Radiohead – Just (You Do It To Yourself)

Inhalt

Interpret: Radiohead
Erstveröffentlichung: 1995
Musik/Text: Radiohead/Thom Yorke
Produzenten: John Leckie, Nigel Godrich, Radiohead
Verlag: Parlophone 8296262\

Zur Form

Formanalyse

Intro
Verse
Chorus
Verse
Chorus
Interlude
Bridge
part. instr. Chorus
Chorus
Interlude
Outro
--:-- / --:--

Quelle: YouTube

Zum Text

Text

Der Radiohead-Song Just thematisiert das Zusammenspiel von inneren Konflikten, selbstverschuldetem Leid sowie der Unfähigkeit, den destruktiven Denkmustern zu entkommen. Der wiederkehrende Refrain »You do it to yourself« bildet das Zentrum der Aussage: Der Schmerz, den die erzählende Figur erlebt, entsteht nicht allein durch äußere Einflüsse, sondern vor allem durch das eigene Verhalten. Der Text zeichnet das Bild eines toxischen Begleiters, der sich nicht abschütteln lässt und immer wieder in das Leben eindringt.
Gleichzeitig arbeitet der Song mit bewusst rätselhaften und teils ironischen religiösen Metaphern wie der »holy cow«, die unterschiedliche Deutungen zulassen und eine gewisse Absurdität in die innere Zerrissenheit bringen. Diese Mehrdeutigkeit prägt auch das berühmte Musikvideo, in dem sich Passanten aus unerklärlichen Gründen zu einem am Boden liegenden Mann gesellen. Viele Interpretationen lesen diese Szene als Sinnbild für eine überwältigende Erkenntnis über die Schwere des Lebens – eine Last, die im Song ebenso mitschwingt.
Die intensiven Bilder von Selbstzerstörung, existenzieller Verzweiflung und den paradoxen Momenten machen den Song zu einem eindrucksvollen Zeugnis der frühen Radiohead-Ära zum Thema Verantwortung, Verletzlichkeit und innere Zerrissenheit.

Zur Harmonik

Harmonik

Die Harmonik des Songs ist komplex, die Abbildung skizziert das Akkordvorkommen in den Formteilen Intro, Verse und Chorus:

--:-- / --:--

Eine Anordnung der Akkorde auf der chromatischen Tonleiter zeigt, dass Akkorde auf sieben (a, c, d, e♭, f, f♯, g und a♭) der 12 möglichen Tonklassen erklingen. Lediglich auf der Tonstufe a erklingt ein Mollakkord, alle übrigens Stufen sind durch Durakkorde (oder Powerchords) charakterisiert.

--:-- / --:--

Im Interlude vor der Bridge werden dann weitere Akkorde eingeführt:

--:-- / --:--

Die das Akkordrepertoire noch einmal erweitern:

--:-- / --:--

In der Bridge erklingt dagegen eine Variante der Verse-Pattern. Harmonisch variiert wird allerdings nur Akkord, der nicht sehr auffällig, jedoch hinsichtlich des verwendeten Materials bedeutsam ist, weil er mit der B-Dur-Farbe das Akkordmaterial noch einmal erweitert:

--:-- / --:--

Nach Thom Yorke, dem Sänger der Band, hat Jonny Greenwood, der Leadgitarrist der Band, versucht »to get as many chords as he could into a song«. Tatsächlich erklingen in Just (You Do It To Yourself) über 11 verschiedenen Tonklassen Dur-Akkorde. Der Moll-Akkord der a-Stufe wirkt dabei kontrastierend und wie ein Signal für den Beginn von Formteilen (Verse, Bridge). Aus systematischer Sicht ließe sich natürlich die Frage stellen, warum der H-Dur-Akkord fehlt. Doch aus klangtechnischer Sicht ist die Frage überflüssig und aus hermeneutischer Sicht lässt sie sich nur rein spekulativ beantworten.

Zur Melodik

Melodik

Das folgende Diagramm zeigt die verwendeten Tonklassen in den Lead-Vocals:

--:-- / --:--

Die Melodie des Verse besteht aus zwei Viertaktphrasen. Beide Phrasen verwenden die gleichen Tonklassen (g, a, c, d und e♭), wobei der Beginn der zweiten Phrase durch den Ton längeren Ton H deutlich markiert wird. Der Beginn des Chorus Bringt eine neue Farbe, indem der Ton e in der Melodie im Kontext eines C-Dur eingeführt wird, das bisher nur im Intro in der verzerrten Gitarre zu hören war. Im Verlauf des Chorus wird melodisch das Tonmaterial a, b, c, d, und e verwendet:

--:-- / --:--

Terminologie

Zur Terminologie

Terminologisch bereitet eine Beschreibung des Songs wenig Schwierigkeiten. Verse und Chorus sind klanglich, harmonisch und auch vom Tonmaterial (a/e♭ → e/b) her deutlich unterschieden, wobei der Chorus gegenüber dem Verse die erwartete Steigerung bringt. Das Intro ist durch die typische Layertechnik des Anfangs gekennzeichnet, die auffällige Oktatonik (Ganton-Halbtonskala) kehrt im Verlauf des Songs in einem Interlude wieder. Die Bridge enthält zwar bereits bekanntes Material, ihr Label ist aufgrund der formalen Position sowie kontrastierenden Wirkung naheliegend. Lediglich die beiden kürzeren Abschnitte, mit denen die Bridge umrahmt wird, dürften strittig sein. Aufgrund ihrer Brückenfunktion könnten sie als Transitional Bridge bezeichnet werden, aus musiklaischen Gründen wurden im Diagramm oben dagegen die Labels Interlude (aufgrund des Sounds und der Nähe zur Oktatonik) und partial instrumental Chorus (Aufgrund des Sounds sowie der Verwendung des Chorus-Patterns) gewählt.

Summary

Abschließende Bemerkungen

Der Song Just (You Do It To Yourself) erschien 1995 auf dem zweiten Album The Bends von Radiohead. Mit diesem zweiten Album gelang der britischen Band zwar ein kommerzieller Durchbruch, doch Kritiker beurteilten die Grundstimmung des Albums als »düster, depressiv, wütend und verzweifelt«. Sowohl im harmonischen als auch im melodischen sind die häufigen Tritonus-Beziehungen auffällig, der Sound wirkt aufgrund der Gitarrenverzerrung und der Stilistik der Lead-Vokals ›schmutzig‹ und ›rockig‹. Das Album zeigt damit noch eine Nähe zum Indie-Brit-Rock und hebt sich ab von den experimentelleren Songs späterer Zeit (z.B. von Fitter Happier, Climbing Up the Walls oder Paranoid Android des Nachfolgealbums OK Computer (1997), das heute als Meilenstein der Rock- und Popmusik der 1990er Jahre angesehen wird).