klärung des Instrumentariums werden die Lernenden aufgefordert in einer Stillarbeitsphase eine graphische Partitur von dem gehörten Musikausschnitt zu erstellen. Dazu bekommen die Schülerinnen und Schüler Blankopapier ausgeteilt, der ausformulierte Arbeitsauftrag wird über Beamer gezeigt:

Bevor Sie beginnen, lesen Sie sich folgenden Arbeitsauftrag ganz durch. Insgesamt haben Sie 10 Minuten Zeit.
Sie hören nun die ersten 50 Sekunden des Werkes Kontakte I von Karlheinz Stockhausen in kurzen Abständen weitere drei Mal. Versuchen Sie die Musik in mehreren Schritten graphisch zu notieren. Sie können dazu folgende Fragen als Hilfestellungen nehmen:

  • Sind einzelne Abschnitte zu hören? Wenn ja: Sind diese Abschnitte gleich (Wiederholung)? Sind sie leicht verändert (Variante)? Sind sie ganz anders (Kontrast/Beziehungslosigkeit)?
  • Gibt es einzelne Klangelemente die hervorstechen? Wie könnte man diese darstellen?
  • Welche musikalischen Strukturen stehen im Vordergrund? Empfinden Sie diese in irgendeiner Weise geordnet oder eher durcheinander?
  • Welche Eigenschaften von Musik (Tonhöhe, Tondauer, Lautstärke, Artikulation, ...) fallen besonders auf?

Das Zeigen des Arbeitsauftrages über Folie hat den Vorteil, dass ein etwas längerer Arbeitsauftrag gestellt werden kann ohne die Gedächtnisleistung der Lernenden zu überfordern, und zudem eine Stillarbeitsphase auch methodisch lautlos eingeführt wird. Ein längerer Arbeitsauftrag wird deshalb gewählt, damit jeder Jugendliche in seinem eigenen Tempo arbeiten und sich dabei erproben kann. (Da zu einem späteren Zeitpunkt diese Partitur ergänzt wird, ist selbst eine nur ›halbfertige‹ Partitur bei langsamerem Arbeitstempo von großem Wert.)

Nach dieser Stillarbeit wird die graphische Partitur erst mal unkommentiert beiseitegelegt und die Klasse wird zu einer nächsten Erarbeitungsphase in fünf Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe erhält den Arbeitsauftrag, die Art von Klängen zu erarbeiten, die auf ihrem Arbeitsblatt (mit Lösungmöglichkeit) stehen (Punktklänge, Schwebeklänge, Liegekläge, Bewegungsklänge, Gleitklänge), und ihn den anderen so zu präsentieren, dass diese wiederum auf den Begriff kommen können.
(Die hier angeführten Fachbegriffe für verschiedene Klänge werden oft auch mit ähnlichen assoziativen Begriffen bezeichnet (bspw. Hall- oder Schwell- statt Schwebeklang), oder können von anderen musikalischen Fachbegriffen ersetzt werden (bspw. Cluster statt Schichtklang). Für Jugendliche, die sich neu mit dieser Materie auseinandersetzen, sind m. E. jedoch die oben verwendeten Termini intuitiver. Natürlich ist die Einführung anderer Fachbegriffe jederzeit möglich.)

Arbeitsauftrag:

Finden Sie in den nächsten 5 Minuten zu dem Begriff ›Punktklang‹ ein Symbol, welches solche Klänge in graphischen Partituren repräsentieren kann. Versuchen Sie die Art von Klang mit Instrumenten oder Gegenständen so darzustellen, dass ihre Mitschülerinnen und Mitschüler sich wiederum den Begriff ›Punktklang‹ erschließen können. Nennen Sie zudem in nachvollziehbaren Stichpunkten die wichtigsten Eigenschaften und Merkmale zu einem ›Punktklang‹. Zeichnen Sie Ihr Symbol auf die beiliegende Folie und schreiben Sie die Eigenschaften und Merkmale dazu. Denken Sie daran, das Überschriftenfeld frei zu lassen, damit die anderen den Klang-Begriff erraten können.

Dieses ›vice versa‹ der Begriffsdarstellung und Begriffsentschlüsselung dient der Kontrolle: Sind die Klänge nicht genau dargestellt, können die anderen vier Gruppen die Art des Klanges nicht erraten. Es ist auch denkbar hier einen kleinen Wettkampf zu spielen: Welche der nicht präsentierenden Gruppe errät die meisten Begriffe?
Auch die Lehrkraft präsentiert eine Klangart: Schichtklänge/Cluster/Tontrauben. Da bei solchen Klängen die Eigenschaften der anderen Klänge einbezogen werden können (bspw. ein Cluster als Punkt- oder Glissandoklang), ist es ratsam, diese als letztes vorzustellen.

Schichtklang

Die gefundenen Symbole sowie die Eigenschaften und Merkmale werden auf die bereitgelegten Arbeitsblätter geschrieben und über eine Dokumentenkamera gezeigt. Dieses Vorgehen ist sehr praktikabel, da im Anschluss die Lehrkraft alle Papierschnipsel einsammeln und bis zur nächsten Stunde für die Klasse auf eine Doppelseite kopieren kann. Durch das vorgegebene Layout wird das Arbeitsblatt übersichtlich gehalten. Insbesondere auf eine differenzierte Symbolisierung der Klänge sollte hier Wert gelegt werden, damit die Schülerinnen und Schüler nach dieser Übung ihre eigene graphische Partitur verfeinern können. (Diese Übung greift unter anderem das Tafelbild 2 auf – Zeile: Darstellung der Artikulation – und wer möchte, kann auch im Heft diesen Eintrag ergänzen.) Vor der nächsten Unterrichtsphase zeichnet die Lehrkraft kurz nochmals das Tafelbild 1 an die Tafel und fordert die Klasse auf, die verschiedenen Symbole mit den neugelernten Klangarten zu benennen. Der Gewinn des wiederholten Aufgreifens dieses Tafelbildes zeigt sich am Ende der gesamten Stundensequenz.

Die Ergänzung der bereits angefangenen graphischen Partitur ist die nächste Aktion im Unterricht: Die Schülerinnen und Schüler hören nochmals den Anfang von Kontakte I. Mit ihrer neuen Kenntnis um die gewonnenen Symbole sollen sie nun ihre eigenen Partituren ergänzen. Das Ziel ist hier insbesondere, dass durch die Besprechung verschiedenster Klangarten die Schülerinnen und Schüler den Ausschnitt nun nochmals anders wahrnehmen können.

Die Stunde endet offen und von der Lehrkraft unkommentiert mit der Sichtung der Ergebnisse: Mit Magneten werden alle Partituren (wenn möglich auch die Originalpartitur von Stockhausen) an die Tafel gepinnt. Die Schülerinnen und Schüler werden eingeladen nach vorne an die Tafel zu kommen und zu einem Loop des Werkanfangs die Ergebnisse anzuschauen.

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Anfang von Kontakte I - die erste Partiturseite (ab Sekunde 5 sichtbar) sind die angesprochenen 50 Sekunden....