Schaust du täglich auf eine Uhr? Findest du dich mit einem U-Bahn-Plan in einer fremden Stadt zurecht? Erkennst du die Erde, wenn du eine Weltkugel siehst? Jeden Tag verwenden wir Modelle, um eine komplexe Wirklichkeit zu verstehen und um uns darin zu orientieren. Denn ein Modell vereinfacht einen Gegenstand auf anschauliche Weise (zum Beispiel unsere Erde als eine Kugel), und es ermöglicht uns dadurch ein bestimmtes Verständnis für diesen Gegenstand. Üblicherweise werden in einem Modell nur solche Eigenschaften berücksichtigt, die für ein bestimmtes Verständnis unbedingt notwendig sind. Das sollte jedoch nicht zu dem Glauben führen, die vernachlässigten Eigenschaften wären weniger wichtig als die berücksichtigten. Sie sind es lediglich im Hinblick auf das, was man über ein Modell verstehen möchte.
Das Modell der Kugel beispielsweise ermöglicht einen anschaulichen Größenvergleich zwischen der Erde und dem Mars (Erde-Modell 1). Für diesen Vergleich ist es unwichtig, dass die Erde von verschiedenen Atmosphäre-Schichten umhüllt wird. Möchte man diese verstehen, benötigt man ein anderes Modell (Erde-Modell 2), in dem die Erde nicht als Kugel symbolisiert wird. Dieses einfache Beispiel zeigt: Es ist kein Widerspruch, wenn es zu einem Gegenstand unterschiedliche Modelle gibt. Und die Qualität der Modelle lässt sich nur im Hinblick auf ihre Funktion beurteilen: Führt mich ein Stadtplan (Modell) zum Ziel, ist er gut. Zeigt er mir einen Fußweg an, wo ein Wasserkanal verläuft (ist mal in Venedig passiert), ist er schlecht oder veraltet.
In der Musiktheorie werden viele Modelle verwendet. Die Sonatenhauptsatzform ist zum Beispiel eines, der Lamentobass ein anderes. Im Musikunterricht kann ein gutes Modell zur Sonatenhauptsatzform dazu verhelfen, ein Verständnis für Sonaten und Sinfonien zu erlangen. Hilft es dir dabei nicht, ist es kein passendes oder ein veraltetes Modell. Der Lamentobass gehört zu den sogenannten Satzmodellen, mit denen sich Stimmführungen und Harmonieverläufe verstehen lassen. Modelle ermöglichen es dir, viele unterschiedliche Stücke von Barock- bis zur Popmusik auf eine bestimmte Weise zu hören und zu verstehen. Darüber hinaus kannst du Musikstücke mithilfe eines guten Modells untereinander vergleichen, wodurch du bestenfalls ein besseres Verständnis für die Besonderheiten der einzelnen Kompositionen bekommst.