Fuge und Fugenformen (Begleitmaterialien)

Meisterwerke »durch alle Tone« – 48 Fugen für das Klavier von J. S. Bach

In diesem Beitrag finden sich Begleitmaterialien zu der Unterrichtseinheit Die Form der Fuge.

Die folgende Unterrichtseinheit thematisiert die Fuge als musikalisches Kompositionsprinzip. Mit dieser Unterrichtseinheit kann der Versuch unternommen werden, nicht über eine ausgewählte Komposition Bachs ein musiktheoretisches Modell zu veranschaulichen (das Formmodell alternierender Durchführungen und Zwischenspiele), sondern dieses gängige Modell an verschiedenen Kompositionen zu überprüfen. Eine eigenständige Überprüfung des theoretischen Wissens ist Schülerinnen und Schülern über visuell sehr anschaulich aufbereitete Analysen der Fugen Bachs im Internet möglich. Da das Modell in der praktischen Anwendung oft scheitert (d.h. viele Fugen Bachs lassen sich nicht mit dem gängigen Modell angemessen beschreiben), kann zudem das Prinzip musiktheoretischer Forschung veranschaulicht werden.

Zur Aufgabe 2:

Denkbar sind verschiedene Zeichnungen, weil die Anzahl der Df und Zw nicht vorgegeben wird. Auch für die Einsatzfolge lassen sich 24 Möglichkeiten denken, für Bach untypisch wären Einsatzfolgen, in denen großen ›Lücken‹ entstehen (also zum Beispiel die Distanz zwischen Sopran und Bass in der Einsatzfolge Sopran-Bass-Tenor-Alt). Die folgende Einsatzfolge hingegen wäre charakteristisch:

Zur Aufgabe 3:

Die Aufgabe 3 ist durch den homogenen Klang des Cembalos für Ungeübte nicht leicht. Hier kann die folgende Aufnahme helfen, in der die Stimmeneinsätze durch ein Klavier verstärkt werden:

--:-- / --:--

Johann Sebastian Bach, Das Cembalowerk 3. Folge, Das Wohltemperierte Clavier erster und zweiter Teil,
Helmut Walcha, Ammer-Cembalo, EMI Electrola C147-291302/34, Deutschland 1961, Public Domain.

Anmerkungen zum ›überzähligen Themeneinsatz‹ und ›Ende‹ eines Themas

Die vierstimmige Fuge in C-Dur BWV beginnt mit fünf Themeneinsätze auf den Tönen c (Dux) und g (Comes):

Da fünf Themeneinsätze hintereinander zu hören sind und die Fuge nur vierstimmig ist, gehört vor dem Hintergrund der Definition, dass als Exposition der Anfang von Fugen zu bezeichnen ist, bis alle Stimmen das Thema einmal vorgetragen haben, der letzte Einsatz nicht mehr zur Exposition gehört. Mit der Begründung, dass Thema sei im Sopran bereits erklungen, wird der letzte Sopraneinsatz deshalb in Lehrbüchern gerne als überzähliger Themeneinsatz deklariert. Der Musikwissenschaftler Werner Breig hat darauf hingewiesen, dass die thematische Erschließung des musikalischen Klangraums am Beginn Bachscher Orgelfuge sehr bedeutsam ist. Betrachtet man die Erschließung des Klangraumes, kommt man zu einer anderen Bewertung des letzten Sopraneinsatzes:

Die Abbildung zeigt, dass durch vier Stimmeneinsätze nach oben und unten der Klangraum nur ungenügend erschlossen würde. Bach besetzt vom c aus die möglichen Einsatzpositionen nach oben und unten (wodurch sich auch die Wiederholung des Einsatzes auf g bzw. zwei aufeinander folgende Comes-Einsätze ergeben) und vor diesem Hintergrund ist der letzte Sopraneinsatz nicht überzählig, sondern notwendig, da durch ihn erst die Sopranlage erschlossen wird.

Es ist eine beliebte Beschäftigung, sich kontrovers über das Ende eines Themas auszutauschen. Da Bach (und andere Fugen-Komponisten) anscheinend sehr darum bemüht waren, Dux- und Comes-Einsätzen nahtlos ineinander übergehen zu lassen, erscheint es recht sinnlos, sich über die wahre Naht zu streiten, die das Ende eines Themas markiert. In der Aufnahme wurde auf der Terz abgebrochen abgebrochen, weil dies der letzte allen Einsätzen gemeinsame Ton ist.

Zur Aufgabe 4:

Es könnte auffallen, dass vor dem Hintergrund der Definition die Exposition erst nach dem Basseinsatz zu Ende ist, dadurch jedoch ein Zwischenspiel zur Exposition gehört (themenfreie Stelle, die sich in vielen Expositionen nach einem Comes zur Rückmodulation in die Ausgangstonart findet.

Eine Analyse unter dem Blickwinkel Thema und Zwischenspiel wird vielen Fugen Bachs und anderer Komponisten nicht gerecht. Eine bessere Definition im Hinblick auf die Fugen Bachs müsste möglichst viele Fugen in den Blick nehmen und nicht nur eine zur Veranschaulichung eines dogmatischen Modells heranziehen. Lassen sich Fugen durch ein Modell (zum Beispiel durch das Modell der alternierenden Themen- und Zwischenspielabschnitte) nicht angemessen beschreiben, so sind für strukturell ähnliche Fugen neue Modelle zu entwerfen. Dabei wird es stark von den individuelle Gegebenheiten abhängen, ob alternative Kriterien der Analyse wie z.B. Gliederung durch Kadenzen in der Schule vermittelbar sind oder nicht.

Fuge Form Besonderheiten
Fuge in D-Dur WtKl 1       dreiteilig aufgrund der korrespondierenden Zwischenspiele möglich       französcher Ouvertürenstil
Fuge in g-Moll WtKl 1 dreiteilig, Df Zw / Df Zw / Sequenz und Engführung die Dreiteiligkeit nur eine harmonisch-melodische Sequenz (Parallelismus)
ergibt sich auch auf Ebene der Kadenzen in B T. 12 und in g T. 24
Fuge in a-Moll WtKl 1 nahezu ohne Zw wie in der Fuge C-Dur WtKl 1 thematische Arbeit mit Spiegelungen und Engfühungen
Fuge in B-Dur WtKl 1 dreiteilig aufgrund der Anordnung der Df und Zw
Fuge in c-Moll WtKl 2 keine symmetrische Form mit Thema in Augmentation
Fuge in d-Moll WtKl 2 keine symmetrische Form mit Thema in Augmentation
Fuge in Es-Dur WtKl 2 Fuge mit drei Durchführungsphasen mit Engführungen und weißer Notation
jeweils getrennt durch eine Kadenz und eine Sequenz (Toccaten-Stil ›Durezze e Ligature‹)
Fuge in f-Moll WtKl 2 Wechsel von Df und Zw, mit vielen Quintfallsequenzen
auch zweiteilig wegen der Kadenz T. 40

Zur Didaktik

Überlegungen zur Didaktik dieser Fugen-Lehreinheit finden Sie hier.