Einführung in verschiedene Perspektiven auf Harmonik

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Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein musikalisches Werk auf seine Harmonik hin zu chiffrieren. In diesem Tutorial werden vier Perspektiven vorgestellt werden, nämlich

  • der Generalbass,
  • die Bassstufenanalyse nach Emanuel Aloys Förster,
  • die Stufen- und
  • die Funktionstheorie.

Die Perspektiven werden veranschaulicht anhand des Kopfsatzes der Klaviersonate Es-Dur KV 282 von W. A. Mozart.

Inhalt

Mozart

Die Musik

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Generalbass

Die Perspektive Generalbass

Werfen wir zunächst aus der Perspektive des Generalbasses einen Blick auf den Anfang des Sonatensatzes:

Der Generalbass beschreibt die Harmonie, wie der Name bereits verrät, vom Bass aus, das heißt: zunächst sieht man sich den tiefsten Ton einer Harmonie an. Von diesem Ton ausgehend werden die anderen im Akkord vorkommenden Töne intervallisch bestimmt, und diese Intervalle werden als Ziffern unter die Notenzeile geschrieben. Dabei gibt es einige Besonderheiten zu beachten: In der Praxis wurden nicht alle Ziffern notiert. Zum Beispiel wenn den Ausführenden ohnehin klar war, welche Intervalle bzw. welcher Klang gegriffen werden musste. ein grundstelliger Dreiklang , der beispielsweise mit einer 5 und einer 3 beziffert werden müsste, ist nicht notiert worden. Darüber hinaus wurden manchmal wurden auch Ziffern weggelassen, zum Beispiel hat man für die erste Umkehrung eines Dreiklangs nur eine 6 und nicht eine 6 und 3 notiert. Viele weitere Auslassungen gehörten zu den Selbstervständlichkeiten, die im Tutorial zur Generalbassnotation genauer nachgelesen werden können.

Für unser Mozart-Beispiel sieht eine typische Bezifferung wie folgt aus:

  • Unter der ersten Viertel stünde nichts, da hier ein Akkord in Grundstellung notiert ist, ebenso unter der zweiten Zählzeit.
  • Bei Zählzeit drei bilden f und b zum d die Terz und Sexte, die Terz wird nicht notiert, also steht eine 6.
  • Auf Schlag 4 steht ein grundstelliger Akkord, der eigentlich nicht zu beziffern ist, aber auf 4 u. steht ein Sextakkord, der wieder mit 6 beziffert werden muss. Deswegen wird hier grundstellige Akkord notiert, damit den Generaqlbassspielenden die 5-6 Stimmführung ersichtlich wird.
  • In Takt 2 gibt es eine Vorhaltskette, wir beachten hier immer nur die jeweils zweite Sechzehntel im oberen System, die Zählzeiten 1 und 2 werden deshalb nicht beziffert (beide Male Akkorde in Grundstellung). Zählzeit 3 wird mit 4 2 beziffert. Auf Schlag 4 steht ein Sextakkord, also 6. In Takt 3 erklingt auf Schlag 1, wie auf Zählzeit 3 in Takt 2, ein Sekundakkord (ohne Quinte). Auf Zählzeit 2 erklingt ein Sextakkord (6).
  • Schlag 3 des dritten Taktes wirft einige Fragen auf, und die Erklärung dieser Stelle ist viel komplizierter, als sie zu spielen (sie lässt sich sehr gut greifen). Es gibt daher einen Interpretationsspielraum, welcher Klang gemeint ist. Ich spreche mich hier für die folgende Lösung aus: das es, als Septime, bildet einen Vorhalt zum d auf Schlag 5. Dazu erklingt das b als Quarte: 7 4.
  • Auf Schlag 4 wird anschließend wieder ein grundstelliger Akkord beziffert, um den Generalbasspielenden die Stimmführung bzw. die nachschlagende Septime anzuzeigen.

Bassstufen

Bassstufenanalyse

Die Bassstufenanalyse nach Förster behilft sich der sogenannten Regola dell’ottava. Hierbei handelt es sich um eine Regel, wie die Basstöne einer Skala zu harmonisieren seien. Dabei gibt es für jeden Basston mehrere Möglichkeiten. Hier soll eine mögliche vorgestellt werden:

Standardharmonisierung der Regolla dell'ottava aufwärts

Die Bezifferungen lauten hier also exemplarisch: 1 ( 5 3 ), 2 ( 4 3 ), 3 ( 6 ), 4 ( 5 3 ), 5 ( 5 3 ), 6 ( 6 ), 7 ( 6 ). Abwärts steht an Position 4 statt »5 3« »2«. Wir müssen uns also in unserem Beispiel wieder die Basstöne ansehen und überprüfen, ob die passenden Ziffern darunterstehen. Beziffert sähe das ganze dann so aus:

Stufentheorie

Stufentheorie

Die Stufentheorie ist die erste Theorie, die nicht mehr vom Basston aus „denkt“, sondern in Mehrklangsbeziehungen (Von Dreiklängen zu sprechen wäre nicht korrekt, denn es gibt durchaus auch Vier-/Fünf- … -klänge, die die Stufentheorie erklären kann; von Akkorden wird in diesem Tutorial nicht gesprochen, da der Begriff „Akkord“ mehr meint, als einen Drei-/Vier- … -klang; Näheres dazu siehe: ____). Es wird also der Grundton des Mehrklangs festgestellt und die diesem entsprechende Stufe in römischen Ziffern darunter notiert, also bei es bspw. I. Dann bedient sich die Stufentheorie der Generalbassziffern, um die Umkehrung des Akkordes anzuzeigen. Außerdem werden im Stück intern vorkommende kurze Wechsel des harmonischen Kontextes berücksichtigt. Eine mögliche stufentheoretische Chiffrierung sähe also bspw. wie folgt aus:

Funktionstheorie

Funktionstheorie

Die Funktionstheorie hingegen wechselt in der Notation nicht den harmonischen Kontext. Sie führt, wie der Name bereits sagt, die Mehrklänge auf ihre Funktionen zurück (weshalb wir hier wieder von Akkord sprechen können, da die Funktionstheorie: Was in der Stufentheorie die erste Stufe (der Ausgangstonart) ist, ist in der Funktionstheorie die Tonika (T), die IV wird zur Subdominante (S) und die V zur Dominante (D). Außerdem werden die Paralleltonarten durch kleines p angegeben, Tp meint also die Tonikaparalleltonart. Anstatt der Generalbassziffern werden etwaige Umkehrungen über den Basston angegeben, bei einem Sextakkord schreibt man bspw. eine 3 unter das Symbol; Ergänzungstöne werden in selber Manier rechts des Symbols hochgestellt geschrieben. Das Essentielle ist aber, dass die Funktionstheorie gleichaussehende Akkorde anders benennt, je nachdem, in welchem Kontext sie stehen (in Verbindung mit dem Höreindruck). Genaueres lässt sich an anderer Stelle nachlesen. Das Beispiel sähe so aus:

Einige Symbole bedürfen einer genaueren Erläuterung: Die zwei miteinander verschlungenen D meinen eine sog. Doppeldominante, also die Dominante zur Dominante. Der Strich durch das Symbol deutet an, dass der Grundton fehlt. Klammern können gesetzt werden um anzuzeigen, dass das Symbol sich nicht auf die dem Stück zugrundeliegende Tonart, sondern auf den folgenden Akkord bezieht. Der grundlegende Unterschied zur Stufentheorie ist, dass alle Akkorde sich irgendwie auf die Tonart des Stückes beziehen lassen sollen, wie hier angedeutet.