Fuge und Fugenformen

Meisterwerke »durch alle Tone« – 48 Fugen für das Klavier von J. S. Bach

In dieser Unterrichtseinheit lernst du eine Theorie über die Fuge kennen. Ziel ist es, diese Theorie praktisch zu überprüfen und zu schauen, ob diese Theorie wahr oder falsch ist. Da Johann Sebastian Bach ein Komponist war, der ausgesprochen viele Fugen komponiert hat, sind seine Fugen zur praktischen Überprüfung der Theorie bestens geeignet.

Inhalt

Die Theorie zur Praxis

Die Theorie zur Praxis

In Formenlehren findet sich eine Theorie dazu, wie Komponisten im frühen 18. Jahrhundert Fugen komponiert haben. In dem Buch Musiktheorie. Erleben, verstehen, lernen von Clemens Kühn (2006) kannst du eine solche folgende Definition zur Form einer Fuge lesen:

Fuge – Sie kennt Durchführungen und Zwischenspiele. Durchführungen sind jene (in ihren harmonischen Stationen unterschiedene) Abschnitte, in denen das Fugenthema wiederkehrt und durch alle oder einige Stimmen geführt wird. Die locker gefügten themenfreien Teile leiten zu ihnen hin

Mit anderen Worten: In einer Fuge wechseln sich Durchführungen (in denen ein Thema erklingt) und Zwischenspiele (in denen es nicht erklingt) regelmäßig ab. Um die Definition von Clemens Kühn noch etwas besser zu verstehen, muss man zudem wissen, was es heißt, dass eine Fuge ein Thema hat.

Das Thema einer Fuge

Mit Thema einer Fuge ist gemeint, dass die Fugenkomposition mit einer kurzen, einstimmigen Melodie beginnt, zum Beispiel:

Der erste einstimmige Abschnitt in einer Fuge wird als Thema bezeichnet.

Das Notenbeispiel oben zeigt daher das Thema der 1. Fuge in C-Dur BWV 846 aus dem Wohltemperierten Klavier von J. S. Bach.

Aufgabe 1

Bringt das Thema der C-Dur-Fuge von Bach zum Klingen (indem ihr es singt oder indem es jemand auf einem Instrument spielt). Wichtig ist, dass ihr die Noten mit einer klingenden Musik verbinden könnt.

Die Fugenexposition

Darüber hinaus kommt in der Definition oben noch der Fachbegriff Exposition vor. Nach dem einstimmigen Thema treten in einer Fuge die anderen Stimmen nacheinander hinzu, also erst eine zweite Stimme, dann eine dritte und in manchen Fugen sogar noch eine vierte oder fünfte und auch in diesen Stimmen erklingt zuerst das Thema (original oder in leichter Veränderung). Dieser Teil wird als 1. Durchführung (des Themas) bezeichnet und weil das Nacheinander-Einsetzen der Stimmen auch in einer Fuge etwas Besonderes ist, hat diese 1. Durchführung einen besonderen Namen bekommen. Sie heißt: Exposition.

Der Anfang einer Fuge wird als → Exposition bezeichnet. Die Exposition ist die 1. Durchführung einer Fuge.

Zwischenspiele

Und Zwischenspiele sind nach der Definition von Clemens Kühn themenfrei, das heißt, es sind die Abschnitte einer Fuge, in denen das Thema nicht erklingt.

Die Fugenform

Nach der Definition von Clemens Kühn besteht eine Fuge aus Durchführungen (in denen ein Thema erklingt) und Zwischenspielen (in denen es nicht erklingt). Die Form von Fugen lässt sich wie folgt darstellen:

Aufgabe 2

Zeichnet ein mögliches Schema für eine vierstimmige Fuge.

Aufgabe 3

Höre dir den Anfang der C-Dur-Fuge von Bach an, dessen Thema du oben schon kennen gelernt hast. Kannst du erkennen, wie viele Einsätze in dieser Fuge in verschiedenen Lagen nacheinander erklingen? Versuche, dich beim Anhören des Anfangs nur auf das Thema zu konzentrieren.

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Johann Sebastian Bach, Das Cembalowerk 3. Folge, Das Wohltemperierte Clavier erster und zweiter Teil, Helmut Walcha, Ammer-Cembalo, EMI Electrola C147-291302/34, Deutschland 1961, Public Domain.

Wenn dir diese Aufgabe mit dem leisen Klang des Cembalos schwer gefallen ist, kannst du dir auch diese folgende Aufnahme anhören, in der die ersten Stimmeneinsätze mit dem Klavier verstärkt worden sind:

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Johann Sebastian Bach, Das Cembalowerk 3. Folge, Das Wohltemperierte Clavier erster und zweiter Teil, Helmut Walcha, Ammer-Cembalo, EMI Electrola C147-291302/34, Deutschland 1961, Public Domain.

Praxis der Theorie

Die Praxis der Theorie

Die Fuge in c-Moll BWV 847

Überprüfen wir nun die oben vorgestellte Theorie in der Praxis! Die nächste Abbildung zeigt den Formverlauf der 1. Fuge in Moll aus dem Wohltemperierten Klavier (Band 1) von J. S. Bach. In diesem Diagramm sind die Themen rot, die Gegenstimmen (sogenannte Kontrapunkte) gelb und grün (das Diagramm zeigt, dass in dieser Fuge sogar immer die gleichen Kontrapunkte zusammen mit dem Thema erklingen). Die Zwischenspiele sind die Bereiche ohne Farbe.

Aufgabe 4

Schau dir das Diagramm oben genau an. Schaue dir anschließend das folgende Video an, in der du Fuge hören kannst. Dabei wird die Fugenform auch bildlich dargestellt: bunte Abschnitte = Durchführungen und weiße Abschnitte = Zwischenspiele.

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Da diese Fuge die Definition einer Fugenform bis auf ein kleines Problem (ein kleines Zwischenspiel in der Exposition) recht schön veranschaulicht, wird sie ausgesprochen gerne im Unterricht verwendet.

Ein Problem: Die Fuge in C-Dur BWV 846

Das erste Problem bei der praktischen Überprüfung der Theorie entsteht bei der Fuge in C-Dur an, dessen Thema und Exposition ihr euch anfangs schon erarbeitet habt. Die roten Blöcke markieren in dieser Fuge das Thema:

Wo sind in dieser Fuge die Zwischenspiele bzw. die Abschnitte, in denen kein Thema erklingt? – Leider gibt es so gut wie keine, das heißt, im Hinblick auf die C-Dur-Fuge ist die die eingangs gegebene Definition leider falsch. Doch wie müsste eine bessere Definition für Fugen aussehen? Was müsste getan werden, um zu einer Theorie über Fugen zu kommen, die möglichst vielen Fugen Bachs angemessen ist?

Antworten auf diese Fragen sind nicht einfach, denn man müsste sich dafür möglichst viele Fugen von Bach anhören, Analysediagramme anschauen und mit der Form der Definition vergleichen. Erfreulicherweise haben euch Tim Smith und andere den Großteil dieser Arbeit abgenommen: Auf YouTube könnt ihr euch alle Fugen des Wohltemperierten Klaviers anhören und euch zu jeder Fuge auch Analysediagramme anschauen.

Aufgabe 5

Überprüft mit dem folgenden Video das Formdiagramm zur C-Dur-Fuge, indem ihr der Musik zuhört und auf das Analysediagramm in dem Video achtet:

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Statistik erstellen

Aufgabe 6

Teilt euch die Arbeit in Gruppen auf, um beurteilen zu können, wie oft die eingangs gegebene Definition richtig und wie oft sie nicht zutreffend ist. Überprüft so viele Fugen wie möglich, zumindest aber die folgenden:

Fast alle Fugen des Wohltemperierten Klaviers findest du hier.

Aufgabe 7

Erstellt in der Klasse eine Tabelle an der Tafel, in der ihr eintragt, welche Fuge der Standard-Form entspricht (Exposition und Abwechseln von Df und Zw). Überlegt euch, wie ihr andere Formen skizziert und ob es z.B. zwei- oder dreiteilige Formen gibt, oder es weitere Fugen gibt in denen das Thema nahezu durchgängig erklingt, so dass es keinen Sinn macht, von Durchführungen und Zwischenspielen zu sprechen usw.