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Rondo und Rondoformen

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Definition

Definition

Als Rondo werden Kompositionen bezeichnet, die sich über idealtypische Formmodelle beschreiben lassen. Diesen Formmodellen ist ein wiederkehrender Abschnitt (A) gemeinsam, der mit anderen musikalischen Gestaltungen (B, C, D, E usw.) abwechselt. Beispiele für Rondokompositionen lassen sich aus unterschiedlichen Gattungen anführen (in mehrstimmiger Vokalmusik, Klavierstücken, Arien, Konzerten, Sonaten, Sinfonien und Kammermusik), wobei für die jeweiligen Abschnitte geographisch (französisch/italienisch) und gattungsspezifisch unterschiedliche Bezeichnungen verwendet werden (z.B. Refrain/Strophe, Refrain/Couplet, Ritornell/Episode). Konrad Küster schreibt dazu:

Im Italienischen verwendet man für den französischen Begriff ›Refrain‹ den Begriff ›Ritornell‹, also den gleichen, den man später für Tuttiabschnitte im Konzert einführte. Und ›Ritornello‹ und ›Refrain‹ gelten tatsächlich auch gleichartigen Phänomenen. ›Ritornello‹ ist vom italienischen ›ritorno‹ (›Rückkehr‹) abgeleitet, um die Verkleinerungsform ›-ello‹ erweitert und bedeutet daher ›kleine Rückkehr‹; das französische ›Refrain‹ bedeutet allgemein so viel wie ›Signal‹, daneben – speziell musikalisch – auch ›Wiederholungsvers‹ oder ›Kehrreim‹ und hängt schließlich auch (ausgehend von seiner lateinischen Wurzel ›refringere‹) mit Verbformen wie ›etwas aufbrechen‹ oder ›hemmen‹ zusammen. Ein Refrain ›unterbricht‹ also den musikalischen Fluß mit einem ›wiederkehrenden Vers‹, dem etwas ›Signalhaftes‹ anhaftet.

Konrad Küster, Das Konzert. Form und Forum der Virtuosität (= Bärenreiter Studienbücher Musik 6), Kassel 1993, S. 25 f.

Analysen

Das Rondeau bei den französischen Clavecinisten (17./18. Jh.)

Eine erste Blüte für Instrumentalkompositionen in Rondoform sind die Klavierstücke der französischen Clavecinisten des 17. Jahrhunderts (z. B. von Chambonnières, Louis Couperin, d'Anglebert u. a.) sowie in den französischen Opern J. B. Lullys. In den Clavierbüchern von François Couperin (1668–1733), dem heute berühmtesten Vertreter der Couperin-Familie, lassen sich zahlreiche Rondoformen nachweisen.

ABACA

ABACA

Im ersten Band der Cembalowerke von François Couperin (erschienen 1713 in Paris) findet sich das Rondo La Badine, das sich über das Formmodell ABACA verstehen lässt:

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François Couperin, Premier Livre de pièces de clavecin (1713), Cinquième Ordre: VII. La Badine
Cembalo: Laurence Boulay, Quelle: YouTube

Auch Jean-Philippe Rameau (1683–1764) wählte für viele seiner Rondos das fünfteilige Formmodell ABACA. Ein Beispiel hierfür ist das Rondeau La Joyeuse aus der Suite in D-Dur der Pièces de clavecin (1724):

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Jean-Philippe Rameau, Pièces de Clavecin (1724), Suite in D-Dur: VI. La Joyeuse
Cembalo: Scott Ross, Quelle: YouTube

Das Modell ABACA wird in einigen Formenlehren auch als Kleine Rondoform bezeichnet (Lemmacher-Schröder, Formenlehre, Köln 1962, S. 40; Altmann, Musikalische Formenlehre, München 2/1987, S. 224). Prominentestes Beispiel zur Veranschaulichung dieses Modells dürfte heute die Bagatelle in a-Moll WoO 59 (»Für Elise«) von Ludwig van Beethoven sein.

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Ludwig v. Beethoven, Für Elise WoO 59
Klavier: Lang Lang, Quelle: YouTube

ABACADA

ABACADA

Die Kompositionen La bandoline und La Voluptueuse lassen sich über das Formmodell ABACADA verstehen. Die nächste Abbildung zeigt das zuletzt genannte Stück, in dem drei verschiedene Couplets erklingen:

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François Couperin, Premier Livre de pièces de clavecin (1713), Deuxième Ordre: La voluptueuse
Cembalo: Gustav Leonhardt, Quelle: YouTube

ABACADAEA

ABACADAEA

In dem Rondo L’Enchanteresse wechseln sogar vier verschiedene Couplets mit einem Refrain ab, sodass sich das Stück durch die Wiederholungsanweisungen über das Formmodell ABACADAEA beschreiben lässt:

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François Couperin, Premier Livre de pièces de clavecin (1713), Premier Ordre: XVI. L'enchanteresse
Cembalo: Olivier Baumont, Quelle: YouTube

ABACADAEAFA

ABACADAEAFA

Sogar fünf verschiedene Couplets charakterisieren das Rondeau La Favorite Chacone aus den Pièces de Clavecin von Couperin, deren Ablauf das Formmodell ABACADAEAFA beschreibt:

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Jean-Philippe Rameau, Pièces de Clavecin (1724), La Favorite Chacone
Cembalo: Scott Ross, Quelle: YouTube

ABA

ABA

François Couperin hat – anders als heutige Formenlehren – auch das ABA-Formmodell unter die Rondo-Formen subsumiert, wie das als Rondeau bezeichnete Instrumentalstück Les Abeilles aus dem Premier Ordre der genannten Sammlung zeigt:

François Couperin, IX. Les Abeilles. Rondeau. Tendrement, aus: Premier livre de clavecin (1713)

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François Couperin, Premier Livre de pièces de clavecin (1713), Premier Ordre: IX. Les abeilles
Cembalo: Blandine Verlet, Quelle: Youtube

Während in den Konzerten und Arien der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts der A-Teil (Ritornell) üblicherweise in verschiedenen Tonarten auftritt, erklingt in Klaviermusik dieser Zeit der A-Teil (Refrain) immer in der Ausgangstonart. Couperin beispielsweise schrieb, wie die Abbildungen oben zeigen, die Refrain-Wiederholungen nicht aus, sondern kennzeichnete diese lediglich durch Wiederholungszeichen zwischen den Couplets.