Passacaglia und Chaconne waren ursprünglich barocke Tanzsätze, heute werden diese Begriffe auch als Gattungsbezeichnungen verwendet. Gemeinsamkeit der beiden Gattungen sind sich wiederholende Bassmotive oder eine ostinate Basslinie, über der sich verschiedene harmonische und melodische Variationen entfalten. Die Passacaglia war ursprünglich in Spanien beheimatet und wurde im 17. Jahrhundert sehr populär.
Das Schreiben einer barocken Passacaglia dürfte wohl nur noch an den professionellen Musikausbildungsstätten oder von Orgelvirtuosen gepflegt werden . Sich mit dieser Aufgabe zu beschäftigen. hat – abgesehen von einer heute fehlenden Lebensweltlichen Relevanz – den Vorteil, dass sich an einem relativ einfachen Notentext grundlegende musikalisch-satztechnische Kompetenzen erlernen lassen (z.B. das Fähigkeit, eine Bassvorgabe zu harmonisieren, gut klingende Außenstimmensätze einzurichten, einen Klangraum oder einen dramaturgischen Verlauf sinnvoll gestalten zu können, usw.). Möchtest du das? Denn findest du hier eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Schreiben einer Passacaglia.

Diese kleine Passacaglia-Kollektion besteht aus vier Teilen:

Im ersten Teil kannst du dich beschäftigen mit:

Anleitung

Harmonisieren einer Bassstimme

Im Folgenden kannst du die exemplarische Vorgehensweise anhand einer Bassstimme üben, mithilfe der viele große Komponisten des 18. Jahrhunderts mindestens ein größeres Stück komponiert haben (z.B. G. F. Händel eine Passacaglia, J. S. Bach die Goldberg-Variationen u.v.a.):

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Eine Standardharmonisierung mithilfe der Oktavregel führt zu der folgenden Harmonisierung:

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Eine stiltypische Harmonisierung ist wichtig, doch sie allein ist noch kein Garant für eine gut klingende Ausarbeitung einer Passacaglia-Variation. Mindestens genauso wichtig für ein gut klingendes Ergebnis ist der Außenstimmensatz.

Außenstimmensätze

Wenn man fein hinhört, hat Musik des 18. Jahrhundert einen grundlegend anderen Klang als Musik aus dem frühen 17. Jahrhundert. Das liegt daran, dass in Außenstimmensätzen von Musik aus dem frühen 17. Jahrhundert im Verlauf von Phrasen oftmals auch perfekte Konsonanzen − also Quinten und Oktaven − erklingen, während für Musik aus dem 18. Jahrhundert im Verlauf von Phrasen die imperfekten Konsonanzen − also Terzen und Sexten − besonders wichtig waren. Die Oktave und die Quinte haben eine besondere Funktion und erscheinen meist in Verbindung mit einer Halb- oder Glanzschlusswirkung.

Wenn Sie einen Außenstimmensatz erstellen wollen, müssen die Töne der Ober- und Unterstimme

  1. zu der gewählten Harmonie passen und
  2. möglichst ein Terz- oder Sextintervall bilden.
  3. Die Quinte kann gut klingen für eine Halbschlusswirkung,
  4. die Oktave empfiehlt sich für einen vollkommenen Ganzschluss.

Für die oben harmonisierte Bassstimme ergeben z.B. die folgenden Außenstimmensätze einen charakteristischen Klang:

Diese möglichen Außenstimmenintervalle kannst du natürlich auch kombinieren, probiere es aus, auch die folgenden Intervallfolgen klingen gut: 3-3-3-3-3-3-4/3-3 oder 3-6-6-3-6-6-6/5-3. Die 6 in der zuletzt genannten Intervallfolge würde zu einer a-Moll-Harmonisierung über dem C führen, die allerdings als Variante der IV. Tonleiterstufe in der Regola dell'ottava vorgesehen bzw. möglich ist.

Veranschaulichen dir, dass im Außenstimmensatz Terz und Sexte möglich sind, wenn sich im Bass die Terz oder der Quintton der Harmonie befindet. Liegt der Grundton der Harmonie im Bass, ist in der Oberstimme nur die Terz möglich (eine Sexte würde die Harmonisierung verändern).

Liegt die Quinte einer Harmonie im Bass, beachte bitte: Quartsextakkorde klingen im 18. Jahrhundert fast immer falsch bzw. fehlerhaft. Eine Ausnahme bildet der sogenannte Quartsextvorhalt in einer Kadenz (wie im vorletzten Takt der Beispiele oben).