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Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein musikalisches Werk auf seine Harmonik hin zu chiffrieren. In diesem Tutorial werden vier Perspektiven vorgestellt werden, nämlich
- Ziffern im Generalbass,
- die Zahlen für Bassstufen nach Emanuel Aloys Förster,
- die römischen Zahlen der Stufentheorie und
- die Symbole der Funktionstheorie.
Die Chiffrierungen werden veranschaulicht anhand des Kopfsatzes der Klaviersonate Es-Dur KV 282 von W. A. Mozart.
Inhalt
Mozart
Wolfgang Amadeus Mozart, Sonate Es-Dur KV 282, Kopfsatz, Anfang, Lizenz: CC0-1.0
Quelle: YouTube
Generalbass
Ziffern im Generalbass
Der Generalbass beschreibt die Harmonie, wie der Name bereits andeutet, vom Bass aus, das bedeutet: Zunächst sieht man sich den tiefsten Ton einer Harmonie an und von diesem Ton ausgehend werden die anderen Töne des Akkords als Intervall angegeben. Die Intervalle werden dann als Ziffern unter die Notenzeile geschrieben. Dabei gibt es einige Besonderheiten zu beachten:
- In der Praxis wurden nicht alle Ziffern notiert, sondern nur die, die für Musikerinnen und Musiker damals nicht offensichtlich waren. Ein grundstelliger Akkord zum Beispiel, der mit einer 5 und einer 3 beziffert werden müsste, wurde in der Regel nicht beziffert.
- Darüber hinaus konnten Ziffern einer bekannten Ziffernkombination auch weggelassen werden. Zum Beispiel wurde für die erste Umkehrung eines Akkords nur eine 6 notiert (und nicht eine 6 und eine 3) oder für die dritte Umkehrung eines Septakkordes waren die Ziffern 2, 2 und 4 oder auch 2, 4 und 6 üblich.
Für unser Mozart-Beispiel ´könnte eine typische Bezifferung wie folgt aussehen:
Wolfgang Amadeus Mozart, Sonate Es-Dur KV 282, Kopfsatz, Anfang, Lizenz: CC0-1.0
- Unter den ersten beiden Viertel steht nichts (Akkorde in Grundstellung.
- Bei Zählzeit drei bilden f und b zum d die Terz und Sexte, die Terz wird nicht notiert, also wird eine 6 notiert.
- Auf Schlag 4 steht ein grundstelliger Akkord, der eigentlich nicht zu beziffern ist, aber auf 4 u. steht ein Sextakkord, der wieder mit 6 beziffert werden muss. Deswegen wird hier grundstellige Akkord notiert, damit den Generaqlbassspielenden die 5-6 Stimmführung ersichtlich wird.
- In Takt 2 gibt es eine Vorhaltskette, wir beachten hier immer nur die jeweils zweite Sechzehntel im oberen System, die Zählzeiten 1 und 2 werden deshalb nicht beziffert (beide Male Akkorde in Grundstellung). Zählzeit 3 wird mit 4 2 beziffert. Auf Schlag 4 steht ein Sextakkord, also 6. In Takt 3 erklingt auf Schlag 1, wie auf Zählzeit 3 in Takt 2, ein Sekundakkord (ohne Quinte). Auf Zählzeit 2 erklingt ein Sextakkord (6).
- Schlag 3 des dritten Taktes wirft einige Fragen auf, und die Erklärung dieser Stelle ist viel komplizierter, als sie zu spielen (sie lässt sich sehr gut greifen). Es gibt daher einen Interpretationsspielraum, welcher Klang gemeint ist. Ich spreche mich hier für die folgende Lösung aus: das es, als Septime, bildet einen Vorhalt zum d auf Schlag 5. Dazu erklingt das b als Quarte: 7 4.
- Auf Schlag 4 wird anschließend wieder ein grundstelliger Akkord beziffert, um den Generalbasspielenden die Stimmführung bzw. die nachschlagende Septime anzuzeigen.
Bassstufen
Zahlen für Bassstufen
Die Zahlen für Bassstufen nach Förster orientieren sich an der sogenannten Regola dell’ottava bzw. Oktavregel. Die Oktavregel bot Musikerinnen und Musikern im 17. und 18. Jahrhundert eine Hilfe zum Harmonisieren von Bassstimmen ohne Ziffern bzw. Angaben von Akkordgriffen . Die folgende Abbildung zeigt eine Oktavregel abwärts, wobei die Zahlen in den Kreisen eine Stufe in der Basstonleiter mit der entsprechenden Harmonisierung symbolisieren:
Bassstufenanalyse nach Förster, Oktavregel abwärts, Lizenz: CC0-1.0
Abwärts steht die 7 in einem Kreis für den Sextakkord der 7. Bassstufe, die 4 in einem Kreis für einen Sekundakkord über der vierten Bassstufe usw. Wird der Anfang des Kopfsatzes der Klaviersonate KV 282 von Mozart auf diese Weise chiffriert, ergibt sich das folgende Bild:
Wolfgang Amadeus Mozart, Sonate Es-Dur KV 282, Kopfsatz, Anfang, Lizenz: CC0-1.0
Stufentheorie
Ziffern der Stufentheorie
Die Stufentheorie ist eine Chiffrierungsmethode, die nicht mehr vom Basston ausgeht, sondern Töne auf einen Grundton bezieht und damit als Akkord interpretiert. Die Stufentheorie gibt an, welcher Ton eines Klangphänomens als Grundton aufgefasst wird und kennzeichnet diesen mit einer römischen Ziffern. Die römische Ziffer wiederum zeigt an, welche Stufe dieser Grundton in der Tonleiter der jeweiligen Tonart hat. Umkehrungen des Akkords können durch Generalbassziffern ausgedrückt werden. Eine mögliche stufentheoretische Chiffrierung könnte für den Anfang der Es-Dur-Sonate von Mozart wir folgt aussehen:

Funktionstheorie
Symbole der Funktionstheorie
Die Funktionstheorie hingegen wechselt in der Notation nicht den harmonischen Kontext. Sie führt, wie der Name bereits sagt, die Mehrklänge auf ihre Funktionen zurück (weshalb wir hier wieder von Akkord sprechen können, da die Funktionstheorie: Was in der Stufentheorie die erste Stufe (der Ausgangstonart) ist, ist in der Funktionstheorie die Tonika (T), die IV wird zur Subdominante (S) und die V zur Dominante (D). Außerdem werden die Paralleltonarten durch kleines p angegeben, Tp meint also die Tonikaparalleltonart. Anstatt der Generalbassziffern werden etwaige Umkehrungen über den Basston angegeben, bei einem Sextakkord schreibt man bspw. eine 3 unter das Symbol; Ergänzungstöne werden in selber Manier rechts des Symbols hochgestellt geschrieben. Das Essentielle ist aber, dass die Funktionstheorie gleichaussehende Akkorde anders benennt, je nachdem, in welchem Kontext sie stehen (in Verbindung mit dem Höreindruck). Genaueres lässt sich an anderer Stelle nachlesen. Das Beispiel sähe so aus:

Einige Symbole bedürfen einer genaueren Erläuterung: Die zwei miteinander verschlungenen D meinen eine sog. Doppeldominante, also die Dominante zur Dominante. Der Strich durch das Symbol deutet an, dass der Grundton fehlt. Klammern können gesetzt werden um anzuzeigen, dass das Symbol sich nicht auf die dem Stück zugrundeliegende Tonart, sondern auf den folgenden Akkord bezieht. Der grundlegende Unterschied zur Stufentheorie ist, dass alle Akkorde sich irgendwie auf die Tonart des Stückes beziehen lassen sollen, wie hier angedeutet.