Felix Mendelssohn Bartholdy komponierte den Lobgesang im Auftrag der Stadt Leipzig und anlässlich der Vierhundertjahrfeier von Johannes Gutenbergs Buchdruckerfindung. Nach längeren Überlegungen zur geeigneten Form entschied er sich für eine Mischung aus Sinfonie und Kantate. Das Werk wurde am 25. Juni 1840 in der Thomaskirche Leipzig uraufgeführt und später um zusätzliche Sätze erweitert, wobei die überarbeitete Version bereits im Dezember desselben Jahres uraufgeführt worden ist. Zu Lebzeiten Mendelssohns avancierte der Lobgesang zu einem seiner populärsten Werke.
Obwohl Mendelssohn diese Komposition nicht als Sinfonie veröffentlicht hatte, wurde das Werk in der alten Mendelssohn-Gesamtausgabe als 2. Sinfonie geführt. Im neuen Mendelssohn-Werkverzeichnis findet sich der Lobgesang in der Rubrik Vokalwerke. Mendelssohn widmete die Erstausgabe dem sächsischen König Friedrich August II.
Inhalt
1. Satz
1. Sinfonia
Das Werk ist in B-Dur komponiert und gliedert sich in zwei Teile. Der erste Abschnitt nimmt ungefähr ein Drittel der gesamten Aufführungsdauer in Anspruch. Er besteht aus drei ineinander übergehenden instrumentalen Sätzen ohne Pause mit den Überschriften:
- Sinfonia (Maestoso con moto)
- Allegretto un poco agitato
- Adagio religioso
Möchte man die Gesamtform des Werkes auf die Sinfonische Gattung beziehen, lässt sich die Sinfonia (in der folgenden Abbildung grün) als sinfonischer Kopfsatz (mit den Formfunktionen einer Sonatenhauptsatzform) interpretieren, das Allegretto (gelb) als Ausarbeitung eines Menuett/Scherzo-Satzes. Das Adagio (rot) bildet in diesem Sinne einen langsamen Satz und der Kantatenteil erscheint in der Funktion eines Schlusssatzes, für den sich seit Beethovens 9. Sinfonie vokale Anteile etabliert haben.
Felix Mendelssohn Bartholdy, Lobgesang op. 52 MWV A 18. Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift für Soli, Chor und Orchester | Hochschule für Musik und Theater München, Heidi Baumgartner, Katja Maderer (Sopran), Lukas Siebert (Tenor), Madrigalchor der HMTM (Einstudierung Martin Steidler), Hochschulsymphonieorchester (München), Ltg. Marcus Bosch | Konzertmitschnitt mit Postproduktion der Hochschule für Musik und Theater München 2024, Lizenz: CC BY-SA 4.0, Link (urn)
Der Kopfsatz beginnt einstimmig mit einem prägnanten Bläsermotiv (Posaunen und Hörner), das wie ein Initial die langsame Einleitung eröffnet:
Felix Mendelssohn Bartholdy, Lobgesang op. 52 MWV A 18. Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift für Soli, Chor und Orchester | Hochschule für Musik und Theater München, Heidi Baumgartner, Katja Maderer (Sopran), Lukas Siebert (Tenor), Madrigalchor der HMTM (Einstudierung Martin Steidler), Hochschulsymphonieorchester (München), Ltg. Marcus Bosch | Konzertmitschnitt mit Postproduktion der Hochschule für Musik und Theater München 2024, Lizenz: CC BY-SA 4.0, Link (urn)
Der Einleitung folgt ein Allegrosatz, der sich über die Formfunktionen der Sonatenhauptsatzform verstehen lässt:
- Maestoso con Moto (Einleitung)
- Allegro (= grüne Farben)
- Exposition
- Hauptsatz (Hs), endet mit einem Ganzschluss in B-Dur
- Überleitung (Ül), beginnt wie der Hauptsatz, moduliert in die Nebentonart (rauschender Charakter) und endet im Sinne einer Kadenzdisposition nach H. Chr. Koch mit einem Halbschluss in der V. Stufe (halbschlüssiges C-Dur)
- Seitensatz (Ss), wendet sich überraschend nach As-Dur (über den Bassgang c-des-es-as)
- Schlussgruppe
- Durchführung (mit einem für Durchführungen typischen, dramatischen Charakter)
- Reprise in einer für Mendelssohn typisch verkürzten Art. Ein früheres Beispiel für das formale Vertauschen von Haupt- (Hs) und Seitensatz (Ss) ist z.B. der Kopfsatz der Sonate D-Dur für Klavier KV 311 von W. A. Mozart. Die Schlussgruppe (Sg) wurde erweitert, der Allegro-Kopfsatz endet mit einer quasi rezitativischen Überleitung (Solo-Klarinette) zum folgenden zweiten Satz.
- Exposition
- Allegretto un poco agitato (= gelbe Farben)
- A-Teil in g-Moll ist selbst dreiteilig (aab). Er besteht aus zwei Sätzen mit einer Ausweichung in die Tonart der V. Stufe (d-Moll) und einen kontrastierenden Abschnitt (b), der durch eine Wechselspiel zwischen Streichern und Bläsern charakterisiert ist.
- A-Teil (Wiederholung)
- B-Teil Dieser Abschnitt beginn in d-Moll und endet mit einer Rückführungsdominante bzw. einem Halbschluss in g-Moll (halbschlüssiges D-Dur), der die Reprise herbeiführt.
- A-Teil (Wiederkehr des A-Teils)
Aufgrund der AABA-Form liegt die Erwartung in einer zusammengesetzten Liedform, typisch ist für Mittelsätze einer Sinfonie:
- noch: Allegretto ... (= gelbe Farben)
- Choral Nach der AABA-Form erklingt ein Abschnitt, der in den Bläsern an eine Choralsatzausarbeitung erinnert, unterbrochen von Streicherpassagen (die Aufteilung erinnert an den Mittelteil der Motette Singet dem Herrn BWV 225 von Johann Sebastian Bach).
- Überleitung Auch die Wiederkehr des AABA-Teil erscheint nicht, an dessen Stelle erklingt ein Abschnitt, der die Funktion einer Überleitung hat und den langsamen Satz vorbereitet.
- Adagio religioso (= rote Farben). Auch das Adagio beginnt mit einem A-Teil, der die Form eines dreiteiligen Liedes hat.
- A-Teil Der Beginn des Adagio lässt sich als eine Periode verstehen, wobei der A-Teil den achttaktigen Vordersatz bildet, der mit einem charakteristischen Halbschluss endet.
- A-Teil Die Wiederholung des A-Teils bildet den achttaktigen Nachsatz, der mit einem Ganzschluss in der Haupttonart D-Dur endet.
- B-Teil Dieser Abschnitt kontrastiert aufgrund der Besetzung (nur Bläser) und der Harmonik (Modulation in die Oberquinte).
- A-Teil (Wiederkehr des A-Teils) Die Wiederkehr tritt harmonisch überraschend ein, denn anstelle des harmonischen Ziels (der Oberquinttonart A-Dur) erklingt in den Streichern der dominantische A-Dur Akkord des Anfangs, dem sich die Wiederkehr des A-Teil anschließt und der dem Beginn des Adagios die Gestalt einer dreiteiligen Liedform gibt.
- C-Teil Der C-Teil ist in seinen Kontrasten charakteristisch für einen mittleren Abschnitt: die pulsierenden Streicher, die Eintrübung nach Moll und die schweifende Harmonik. Zweimal beginnt in diesem Abschnitt das Hauptthema, das man zuerst für den Eintritt der Reprise halten könnte. In beiden Fällen spricht die Harmonik sowie die Weiterführung dafür, dass man sich noch im kontrastierenden Mittelteil befindet.
- Reprise Erst der dritte Einsatz (Bläsereinsatz) bringt wieder die Ausgangstonart und bildet damit eine kurze Reprise. Diese ist in Mendelssohnscher Manier auf typische Weise gestaucht und leitet über in eine Coda. Ein Schlussabschnitt, der den Satz beendet und mit den Streichern ruhig ausklingen lässt.
Sätze 2–5
2. Allegro moderato maestoso, 3. Recitativ, 4. Chor (A tempo moderato) und 5. Andante
Auf die Sinfonia folgt der Kantatenteil, der sich aus den Nummern 2 bis 10 des Werkes zusammensetzt. Die beiden Teile sind nicht unabhängig voneinander, denn Mendelssohn hat sie durch eine motivische Verarbeitung eng miteinander verwoben.
Felix Mendelssohn Bartholdy, Lobgesang op. 52 MWV A 18. Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift für Soli, Chor und Orchester | Hochschule für Musik und Theater München, Heidi Baumgartner, Katja Maderer (Sopran), Lukas Siebert (Tenor), Madrigalchor der HMTM (Einstudierung Martin Steidler), Hochschulsymphonieorchester (München), Ltg. Marcus Bosch |
Konzertmitschnitt mit Postproduktion der Hochschule für Musik und Theater München 2024, Lizenz: CC BY-SA 4.0, Link (urn)
Der Kantatenteil beginnt mit einem
- Allegro moderato maestoso (= blaue Farben)
Der Satz beginnt mit einem instrumentalen Abschnitt in der Funktion einer Einleitung, in dem über eine Verarbeitung des Anfangsmotivs die Grundtonart B-Dur herbeigeführt wird. Einem prunkvollen Choreinsatz schließt sich ein bewegtes Chor-Fugato an (Animato), an dessen Ende Mendelssohn das Anfangsmotiv mit dem Text »Alles was Odem hat Lobe den Herrn« verbindet. Diese Stelle wirkt erhaben und lässt sich als Motto der ganzen Sinfonie interpretieren.
- Allegro di molto
Dem Chor-Fugato folgt ein weiterer Chorsatz zu den Textzeilen »Lobt den Herrn mit Saitenspiel, mit eurem Liede. Und alles Fleisch lobe seinen heiligen Namen.«.
- Allegro di molto
- Molto piu moderato ma con fuoco (= gelb) In diesem Abschnitt singt erstmals ein Solo-Sopran im Wechsel mit dem Chor. Auch für diesen Abschnitt hat Mendelssohn die Form eines dreiteiligen Liedes gewählt (ABA).
- 3. Recitativ, 4. Allegro moderato (= grün)
Das Rezitativ und im sich anschließende Allegro-Satz dominiert ein Solo-Tenor. Für die Arie (Allegro Moderato) hat Mendelssohn die Tonart g-Moll gewählt, harmonisch folgt sie einem klassischen Standard (i-III | iv V i) für Mollkompositionen. - Chor (A tempo moderato) (= hellblau)
Der sich anschließende Chorsatz führt die Arie des Tenors inhaltlich und auch tonartlich fort (g-Moll). - 5. Andante (= dunkelblau)
Einen anderen, versöhnlich wirkenden Tonfall bringt erst das Adagio in Es-Dur für zwei Solo-Sopranstimmen und Chor, in dem die Hoffnung auf den Herrn besungen wird. Musikalisch auffällig ist ein Höhepunkt des Chores zu der dreimaligen Textwiederholung »setzt auf den Herrn« (in der Aufnahme oben ab 14:30), für den eine Dissonanz aufgebaut wird, die anschließend in sich zusammenfällt und sich in den friedlichen Es-Dur-Schlussabschnitt auflöst.
Sätze 6–7
Felix Mendelssohn Bartholdy, Lobgesang op. 52 MWV A 18. Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift für Soli, Chor und Orchester | Hochschule für Musik und Theater München, Heidi Baumgartner, Katja Maderer (Sopran), Lukas Siebert (Tenor), Madrigalchor der HMTM (Einstudierung Martin Steidler), Hochschulsymphonieorchester (München), Ltg. Marcus Bosch | Konzertmitschnitt mit Postproduktion der Hochschule für Musik und Theater München 2024, Lizenz: CC BY-SA 4.0, Link (urn)
- Allegro un poco agitato (= grün)
Für ein Arioso in c-Moll wählt Mendelssohn einen leidvollen Gestus, der über einem Lamentobass die Textworte bringt:
Nach einem Abschnitt in der gleichnamigen Durtonart zu den Textworten »Wache auf! Wache auf, der du schläfst! Stehe auf von den Todten, ich will dich erleuchten.« folgt ein Rezitativ, in dem der Tenor eindringlich fragt:
Mendelssohn veranschaulicht den schmerzhaften Charakter dieser Frage durch einen Tritonussprung aufwärts. Die Nachdrücklichkeit der Fragen versinnbildlicht der Komponist durch zweimalige Sequenzierung jeweils um eine Sekunde aufwärts (in der Aufnahme oben finden sich die Frage in den hellgrünen Passagen):
Die Antwort wird vom Solo-Sopran gesungen: »Die Nacht ist vergangen, vergangen!« Und mit diesem Abschluss beginnt ein prunkvolles Allegro maestoso mit vollem Orchester und dem Chor.
- Allegro maestoso e molto vivavce (= blau)
Der Chor beginnt homophon mit einer feierlichen Deklamation der vergangenen Nacht und des angebrochenen Tages, in der Mitte erklingt eine Chor-Fuge und den Abschluss bilden glanzvolle Kadenzen und der traditionell-festlichen Tonart D-Dur.
8. Satz
Felix Mendelssohn Bartholdy, Lobgesang op. 52 MWV A 18. Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift für Soli, Chor und Orchester | Hochschule für Musik und Theater München, Heidi Baumgartner, Katja Maderer (Sopran), Lukas Siebert (Tenor), Madrigalchor der HMTM (Einstudierung Martin Steidler), Hochschulsymphonieorchester (München), Ltg. Marcus Bosch | Konzertmitschnitt mit Postproduktion der Hochschule für Musik und Theater München 2024, Lizenz: CC BY-SA 4.0, Link (urn)
9. Satz
Felix Mendelssohn Bartholdy, Lobgesang op. 52 MWV A 18. Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift für Soli, Chor und Orchester | Hochschule für Musik und Theater München, Heidi Baumgartner, Katja Maderer (Sopran), Lukas Siebert (Tenor), Madrigalchor der HMTM (Einstudierung Martin Steidler), Hochschulsymphonieorchester (München), Ltg. Marcus Bosch | Konzertmitschnitt mit Postproduktion der Hochschule für Musik und Theater München 2024, Lizenz: CC BY-SA 4.0, Link (urn)
- Exposition
- Es beginnt der Tenor in der Ausgangstonart mit einem Arioso in ABA-Form in B-Dur.
- Es folgt der Sopran mit einer Ausweichung nach g-Moll und d-Moll, dem sich
- ein Duett anschließt, das in der Oberquinttonart F-Dur endet.
- Durchführung
- Der Tenor singt eine Episode in c-Moll,
- im Duett wird anschließend ein dominantisches F-Dur als Rückführung erreicht.
- Reprise
- Der Sopran singt in B-Dur die Melodie des Tenors vom Anfang und wird vom Tenor begleitet. Mendelssohn verkürzt die Reprise in einer für ihn typischen Form und komponiert eine Coda als Abschluss des Satzes.
10. Satz
Felix Mendelssohn Bartholdy, Lobgesang op. 52 MWV A 18. Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift für Soli, Chor und Orchester | Hochschule für Musik und Theater München, Heidi Baumgartner, Katja Maderer (Sopran), Lukas Siebert (Tenor), Madrigalchor der HMTM (Einstudierung Martin Steidler), Hochschulsymphonieorchester (München), Ltg. Marcus Bosch | Konzertmitschnitt mit Postproduktion der Hochschule für Musik und Theater München 2024, Lizenz: CC BY-SA 4.0, Link (urn)
Materialien
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Felix Mendelssohn Bartholdy, Lobgesang op. 52 MWV A 18. Sinfonie-Kantate nach Worten der heiligen Schrift für Soli, Chor und Orchester
Hochschule für Musik und Theater München. Heidi Baumgartner, Katja Maderer (Sopran), Lukas Siebert (Tenor), Madrigalchor der HMTM (Einstudierung Martin Steidler), Hochschulsymphonieorchester (München), Ltg. Marcus Bosch. Konzertmitschnitt mit Postproduktion der Hochschule für Musik und Theater München 2024. Lizenz: CC BY-SA 4.0
Satz | MP3-Datei | WAV-Datei (unkomprimiertes Audio) |
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1. Sinfonia | ||
2. Allegro moderato maestoso | ||
6. Allegro un poco agitato | ||
8. Choral: Andante con moto | ||
9. Andante sostenuto assai | ||
10. Schlusschor: Allegro non troppo - Più vivace |