Sonatensatzform: Durchführungen von Sonatensätzen (1) (W. A. Mozart)

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Definitionen

In historischen Quellen und modernen Lexica finden sich die folgen Quellen zum Thema Durchführung:

Von der ersten Hälfte dieses Perioden läßt sich keine bestimmte interpunctische Form angeben, weil die Modulation in derselben sehr willkührlich behandelt, und bald in diese, bald in jene verwandte Tonart geleitet wird. Allein die Folge der melodischen Theile in Absicht auf ihre interpunctischen Formeln ist in diesem Falle auch keiner Schwierigkeit unterworfen, weil sich die Modulation in keinem Tone lange aufhält, und weil nach dem 35 und 36sten §. die Folge der Grund- und Quintabsätze bey dem Wechsel der Tonarten nicht eingeschränkt ist.

Heinrich Christoph Koch, Versuch einer Anleitung zur Composition, Bd. 3, Leipzig 1793, S. 395.

Der zweite Theil, das steht bereits fest, erhält in der Sonatenform im Wesentlichen keinen neuen Inhalt. Folglich muss er sich wesentlich mit dem Inhalte des ersten Theils,

  • mit dem Hauptsatze,
  • mit dem Seitensatze,
  • auch wohl mit dem Schlusssatze

beschäftigen, und zwar

  • entweder nur mit einem,
  • oder mit zweien dieser Sätze,

oder gar mit allen dreien. Allein diese Beschäftigung ist keineswegs, gleich der Behandlung des Hauptsatzes im Rondo, blosse Wiederholung. Die wiederkehrenden Sätze werden vielmehr in jeder dem Moment der Komposition zusagenden Weise gewählt, geordnet und verknüpft, verändert. So zeigt sich schon im Voraus der zweite Theil vorzugsweise als Sitz der Mannigfaltigkeit und Bewegung, und abermals treten uns die ursprünglichen Gegensätze, das Grundgesetz aller musikalischen Bildung:

Ruhe — Bewegung — Ruhe

in den drei Theilen der Sonatenform vor Augen.

Adolph Bernahrd Marx, Kompositionslehre, Bd. 3, 2. Aufl. Leipzig 1948, S. 225 f.

In größeren mus. Formen (Rondo, Liedformen, freie Formen der Programmusik) bezeichnet D[urchführung] die Partien der Komposition, welche der Entfaltung der im thematischen Material enthaltenen mus. Ideen dienen. In der Sonatensatzform steht der D.-Teil zwischen Exposition und Reprise. In ihm werden im Sinne der D.-Technik die Themeneinheiten der Exposition in ihre motivischen Elemente zerlegt, modulierend verarbeitet, mit Hilfe kontrapunktischer Techniken wie Imitation, Fugato, Umkehrung, Diminution und Augmentation umgeformt, verschieden angeordnet und dadurch in neue Beziehungen zueinander gestellt [...] Die D. ist formal nicht gebunden; aus seiner künstlerischen Phantasie und mit den kompositorischen Möglichkeiten seiner Zeit gestaltet und beleuchtet der Komponist die in dem thematischen Material der Exposition enthaltenen melodischen, rhythmischen und dynamischen Substanzen im Sinne ihrer dramatischen und poetischen Ausdeutung.

Brockhaus-Riemann Musiklexikon, Art. Durchführung, 2. Aufl. Mainz 1995, S. 349-350.

Exposition-Durchführung-Reprise in den Sonaten der Wiener Klassiker werden durch Umfangsverhältnisse etwa zwischen 10:4:13 und 10:9:12,5 gekennzeichnet. Der B-Abschnitt ist fast immer am kürzesten, vor allem dann, wenn die musikalischen Gedanken auch in den A-Abschnitten beträchtlich ›durchgeführt‹ werden [...]
Exposition-Durchführung-Reprise in den Sonaten der Wiener Klassiker werden durch Umfangsverhältnisse etwa zwischen 10:4:13 und 10:9:12,5 gekennzeichnet. Der B-Abschnitt ist fast immer am kürzesten, vor allem dann, wenn die musikalischen Gedanken auch in den A-Abschnitten beträchtlich ›durchgeführt‹ werden [...]
Im modulierenden B-Abschnitt [Abschnitt der Durchführung] können die einzelnen Themen entweder nur transponiert, sequenziert, umgestellt oder auch durch neue Themen oder Passagenwerk ersetzt werden, aber auch vermittels Erweiterung des Umfangs [...], durch Zergliederung [...], neue Kombinationen [...] oder kontrapunktische Zerdehnung [...] verarbeitet werden.

Dorothea Mielke-Gerdes/(William S. Newmann), Art. Sonate, Klassik, Stil und Form, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016 ff., zuerst veröffentlicht 1998, online veröffentlicht 2016.

Aufgabenstellungen

Analysieren Sie die folgenden Gestaltungen Mozarts von Durchführungen aus seinen Klaviersonaten. Beachten Sie dabei insbesondere die folgende Punkte:

  • Skizzieren Sie grob den harmonischen Verlauf der Durchführung mithilfe von Stufensymbolen (nicht jeden einzelnen Akkord).
  • Welche harmonischen Stationen sind von besonderer Bedeutung?
  • Werden harmonische Stationen kadenziell gefestigt und wenn ja, welche?
  • Welche Abschnitte der Durchführung lassen sich mithilfe von Sequenzmodellen verstehen (z.B. Quintfallsequenz, Parallelismus etc.)?
  • Welche Ereignisse würden Sie als harmonische Besonderheiten bezeichnen?
  • Welches motivisch-thematische Material der Exposition wird zur Gestaltung der Durchführungen verwendet (Material des Hauptsatzes, Seitensatzes, etc.)? Den Notentext des gesamten Satzes können Sie hier einsehen.
  • Vergleichen Sie die Aussagen (oben) zur Formfunktion Durchführung und bestimmen Sie inhaltlichen Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede.

Aufgabe 1: 'Durchführung der Sonate in C-Dur KV 279 (189d) von W. A. Mozart.

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Aufgabe 2: 'Durchführung der Sonate in C-Dur KV 330 (300h) von W. A. Mozart.

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Aufgabe 3: Durchführung der Sonate in C-Dur KV 570 von W. A. Mozart.

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